27 Juni 2025

Nerds Diary: Früher Nachmittag (S3/F2)

 Früher Nachmittag

Nerds Diary Früher Nachmittag
... ich sitze am Schreibtisch und kämpfe mit den Tücken der Technik. Heute läuft es gar nicht rund, ein Jenkins-Job bockt und die Kollegen können den Fehler nicht finden. Irgendwer muss an der Konfiguration herumgefummelt haben und jetzt werden die Artefakte nicht vollständig eingesammelt. Eine Telefonkonferenz jagt die nächste, aber das Deployment will einfach nicht in Gang kommen.

Jetzt wieder ein Anruf, diesmal aber nicht aus dem Büro. "Kommst du rüber?" - "Ich kann gerade nicht, der Jenkins spinnt herum." - "Lass ihn spinnen, ich habe frisch gebacken." - "Nein, geht wirklich nicht, hier funktioniert was nicht." - "Aber hier! Das wird dir gute Laune machen." - "Nein, erst die Arbeit, die hat jetzt Prio." - "Wie du meinst."

Etwa eine Viertelstunde später sitze ich bei ihr am Couchtisch. Vor mir steht ein großes Backblech mit Brownies, noch fluffig warm und verführerisch duftend. Sie pendelt zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her, bringt Kaffee und Cola. Wir stoßen mit der Cola an, ich stürze mich auf die Brownies. "Und?" - "Lecker." - "Sag ich doch." - "Was machst du eigentlich gerade, ich meine im Büro?" - "Was reparieren." Wir kauen weiter, Kaffee und Kuchen scheinen mich tatsächlich zu entspannen. Im Grunde ist diese kleine Panne beim Computer gar nicht der Rede wert.

Die Laune verbessert sich zusehends, wir holen Würfel und spielen um das nächste Kuchenstück. Mittlerweile sitzen wir nicht mehr auf der Couch, sondern liegen auf dem Boden. Da lässt es sich viel besser würfeln und die paar Krümel, die daneben gehen, können wir nachher noch wegsaugen. Jetzt rollt der Würfelbecher unter die Couch, wir müssen uns immer aufsetzen, die Würfel in die Hand nehmen und sie auf den Boden rollen. Oder sollten wir sie nicht einfach hochwerfen? Einer der Würfel landet in der Cola, es spritzt, wir lachen uns tot.

"Sag mal, ist irgendwas in der Cola oder in den Brownies?" - "Wie kommst du denn darauf?" - "Ich hab so ein Gefühl." - "Du bist ein Nerd, der hat kein Gefühl bei Brownies." - "Doch, irgendwie schmecken sie heute anders." - "Vielleicht." Nachdem sie mir gestanden hat, dass sie die Zutaten ein wenig ergänzt hat, wird mir klar, warum wir so high sind. "So kann ich unmöglich noch arbeiten." - "Warum, dann geht es alles viel leichter. Ich sag doch immer 'Entspann dich'."

Die Uhr hängt ein bisschen schief, dabei bewegt sie sich auch ein klein wenig, jedenfalls gelingt es mir nicht, sie abzulesen. Sie wälzt mich wieder auf den Bauch, setzt sich auf meinen Rücken und knetet an meinen Schultern herum. "Stehst du eigentlich auf Frauen?" - "Wie kommst du jetzt darauf?" - "Weil du im Büro etwas mit Jenkins machst, das ist doch ein Mann." - "Jenkins ist ein Computerprogramm." - "Oh." Pause. "Aber sag mal." - "Was jetzt?" - "Ob du auf Frauen stehst." - "Ja, schon." - "Aber nicht auf mich?" - "Doch. Ja, nein, weiß nicht." Pause. "Ich ziehe dir jetzt dein T-Shirt aus." - "Ich muss noch mal ins Büro, bis nachher."

Ich winde mich unter ihr frei, komme auf die Füße und stolpere in Richtung Wohnungstür. "Ach, da ist ja wieder der Neue." Der Nachbar hantiert gerade an den Briefkästen. "Ist der Herr in Eile?" Ich murmele irgendwas Unverständliches, meine Zunge ist von den gepimpten Brownies mächtig schwer. Jetzt nur nach Hause, ein paar Minuten auf der Couch werden mich wieder in Schwung bringen. Und natürlich viel trinken.

Die Decke bewegt sich ganz leicht, meine Gedanken bewegen sich mit, was war das gerade? Jedenfalls muss ich gleich noch mal an den Computer, nachfragen, was das Deployment macht. Oder auch nicht, wie meine schweren Augenlider mich wissen lassen.

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]

20 Juni 2025

Nerds Diary: Ein wenig gelangweilt (S3/F1)

Ein wenig gelangweilt

Nerds Diary: Ein wenig gelangweilt (S3/F1)
... trotte ich durch die Gegend. Seit unserem gemeinsamen Bad habe ich sie nicht mehr gesehen. Seit Wochen nicht. Die Arbeit hält mich am Laufen, aber manchmal denke ich an die verrückten Ideen, die sie immer hatte. Am Anfang habe ich täglich die Wohnung geputzt, aber das hat aufgehört, jetzt versacke ich eher bei Minecraft oder Fortnite

An der Haustür bleibe ich kurz stehen. Auf dem Rücken habe ich meinen Rucksack mit den Einkäufen, jetzt muss ich noch den Schlüssel aus der Tasche kramen. Da sehe sie lässig an der Hauswand lehnen. "Hast du mir aufgelauert?" - "Nein. Was hast du eingekauft?" - "Warum fragst du?" - "Lass mal sehen." Ich öffne den Rucksack: Pizza, Cola, Spaghetti, Kekse. "Das ist aber eine ungesunde Mischung." - "Wo warst du eigentlich in den letzten Wochen?" - "Kein Obst?!"

Das könnte jetzt so weitergehen, aber ich lasse es mal auf sich beruhen und schließe die Haustür auf. In der Wohnung angekommen "Deine Mutter hat sich angekündigt." - "Woher weißt du das?" - "Hat sie dir geschrieben." - "Wieso weißt du, was sie geschrieben hat?" - "Stand im Brief drin." - "Welcher Brief?" - "Na, aus dem Briefkasten, ein Brief halt." - "Und den hast du gelesen?"

"Wir müssen das vorbereiten. Wann hast du das letzte Mal saubergemacht? Und hast du Getränke da? Tee? Essen?" Einige Zeit später bin ich mit einem langen Einkaufszettel wieder auf dem Weg zum Supermarkt. Der Liste war eine ausführliche Diskussion über notwendige Artikel, gesunde Produkte und die Auswahl einer selbst zuzubereitenden Mahlzeit vorausgegangen. "Was soll ich denn kochen?" - "Schau mal bei Chefkoch.de. Oder bei Youtube." - "Ich habe noch nie für meine Mutter gekocht. Muss das sein?" - "Sie wird begeistert von dir sein. Du schaffst das schon."

Bereits kurz vor der Haustür höre ich bei der Rückkehr die bekannte Musik mit einem Stil zwischen ACDC und Nickelback. Die Tür geht auf, noch bevor ich den Schlüssel hineingesteckt habe, sie kommt mir entgegen und rennt mich fast um, weil sie einen hohen Stapel Pizzakartons vor sich her trägt. "Oder wollen wir daraus einen Jenga-Turm bauen?" - "Lieber nicht. Der Bücherturm hat mir gereicht." - "Na gut, dann laufe mal runter zum Altpapier. Ich räum in der Zeit im Kühlschrank auf, da ist noch uralter Käse drin." - "Wo ist eigentlich der Brief meiner Mutter?" - "Ach so, ja, also, den Brief gibt es eigentlich gar nicht." - "Verstehe ich nicht. Woher weißt du dann, dass sie kommt?"

"Sie kommt nicht." Diskussion, warum sie das zu mir gesagt hat. Entwarnung, Muttern ist nicht im Anflug, aber meine Wohnung ist aufgeräumt, gesunde Lebensmittel im Kühlschrank und ich habe mir ein Rezept herausgesucht, was ich jetzt kochen werde. Etwas überrumpelt, aber motiviert mache ich mich am Herd zu schaffen. "Ich kümmere mich um den Nachtisch." Während die Nudeln kochen und das Hackfleisch anbrät, laufe ich kurz rüber in das Arbeitszimmer. Anmeldung am Computer, die Jungs in der Firma haben das Backup erfolgreich eingespielt.

Rückkehr in die Küche, auf dem Herd die Nudeln und das Hackfleisch, aber auf der Arbeitsplatte ein großer Beutel Mais. "Was hast du vor?" - "Popcorn" - "Ist das der Nachtisch?"

Wir sitzen am Küchentisch, der Hackfleischauflauf ist weitgehend im Magen, jetzt beratschlagen wir die Zubereitung von Popcorn. "Einfach in die Mikrowelle." - "Muss man da nicht irgendeine Folie drummachen?" - "Ach was, wir machen das so, dann können die Körner richtig aufspringen." Und das tun sie. Ziemlich schnell füllt sich der Garraum der Mikrowelle, aber es poppt immer weiter. Mit lautem Radau springt die Tür auf und eine große Ladung aufgepoppter Mais ergießt sich auf den Küchenboden.

"Nicht schlimm, du hast doch vorhin den Boden gewischt." Wir kriechen über den Boden, sammeln die Körner so gut es geht wieder ein, auch unter den Möbeln und in den Ritzen der Küchenzeile haben sich einige kleinere Maiskörner versteckt. Ich werde in den nächsten Tagen bestimmt noch weitere Reste finden.

"Probier mal, die schmecken echt lecker." Inzwischen sitzen wir vor dem Fernseher und starren auf den dunklen Bildschirm. "Es gibt bestimmt keine spannende Sendung, lass uns einfach was spielen." - "Ich würde lieber Nuhr im Ersten sehen." - "Wie altmodisch. Hast du kein Netflix?" - "Nein, brauch ich nicht, kostet nur."

Das Thema Bewegung ist in den letzten Tagen zu kurz gekommen. "Wir machen Twister." - "Kenn ich nicht." - "Da muss man auf einer Matte mit bunten Punkten mit irgendeinem Körperteil einen ausgewürfelten Farbpunkt berühren." - "Ich habe keine Matte mit bunten Punkten."

Der Läufer aus dem Flur bekommt die notwendigen Kleckse verpasst, nachdem sie in meinem Schreibtisch noch einen Wassermalkasten aus der Schulzeit entdeckt hat. Farbenfroh liegt er jetzt im Wohnzimmer, die Farbe ist weitgehend getrocknet und ein Würfel präpariert. Abwechselnd wird gewürfelt, wir verhaken uns in immer wilderen Verrenkungen. Längst sind die Hände und Füße bunt von der nur halb getrockneten Farbe, sehen auch T-Shirt und Hose aus, als ob wir gerade von einer Anstreich-Aktion zurückkämen.

"Macht nichts, das macht dein Leben viel fröhlicher." - "Finde ich nicht. Es macht meine Kleidung nur viel dreckiger." - "Das ist Farbe, kein Dreck." - "Aber ich muss sie waschen." - "Ja, und?" Nur noch in Unterhose rolle ich den Teppich zusammen, schleife ihn ins Badezimmer, wo er erst mal gründlich durchtrocknen kann.

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]

13 Juni 2025

Fernsehauftritt

Gerade kommt die Visagistin noch mal bei mir vorbei, pudert ein bisschen in meinem Gesicht nach. Vorhin hat sie sich um meinen Bart gekümmert, diverse Schichten Primer, Makeup, Concealer, Shadow und Glow aufgetragen. Beim Blick in den Spiegel sehe ich mein Gesicht, ich sehe aus wie immer, dabei schöner und jünger. Die erneute Puderschicht soll mattieren wegen der Scheinwerfer, wie die junge Dame mir erklärt.

Fernsehauftritt

Nun ist sie wieder weg, stattdessen taucht ein Assistent auf, der mir nochmal den organisatorischen Rahmen erläutert. Wann ich auf welches Licht achten muss, welche Kamera gerade aktiv ist, welche Signalwörter im Interview üblich sind. Und natürlich das Publikum. Das wird gerade warmgeklatscht, ist freudig-neugierig auf den Abend und wird brav an den verabredeten Stellen Beifall spenden.

Alles ist geplant, nichts so, wie es die Fernsehzuschauer nachher präsentiert bekommen. Der Assistent zieht wieder ab, eine Durchsage aus dem Off kündigt noch zehn Minuten an. Vor lauter Aufregung schwirrt mir der Kopf. Was mache ich eigentlich hier? Ich bin in diese Fernsehshow eingeladen, um meine neue Veröffentlichung vorzustellen. Fleißige Leser haben mich in der Zugriffsstatistik so weit nach oben geklickt, dass ich aus der Unsichtbarkeit des Publikationsstroms über die Sichtbarkeitsschwelle geraten bin.

Wir haben vorhin schon mal als Probe am blumengeschmückten Couchtisch gesessen, ein bekannter Moderator hat mit seinen Moderationskarten gespielt, routiniert ein paar unverfängliche Fragen gestellt. Stellprobe, Mikrofonprobe, Beleuchtung nachjustiert. Die Kameras müssen noch ein wenig verschoben, die Zoomeinstellungen korrigiert werden. Kontakt mit dem Regieboard hergestellt, der Produzent schaut noch mal vorbei.

Noch zwei Minuten, wie die unsichtbare Sprecherin ankündigt. Gleich nicht zu hektisch laufen, sitzt die Hose, was wollte ich als Eingangsstatement von mir geben? Langsam steigt so etwas wie Panik in mir auf, zwar ist die Hektik um mich einer geradezu beängstigenden Ruhe gewichen, aber gerade das lässt die ganze Szene unheimlich wirken. Die Regielampe ist auf gelb, Vorstufe zum Beginn der Sendung, letzte Phase vor meinem Auftritt.

Der Kloß in meinem Hals macht sich langsam dicker. Bekomme ich überhaupt noch einen Ton heraus oder noch schlimmer, selbst das Luftholen fällt mir schwerer. Jetzt kommt doch noch mal die Visagistin, sie hat wohl beobachtet, dass ich immer blasser werde, unter dem Vorwand, mir mit ihrem Rougepinsel ein wenig Farbe zu verpassen legt sie mir ihre warme Hand auf die Schulter. Wie gut das tut.

Die Lampe am Ausgang geht auf grün, der Assistent stürzt sich auf mich, zerrt an meinem Arm. Meine Beine sind unendlich schwer, ich komme nicht aus dem Stuhl heraus, die Lampen um den Spiegel scheinen sich zu bewegen, mein Spiegelbild wirkt verzerrt. Ein klarer Gedanke ist so natürlich nicht zu erwarten, ich sterbe vor Aufregung. Was hat mich nur geritten, mich auf dieses Abenteuer einzulassen, mich in aller Öffentlichkeit lächerlich zu machen, bei meinen Freunden heimliches Fremdschämen zu sorgen.

Ganz kurz schließe ich noch mal die Augen, sammle meine Gedanken, atme tief durch, versuche die Attacke zu beenden. Dann öffne ich die Augen wieder. Schweißgebadet schaue ich mich um. Ich bin zu Hause, am Schreibtisch, meine Frau steht neben mir und ruckelt an meinem Arm. Jetzt wieder ihre Hand auf meiner Schulter, es war gar nicht die Visagistin, aber jedenfalls tut es gut.

Natürlich bin ich nicht im Fernsehen, weder gehen meine Veröffentlichungen viral, noch habe ich eine umfassende Anhängerschaft oder vertrete gar so polarisierende Statements, dass ich öffentliche Aufmerksamkeit errege. Kein Grund zur Panik also, mein Leben wird nicht in das Scheinwerferlicht politischer oder literarischer Kritiker gezerrt, ich kann entspannt weiter das schreiben, was mir durch den Kopf geht und für andere interessant erscheint.

Abonniere den Kanal Eckhards Blog By Dr.-G auf WhatsApp

06 Juni 2025

Kabelanschluss in 20 Phasen

An dem einen oder anderen Beispiel im täglichen Leben kann man die unterschiedlichen Typen von Menschen in ihren jeweils spezifischen Rollen erleben. Ich erläutere das mal am Beispiel vom Kabelanschluss für das Haus in einem Wohngebiet mit vorwiegend freistehenden Häusern.

Kabelanschluss in 20 Phasen
Phase 1: Im Tagesrhythmus rufen mich MitarbeiterInnen einer Hotline an. Sie sind freundlich, sprechen halbwegs verständliches Deutsch und versuchen mit allerlei Argumenten, mich für einen Kabelanschluss zu begeistern.

Phase 2: Ein lebhafter Vertriebsmitarbeiter ruft mich an, gratuliert mir zu dem großartigen Entschluss, mein Haus mit Kabelanschluss zu versorgen und lädt mich zu der Informationsveranstaltung mit allen Nachbarn ein, die sich genauso großartig entschlossen haben.

Phase 3: Ein Team von Mitarbeitern der Kabelfirma hat das komplette Bürgerhaus in einen Markplatz verwandelt. Flyer, Infobroschüren, Videos und Beratungstische vermitteln den Eindruck eines kompetenten und leistungsfähigen Anbieters. Im Hauptraum gibt es eine Präsentation mit vielen bunten Folien, vorgetragen von einem hippen Techniker und einem seriös wirkenden Berater.

Phase 4: Ein hektischer Mann mit zu kleiner Regenjacke steht einen Tag nach dem verabredeten Besprechungstermin vor meinem Haus. Da er gestern niemand angetroffen hat, kann er heute nur einen neuen Termin in zwei Wochen anbieten. Auf meinen Einwand, ich sei den ganzen Tag da gewesen, geht er nicht ein.

Phase 5: Der Bauleiter mit Helm steht vor dem Haus, erklärt mir, warum der mit dem Hektiker ausgemachte Plan nicht umsetzbar ist und dass sie quer durch den Vorgarten schießen müssen. Ein Datum kann er nicht nennen, nur eine Kalenderwoche, natürlich unverbindlich abhängig von der Witterung.

Phase 6: Nachdem ich bei strahlendem Sonnenschein und einigen Anrufen bei der Hotline mehrere Wochen auf den Bautrupp gewartet habe, wird bei leichtem Nieselregen ein Bagger vor meinem Haus abgestellt. Der Baggerfahrer spricht kein Deutsch, drückt mir sein Handy in die Hand, ich soll mit seinem Chef sprechen.

Phase 7: Zwar muss die Leitung durch den Vorgarten gelegt werden, aber wegen der dort verlegten Rohre kann das nur im offenen Verfahren, also mit Aufbaggern realisiert werden. Der Baggerfahrer beginnt, eine schmale Furche durch Blumenbeete, Rasen und quer durch den plattierten Weg zu graben.

Phase 8: Wegen einsetzendem Regen muss die Baggerarbeit unterbrochen werden, was allerdings nichts macht, weil erst die Telefonleitung repariert werden muss, die bei den Erdarbeiten beschädigt wurde. Ein Vertriebsmitarbeiter besucht mich nach ein paar Tagen, verspricht den Schaden unbürokratisch zu regulieren und weist mich auf die großartigen Vorteile des Kabelanschluss hin.

Phase 9: Die Erdarbeiten und Reparaturen sind fertiggestellt. Inzwischen habe ich einen polnischen Verputzer kennengelernt, der das Bohrloch von dem ersten erfolglosen Versuch ins Haus zu kommen wieder fachkundig verschlossen hat. Er kümmert sich auch um die Leitung, die der multifunktionale Baggerfahrer trotz meiner Einwände mit Stahlnägeln auf der tapezierten Kellerwand befestigt hat.

Phase 10: Ein Techniker mit mehreren Koffern voller teurem Equipment kommt vorbei, um den Anschluss in Betrieb zu nehmen. Auch nach diversen Telefongesprächen mit Kollegen in der Zentrale lässt sich kein Signal auf der Leitung messen.

Phase 11: Inzwischen scheine ich die gesamte Vertriebsmannschaft kennengelernt zu haben. Heute kommt eine junge Frau, versucht meine angeschlagene Laune durch Flirtversuche zu beschwichtigen und verspricht mir, dass der Kabelanschluss großartig wird. Ein wenig Geduld, die Techniker sind dran.

Phase 12: Die Quelle der Vertriebler scheint versiegt. Seit Wochen kommt niemand mehr, bei der Hotline hänge ich in der Warteschleife, wenn doch jemand in gebrochenem Deutsch ans Telefon geht, nimmt er mein Problem entgegen, wird es weiterzugeben und ja: Normalerweise ist so ein Kabelanschluss großartig.

Phase 13: Eine ziemlich hohe Rechnung wegen der ungeplant umfangreichen Erdarbeiten kommt ins Haus. Sie hat einen freundlichen Ton, ein Flyer mit einer strahlenden Familie vor einem riesigen Flatscreen liegt bei. Und der Hinweis, dass bei Versäumnis der Zahlung ohne weitere Mahnung ein Inkassobüro eingeschaltet wird.

Phase 14: Mein Anwalt setzt ein Schreiben mit Fristsetzung für die Inbetriebnahme meines Kabelanschluss auf. Er ist routiniert und lässt mich wissen, dass dies ein Standardvorgehen wäre, das er praktisch jede Woche mehrfach einleiten müsse.

Phase 15: Ein Anzugträger mit Turnschuhen, mein Techniker, der Pole und der Hektiker stehen unangekündigt vor meinem Haus. Sie würden jetzt und hier die Funktionalität herstellen, wenn das für mich nicht passe würde damit die Frist meines Schreibens ausgehebelt. Alternativtermin voraussichtlich erst im nächsten Quartal.

Phase 16: Nachdem der Vorgarten von einem anderen Bagger wieder aufgegraben wurde, steht jetzt fest, dass die Kabelunterbrechung doch nicht dort liegt. Bei der zügig eingeleiteten Buddelei ist meine Wasserleitung kaputt gegangen, die Gemeinde sieht sich nicht in der Pflicht zur Reparatur, weil die Bruchstelle auf meinem Grundstück liegt. 

Phase 17: Der kurzschließende Nagel durch das Kabel in meinem Keller ist gefunden. Die Rechtsabteilung der Kabelfirma lässt mich wissen, dass ich durch diesen selbstverursachten Ausfall die Reparaturkosten, die zweite Vorgartenarbeit und natürlich Verfahrens- und Mahnkosten zu tragen habe.

Phase 18: Der ursprüngliche Baggerfahrer mit seiner Nagelbefestigung ist nicht mehr bei der Firma. Es ist aussichtslos, ihn als Auslöser der Probleme zur Rechenschaft zu ziehen. Auch der Pole mit den Reparaturarbeiten kommt als Zeuge nicht in Frage.

Phase 19: Der Anschluss läuft, nach einigen Anrufen bei der Hotline sogar mit deutlich über der Hälfte der angekündigten Datengeschwindigkeit. Die Beschwerdestelle des Anbieters stuft meine Reklamation als Einzelfall ein und sieht eine Verbindung zwischen Downloadgeschwindigkeit und dem Nagelthema.

Phase 20: Ich erhalte einen Anruf von einem Chatbot, der mich durch eine Zufriedenheitsumfrage führt. Bei einer kritischen Antwort gibt er vor, mich nicht verstanden zu haben und wiederholt die Frage so lange, bis ich auflege.

Es wäre ein großartiges Erlebnis gewesen, ist nur so nie passiert. Aber wer weiß: Vielleicht lerne ich ja doch noch die Vorzüge des Kabelanschluss kennen.

Abonniere den Kanal Eckhards Blog By Dr.-G auf WhatsApp

30 Mai 2025

Nerds Diary: Der Tag startet regnerisch (S2/F8)

 Der Tag startet regnerisch (S2/F8)

Der Tag startet regnerisch (S2/F8)
Der Tag startet regnerisch. Wasser läuft die Scheibe herunter, wir haben gar keine Lust, das warme Bett zu verlassen. Noch im neuen Schlafanzug gehe ich zum Arbeitszimmer rüber, starte den Computer und ziehe weiter ins Bad.

„Ich habe dir eine Einkaufsliste geschrieben.“ – „Essen ist noch da. Getränke auch.“ – „Die Zahnbürste für mich.“ Ich möchte die Diskussion von gestern Abend vermeiden, „Brauchst du sonst noch was?“ – „Ja, Danke. Du kannst noch Bodylotion mitbringen.“ – „Das glitschige Gefühl auf dem Rücken mag ich gar nicht.“ – „Am besten ‚reichhaltig‘. Dann sind da pflegende Sachen drin, die den ganzen Tag halten.“ – „Hab ich befürchtet.“

Der bedeckte Morgen ist in einen Dauerregen übergegangen. „Kein Grund, nur zu Hause zu hocken.“ – „Ich gehe jetzt nicht raus. Der Einkauf kann warten.“ – „Wer spricht denn von Einkauf?“ – „Was dann?“ – „Joggen.“ – „Joggen im strömenden Regen? Sicher nicht!“

Nach ein bisschen Suchen habe ich die Joggingschuhe und die zugehörige Kleidung gefunden. Noch schnell ein Glas Wasser, dann mache ich mich auf den Weg. Treppe runter, zum Park rüber, ein Blick auf die Uhr, langsam falle ich in Trab.

Mit kurzen Unterbrechungen laufe ich tatsächlich eine Stunde durch die Gegend, der Regen nimmt zwischendurch ab, dann aber auch wieder zu. Als ich auf das Haus zuhalte bin ich praktisch komplett durchgenässt, das Wasser läuft auch langsam in die Schuhe.

Ich schließe die Wohnungstür auf, ein Geruch von Salbei schlägt mir entgegen. Sie sitzt in der Badewanne, eine deutliche Schicht von Schaum lässt vermuten, woher der Salbeigeruch kommt. „Ist dir kalt?“ – „Kann man wohl sagen.“ – „Komm rein. Hier ist wunderbar heiß.“

Ich schwanke zwischen verlockender Aufwärmung und peinlicher Badeaktion. Sie errät meine Gedanken und „Jetzt komm schon, ich schau dir nichts weg.“ Nach kurzem Zögern ziehe ich die Schuhe aus, entleere das Wasser ins Waschbecken, wringe auch Hose und Laufshirt aus.

„Soll ich dir helfen?“ – „Ich komme schon zu recht.“ Socken und Unterhose aus und ganz schnell ins Wasser, unter die schützende Schaumschicht. „Und? Tut das nicht gut? Setz dir mal eine Schaumkrone auf. Du bist jetzt ein Königs-Nerd.“

Sie beugt sich vor, fischt vom Schaum und pappt ihn mir auf die Haare. „Das reicht nicht, wir brauchen mehr Schaum.“ Pause. „Du hast doch Strohhalme.“ Tropfnass mit Badehandtuch laufe ich in die Küche, hinterlasse nasse Fußspuren auf dem Boden und tauche ganz schnell wieder in die Wanne. Jeder bekommt eine Handvoll Halme und pustet aus Leibeskräften in das Wasser.

Der Schaum nimmt zu, ein ganzes Gebirge entsteht, wir pusten und pusten, bis auch der Rand der Wanne, dann der Boden davor voll ist. Ich habe eine riesige Schaumkrone, sie einen mächtigen Schaumbart, selbst beim Aufstehen sind wir eingehüllt in die weiße Pracht.

Mit Schwung entleert sie den Rest meines teuren Badezusatzes in die Wanne „damit es sich lohnt“ und geht wieder auf Tauchstation. Ich höre aus den Schaummengen nur das Blubbern von Dutzenden Halmen, das Aufsteigen weiterer Berge und dann fühle ich ein U-Boot, das sich an meinen Beinen zu schaffen macht.

Das Ablassen des Wassers war ziemlich einfach, aber trotzdem ist das Badezimmer noch voller Schaum, der Boden ist glitschig, nur in der Wanne können wir mit der Brause ein wenig Herr der Lage werden. „Ist doch egal, das geht von alleine weg. Jetzt trocknen wir uns erst mal ab und machen es uns bei einem Rotwein gemütlich.“ – „Den Boden müssen wir schon trockenlegen, sonst legt sich noch einer von uns hin.“

Sie ist einverstanden, ich darf den Boden wischen und auch die Wasserspuren in die anderen Zimmer entfernen. Als Bedingung muss ich sie abtrocknen und ihr schon mal ein weiches Lager auf dem Sofa vorbereiten.

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]

23 Mai 2025

Nerds Diary: Gut gemacht (S2/F7)

Gut gemacht (S2/F7)

Nerds Diary: Gut gemacht
„Gut gemacht!“ Wir sitzen vor dem Ofen und schauen dem Gemüse beim Überbacken zu. „Lass uns die Zeit mit was Sinnvollem verbringen.“ – „Was denn?“ – „Wir üben jonglieren.“ – „Ich habe keine Jonglierbälle“ – „Egal, wir nehmen irgendwas anderes.“

Wir entscheiden uns für erste Versuche mit festen Tomaten, die noch in ausreichender Zahl auf der Arbeitsplatte liegen. Während der Auflauf im Ofen leise summend immer knuspriger wird, steigern wir langsam unsere Jonglierschwierigkeit. Die Tomaten fliegen immer höher „Nicht das Fangen ist wichtig, sondern das Werfen. Schau mal.“

Leider wirft sie die Tomate nicht so gut, oder das Fangen auf meiner Seite geht daneben, jedenfalls streift sie mein Hemd, meine Hose und landet dann trotz reflexartigem Fangversuch auf dem Boden. „Macht nichts, wir haben noch genug. Und es motiviert ungemein beim Üben, wenn man nichts fallenlassen will.“

Die Tomaten sind verbraucht, am Schluss klappt das Jonglieren ganz gut, aber der Küchenboden gleicht eher einer Tomatenrutschbahn. „Das machen wir nach dem Mittagessen wieder sauber. Jetzt erst mal Gemüseauflauf.“ 

Es schmeckt wirklich gut, die obligatorische Flasche Rotwein ergänzt prima. „Es hat sich gelohnt, dass du im Internet mal nach Wein vom Rewe recherchiert hast. Was spielen wir heute?“ – „Wir müssen nichts spielen, war doch ein langer Tag heute, wir gehen ins Bett.“

Die zufällig aufgetauchten Spielkarten liegen auf dem Wohnzimmertisch. „Teil mal aus, wir spielen Siebzehn-und-vier.“  – „Das haben wir als Kinder gespielt.“ – „Jeder bekommt 6 Karten. Wir spielen darum, wer was aufräumen muss.“

Zu meiner Überraschung verliert sie in der ersten Runde. „Okay, ich mache den Tisch sauber.“ – „Ist das alles?“ – „Ja, wir spielen noch ein paar Runden.“ Wie erwartet geht es für mich schlecht weiter, ich verliere: „Oh, da hast du aber Pech gehabt, der Boden ist ziemlich viel Arbeit.“ – „Warum ist denn jetzt der Boden dran?“

Auch das Polieren der Gläser (sie), das Schrubben der Küchengeräte (ich), das Spülen von Koch- und Essgeschirr (ich) und das Nachfüllen des Rotweins (sie) werden fair verteilt. Wir machen uns an die Arbeit. Während ich mit Putzeimer und Bodentuch wieder langsam Herr der Lage werde, ist sie nach Erledigung ihrer Sachen im Wohnzimmer verschwunden.

Ich höre laute Musik zwischen ACDC und Nickelback, dazwischen klirrt es aus Richtung Badezimmer. „Bist du noch nicht fertig? Du wolltest doch ins Bett gehen.“ Ich laufe ins Wohnzimmer, mache die Musik leiser und tropfe dabei mit meinem Feudel voller Tomatenreste den Boden voll.

Sie ist nirgendwo zu sehen, schließlich entdecke ich sie im Schlafzimmer. „Warum liegst du in meinem Bett?“ – „Du hast doch gesagt, dass wir ins Bett gehen.“ – „So war das nicht gemeint.“ – „Und wie war es gemeint?“ – „Jedenfalls nicht so.“

„Hast du mir eigentlich inzwischen eine Zahnbürste gekauft?“ – „Du hast doch eine eigene Wohnung, mit Bett und Zahnbürste.“ – „Hier ist es kuscheliger, findest du nicht auch?“ – „Ja, deshalb wohne ich ja auch hier.“ – „Siehst du.“ – „Was?“ Diskussion, warum Nerds so abweisend sind.

Langsam wird es hell, ich habe mein Kissen im Arm, die Bettdecke ist fast komplett weggezogen, hinter meinem Rücken ist Bewegung. Ich fühle eine warme Hand, die sich auf meine Hüfte legt, leicht kribbelt und dann in ein Kitzeln übergeht. Mit einer Bewegung schiebe ich mir das Kissen wieder unter den Kopf und drehe mich zu ihr herum.

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]

16 Mai 2025

Nerds Diary: Mir ist noch was eingefallen (S2/F6)

Mir ist noch was eingefallen (S2/F6)

Nerds Diary: Mir ist noch was eingefallen
„Mir ist noch was eingefallen.“ Es ist früher Morgen, sie hat an meiner Tür geklingelt, immer wieder, bis ich mich endlich aus dem Bett gewälzt habe. „Aber jetzt ist erst mal Zeit für die Morgengymnastik.“

Mir ist nicht nach Morgengymnastik, und wenn überhaupt dann erst nach dem Zähneputzen. Sie willigt ein, aber „schau mal in den Spiegel, du hast doch wirklich einen Oma-Schlafanzug an.“ Ich überhöre diesen Kommentar, schlurfe rüber ins Bad und höre sie in die Küche verschwinden, wo hoffentlich gleich die Kaffeemaschine startet.

„Was ist dir noch eingefallen?“ – „Der Einkauf gestern.“ – „Ja?“ – „Wir wollten doch was für dich kaufen.“ – „Haben wir doch“ – „Ja, nein, ich meine für die Freizeit.“ Diskussion, was ich in meiner Freizeit mache. Es muss doch Hobbys geben.

„Nein, ich bin Anwendungsmanager bei einer großen Bank.“ Während der unausweichlichen Figuren rund um Berg, Kobra, Herabschauender Hund, Vorbeuge ist Gelegenheit, die Frage nach meiner Freizeitgestaltung zu beantworten.

„An-wen-dungs-manager. Aber doch nicht den ganzen Tag. Das ist doch keine Herausforderung. Es gibt doch noch mehr in deinem Leben.“ – „Eigentlich nicht.“ – „Wie wäre es mit Kochen?“ – „Kann ich schon.“ – „Meinst du Pizza in der Mikrowelle warmmachen?“

Nachdem wir einen Single-Kochkurs herausgesucht haben, bei dem wir uns getrennt anmelden können, darf ich an den Computer. Es sieht alles ganz gut aus, keine Fehlermeldungen über Nacht, auch der Morgenjob ist problemlos durchgelaufen. Noch eine kurze Vorbereitung für ein Statusmeeting.

„Was machen wir heute Mittag?“ – „Der Kochkurs beginnt doch erst in zwei Wochen.“ – „Willst du bis dahin nichts essen?“ Der Kopf an der Tür verschwindet wieder, ich setze den Kopfhörer auf, begrüße meine Kollegen. Die Haustür schlägt zu.

Etwa eine Stunde später höre ich wieder Geräusche, sie scheinen aus dem Bad zu kommen. „Der Badezimmerschrank ist total altmodisch, halt mal fest, damit ich ihn abmontieren kann.“ – „Ich bin noch mitten in einer Sitzung.“

Wir montieren den Bausatz des neuen Schrankes, ich muss den Kollegen erzählen, dass ich mir den Magen verdorben habe und deshalb etwas länglich auf Toilette verschwinden musste. Ins Badezimmer kommt man aktuell gar nicht rein, weil da der alte Schrank, sein Inhalt, der neue Schrank, seine Verpackung und allerlei Werkzeug verteilt sind.

„Das wird so schön, nach dem Mittagessen gehe ich eine Runde joggen, vielleicht kannst du den Schrank aufhängen und einräumen.“ – „Keine Zeit. Wir müssen noch ein Deployment durchführen, die Kollegen brauchen meine Hilfe.“ – „Ach, die kriegen das schon alleine hin, wenn du in Urlaub wärst könnten sie es auch.“ – „Ich bin aber nicht in Urlaub."

Gegen Abend habe ich im Badezimmer wieder Ordnung geschafft, pünktlich zum Abendessen taucht sie wieder auf. „Macht es dir was aus, wenn ich noch schnell dusche?“ – „Konntest du das nicht bei dir machen?“ – „Ich wollte den neuen Badezimmerschrank einweihen. Und in der Zwischenzeit kannst du was Gesundes kochen. Ich habe verschiedene Gemüse eingekauft, such mal ein Rezept raus.“ 

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]

09 Mai 2025

Nerds Diary: Das macht nichts (S2/F5)

Das macht nichts (S2/F5)

Nerds Diary: Das macht nichts
„Das macht nichts. Jede Sitzung kommt wieder. Wenn auch ein klein wenig anders.“ – „Heraklit.“ – „Was meinst du?“ – „Heraklit. Er soll gesagt haben, man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen. Und so ist auch jede Sitzung wieder ein klein wenig anders.“ – „War dieser Heraklit auch so ein Nerd?“

Wir räumen den Bücherberg auf, ein Einband ist vollständig zerfetzt, ein anderer lässt sich nicht mehr auftreiben. „Was sind das überhaupt für Bücher?“ – „Schau rein, wenn du willst.“ – „Alles Bestseller?“ – „Im Gegenteil. Fast nur unbekannte Sachen.“ – „Das ist doch ein Eckart von Hirschhausen. Ist der unbekannt?“ – „Ausnahmen bestätigen die Regel.“

Etwa die Hälfte ist wieder im Bücherschrank, da ist Yoga-Pause. „Bevor du wieder verschwindest. Erst Yoga.“ Wie gehabt gibt es wieder den Berg, den Baum, Vorbeuge und den herabschauenden Hund. Diesmal noch die Katze und die Kobra. Sie wiegt sich und drückt an mir herum, schlängelt mich zum Arbeitszimmer.

Die Mailbox ist voll, das sieht nach einer langen Nacht aus.

Tatsächlich läuft es ganz gut, die Kollegen haben einige meiner Aufgaben übernommen, mein Eingangspostkorb leert sich ungewöhnlich schnell. Ein paar Todos habe ich noch, bin aber tatsächlich so entspannt, dass sie mir recht gut von der Hand gehen.

„Bist du noch am Computer?“ – „Wo sonst?“ – „Hast du gerade Amazon offen?“ – „Nein, ich arbeite für die Bank.“ – „Rück mal zu Seite, wir müssen was einkaufen.“ – „Müssen wir nicht. Ich muss noch einen Datenexport konfigurieren.“

Als erstes landet ein Schlafanzug im Einkaufswagen. „Das ist ein Oma-Schlafanzug, den du immer anhast.“ – „Das kann dir doch egal sein.“ Eine teure Kombination aus kurzer Boxerhose mit eingearbeitetem Gürtel und gestreiftem Oberteil. Der Typ auf dem Bild hat einen breiten Oberkörper und einen unübersehbaren Sixpack.

Zur Auswahl kommt noch ein weiteres Pyjama dazu, diesmal mit Mikrofaser. „Du brauchst auch etwas für die kuscheligen Stunden.“ – „Brauchte ich bisher nicht. Und der alte Schlafanzug ist eigentlich auch noch gut.“

Langsam gehen Amazon die Alternativen aus, der Einkaufswagen füllt sich. „Brauchst du noch was anderes? Das würde die Versandkosten reduzieren.“ – „Eine Gamer-Tastatur.“ – „Aber du spielst doch gar nicht.“ – „Finde ich aber cool.“

Der Einkaufswagen geht dann mit den diversen Schlafanzügen raus.

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]
Weiter -> [Mir ist noch was eingefallen (S2/F6)]

03 Mai 2025

Nerds Diary: Ich muss dich mal unterbrechen (S2/F4)

Ich muss dich mal unterbrechen (S2/F4)

Nerds Diary: Ich muss dich mal unterbrechen (S2/F4)
„Ich muss dich mal unterbrechen.“ Ich bin mitten in einer Videokonferenz. Die Kollegen schauen sehr aufmerksam auf ihre Bildschirme. Sie hat ihren Kopf zur Tür hereingestreckt, jetzt steht sie hinter mir im Zimmer. Der Blumen-BH steht ihr gut, auch die Jeans sitzt wie angegossen. Ich mache mich vor der Kamera breit und suche hektisch den Knopf, um den Hintergrund unscharf zu machen.

„Wann hast du mal Zeit für eine Pause, ich koche gerade Kaffee.“ Mikro aus. „Bist du wahnsinnig? Hier in Unterwäsche aufzutauchen?“ – „Ich habe doch eine normale Hose an.“ – „Und der BH?“ – „Was ist damit, gefällt er dir nicht?“ – „Aber meine Kollegen…“ – „Gefällt er denen nicht? Soll ich ihn ausziehen?“ Meine Stimme wird leicht schrill: „Nein! Und jetzt raus.“

Mikro wieder an. Die anderen tun so, als ob nichts gewesen wäre. Ich schaue mich um, aber die Tür ist zu und bleibt zu. Nach der Besprechung noch den Folgetermin buchen, eine E-Mail schreiben. Dann aufstehen, zur Küche.

Ungerührt sitzt du da, diesmal ohne BH, in ein Buch vertieft. „Magst du dir was anziehen?“ – „Nein, warum?“ – „Ich dachte nur, es sieht irgendwie angezogener aus.“ – „Warum anziehen, was ich gleich wieder ausziehe?“ - „Verstehe ich nicht.“ – „Du willst meinen Busen doch ohne BH streicheln.“ – „Nein, hatte ich nicht geplant.“ Sie springt auf, kommt auf mich zu, schnappt sich meine Hände.

„Ich wollte nur einen Kaffee trinken.“ – „Kann warten. Du bist wieder mal nicht im Hier-und-jetzt.“ Sie lässt meine Hände los und legt ihre Hände auf meine Augen. „Entspann dich und komm wieder in dir an.“ Tiefes Durchatmen. Mit geschlossenen Augen fühle ich, wie sie sich an mich drückt.

Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich den Küchentisch mit Kaffeetassen, den Mandarinenkuchen und notdürftig zusammengefegten Zucker auf dem Boden. „Alles vorbereitet für die große Entspannung.“ – „Ich habe jetzt gerade keine Zeit, gleich ist die nächste Sitzung.“ – „So wirst du nie Zeit haben. Zeit ist da, du musst sie dir nehmen.“ – „Das sagt sich leicht.“ – „Das geht auch ganz leicht, ich helfe dir dabei.“

Es ist meine dritte Tasse Kaffee und das zweite Stück Kuchen. Sie hat ein T-Shirt angezogen, läuft mit langsamen Schritten um den Tisch herum. An der Stelle mit dem verstreuten Zucker knirscht es jedes Mal. „Ommm.“ Hypnotisierend folge ich ihr erst mit den Augen, dann nur noch mit den Ohren. Sie bleibt hinter mir stehen. „Wie spät ist es?“ – „Keine Ahnung.“ – „Das ist gut, die richtige Antwort. Du hast losgelassen.“

Durch das Loslassen habe ich die zweite Sitzung am Nachmittag komplett verpasst.

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]
Weiter -> [Das macht nichts (S2/F5)]

25 April 2025

Nerds Diary: Es duftet (S2/F3)

Es duftet (S2/F3)

Nerds Diary Es duftet
Es duftet nach Mittagessen. Irgendwas mit Knoblauch. „Sag mal, musst du nicht arbeiten?“ – „Ich arbeite doch.“ – „Ich meine nicht das Mittagessen. Reguläre Arbeit.“ – „Ist das keine reguläre Arbeit?“ -  „Doch, schon, ich meine zum Geldverdienen.“ Sie schaut mich an. „Du verdienst doch.“

Auf dem Küchentisch stehen Spaghetti mit einer Tomatensauce. „Aber nicht nur Pasta, auch Salat.“ Zusätzlich hat sie auch Fencheltee importiert, nach zaghaftem Blick durch die Küche scheint es diesmal abgesehen von einer heruntergefallenen Tomate keine weiteren Pannen gegeben zu haben.

„Essen ist ein Erlebnis, nicht nur Nahrungsaufnahme.“ Sie wickelt eine Spaghetti auf ihre Gabel, saugt das eine Ende in den Mund und streckt mir die Gabel entgegen. „Das ist ja Kinderkram, jeder hat seine eigene Gabel.“ Im nächsten Moment habe ich ihre Gabel im Mund und ihr Mund kommt verdächtig schnell näher.

Tomatig verschmiert legen sich ihre Lippen auf meine. „War doch gar nicht schlimm. Also, das mit der einen Gabel meine ich.“ Sie nimmt Anlauf zu einer Wiederholung, ich stopfe mir ganz schnell eine Portion Spaghetti in den Mund. Da passt ihre Gabel nicht dazu. Sie passt dann doch, wieder ein Tomatenkuss.

Sie kommt um den Tisch herum, setzt sich auf eins meiner Beine, schnappt sich mit den Händen meine Wangen und zieht sie nach oben. „Mensch, lach mal. Tomaten machen glücklich.“ Während sie mir die Nase zuhält kommt schon die nächste Gabel mit Essen auf mich zu. „Das geht jetzt so weiter, bis du endlich mal lachst.“ Ein wenig Tomatensauce tropft auf meine Jeans und hinterlässt dort einen intensiv roten Fleck.

„Das war das beste Mittagessen, das du heute bekommen konntest.“ – „Es war gut.“ – „Du bist Nerd, denk immer dran. Nur nicht überschwänglich werden.“ Kurze Pause. „Habe ich da gerade das Zucken von Lachen gesehen? Bitte lach jetzt nicht. Denk auch nicht an irgendwas Lustiges.“

Sie prustet los, lacht und lacht, grundlos, aber mitreißend und gibt keine Ruhe, bis ich auch ganz leise kichere. „Und jetzt noch ein Lied. O sole mio.“ Wir kennen den Text nicht, singen irgendwas Unverständliches, was so was wie italienisch sein könnte. Sie leitet noch mal eine Lacheinheit ein. Dann das Ganze mit Schenkelklopfen, erst auf den eigenen Beinen, dann auf den Beinen des anderen.

Nach verschiedenen Liedern und gegenseitigem Abklopfen sitze ich wieder am Computer. Verspätet zum ersten Termin am Nachmittag kann ich schnell wieder aufholen und denke an die ganzen Albernheiten vorhin. Fast könnte es mir gefallen.

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]

18 April 2025

Karfreitag 2025 im Engenhahner Forst

Karfreitag im Engenhahner Forst
Im Schatten hoher Tannen still,
wo moosig Boden wachsen will
da schuf der Ben mit Spatenmut
’nen Bike-Parcours – das tat nicht gut.

Er schaufelt Rampen, baut mit Lust,
ein Flowtrail durch die Ficht’n, aber just 
tritt dort  der Förster auf den Plan:
„Was soll der Dreck? Das geht nicht, Mann!“

Der Ben war Biker nicht Verbrecher
Doch schert das nicht die Ordnungsrächer
Man fasste ihn beim North-Shore-Ride
und schleifte ihn zur Obrigkeit.

Der Förster sprach mit finstrem Blick:
„Ich wollt’s ja nicht – doch Stück für Stück
verstieß er hier gegen das Recht.
Ich wasch die Hände. Bin nicht schlecht.“

Da kam herbei – ganz hoch erhaben –
der Regierungschef, verlangt Weggraben.
Mit goldenem Helm, auf E-Bike-Thron,
verkündete er das Strafmaß schon:

„Ein Exempel braucht das Land!
Der Wald ist Schutz- und Ordnungsstand.
Wer Trails zieht ohne Antragsschein,
der nagelt sich bald selbst hinein.“

So wurde Ben – am Wurzelhang –
gekreuzigt mit viel Forstgesang.
Und so trauern sie im Gruppenchat,
der Trail ist leer, kein Mensch am Set.

11 April 2025

Du bist ein unruhiger Geist (S2/F2)

Du bist ein unruhiger Geist (S2/F2)

Du bist ein unruhiger Geist
„Du bist ein unruhiger Geist. Du brauchst Shavasana. Dadurch verteilt sich die Energie in deinem Körper und du bist bereit für die Aufgaben im Büro.“ – „Wenn du es sagst.“ Im Kopf gehe ich meinen Terminkalender durch, liege dabei auf dem Rücken und werde von ihr mit einer Decke zugedeckt. Ich werde müde, mir fallen die Augen zu.

„Nicht einschlafen, nur entspannen.“ Jetzt sitzt sie auf mir, beobachtet mich und bewacht meine Entspannung. Dabei rutscht sie hin und her, legt die Hände auf meine Augen. „Merkst du, wie die Energie in dich dringt und sich in dir verteilt.“ Die Zeit vergeht, ich zähle langsam bis zehn, dann mache ich mich los, schiebe sie von mir, auch die Decke fliegt zur Seite.

Endlich sprinte ich ins Arbeitszimmer, irgendwer hat meinen Computer schon eingeschaltet, ich muss mich nur noch anmelden. Die Kollegen sind schon in der Sitzung, ich lasse die Kamera aus, „tut mir leid, ich habe heute Probleme mit Teams.“ Alle nicken verständnisvoll.

Der Vormittag vergeht, zwischendurch höre ich die Wohnungstür. Keine Ahnung, ob sie da ist oder nicht. Ich gehe auf Toilette, werfe einen Blick in die Zimmer. Allein. Gut, zurück an den Computer und weiter bei der Arbeit. Ein Telefongespräch hier, eine Diskussion da. Neue Informationen und ein Foliensatz zur Schulung.

Ich habe nicht bemerkt, dass sie schon wieder eine Weile im Zimmer ist, mir über die Schulter schaut. „Das macht also ein An-wen-dungs-manager. Wie cool.“ – „Findest du?“ – „Du hast den ganzen Morgen nicht zweimal das Gleiche gemacht, dauernd was Neues. Das ist cool.“ – „Hab ich noch nie so gesehen.“

„Jetzt verstehe ich auch, warum du in Gedanken immer bei was anderem bist. Bei dem Job gibt es kein hier-und-jetzt.“ Sie legt ihre Hand auf meine Hand. „Fühl mal die Maus.“ Pause. Wirklich ein wenig Ruhe in mir. „Schließ mal die Augen. Was hast du als letztes geklickt? Konzentrier dich. Nicht schummeln.“ Es fällt mir schwer, meine Gedanken gehen durcheinander, war es die Bestätigung eines Termins oder war es ein angefangener Antwortbrief?

„Dreh dich mal zu mir um.“ Ich sperre den Bildschirm und drehe meinen Schreibtischstuhl herum. Schon sitzt sie vor mir auf dem Schoss, strahlt mich an und wuschelt mir durch das Haar. „Bist du jetzt hier? Fühlst du meine Finger?“ – „Hör mal, ich muss arbeiten.“ – „Ja, dann arbeite doch.“ – „Kann ich so nicht.“ – „Warum nicht?“ – „Weil ich mich nicht konzentrieren kann, wenn du mir durch das Haar wuschelst.“ – „Aber du kannst dich konzentrieren, wenn du gleichzeitig eine E-Mail beantwortest, in deinen Unterlagen nachließt und in einem Meeting bist?“

Ich schiebe sie von meinen Beinen, drehe mich zum Bildschirm, entsperre ihn und schreibe die E-Mail fertig, die ich angefangen habe. Hinter mir höre ich die Türe gehen.

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]
Weiter -> [Es duftet (S2/F3)]

04 April 2025

Nerds Diary: Frühstück ist fertig (S2/F1)

Frühstück ist fertig (S2/F1)

Nerds Diary Frühstück ist fertig
„Frühstück ist fertig. Wo bleibst du? Walter!“ Auf dem Küchentisch steht ein Korb mit Brötchen, Marmelade, Obst und Quark. Die Kaffeemaschine blubbert leise, nur die Pfütze auf der Arbeitsfläche lässt vermuten, dass auch die Kaffeezubereitung nicht ohne Panne verlaufen ist. Ich übersehe die zerquetschten Trauben auf dem Fußboden und setze mich an den Tisch. „Jetzt sag doch mal was! So gesund hast du doch seit deiner Kindheit nicht gefrühstückt.“ – „Danke.“ Sie tritt mich fest gegen das Bein: „Ist das alles?“ – „Danke. Sieht lecker aus.“ – „Na, das ist noch ausbaufähig. Was machst du heute?“

„Ich muss arbeiten. Eigentlich müsste ich schon am Computer sitzen.“ – „Das Wort 'eigentlich' ist ein Weichmacher. Eigentlich musst du gar nicht arbeiten. Du willst es.“ – „Nein, ich muss.“ – „Quatsch, jetzt wird erst mal gefrühstückt.“  Wir sitzen da, Brötchen um Brötchen verschwindet aus dem Brotkorb, die kurze Nacht und der Rotwein sind vergessen.

„Jetzt machen wir Morgengymnastik.“ – „Ich muss jetzt wirklich arbeiten.“ – „Erst Sport. Dein Körper braucht das.“ – „Das habe ich noch nie gemacht. Wenn überhaupt, dann abends.“ – „Falsch, völlig falsch. Du musst sportlich in den Tag starten, das ist gut für Körper und Geist.“ – „Und wenn ich keine Lust habe?“

Sie muss meine Wohnung auf den Kopf gestellt haben und hat dabei auch die Isomatten entdeckt, die jetzt neben dem Bücherberg auf dem Boden liegen. Wir machen den Berg, den Baum, Vorbeuge und den herabschauenden Hund. Es macht nichts, dass dabei meine Stehlampe umfällt und die Glühbirne mit leisem Klimpern zerbricht.

Dann sitzen wir uns im Schneidersitz gegenüber, schließen die Augen und meditieren. Der Computer ist immer noch nicht eingeschaltet. Immer wenn ich die Augen öffnen will, erwischt sie mich dabei, mahnt zur Ruhe und Entspannung. „Du bist nicht im hier und jetzt.“ – „Ich bin in Gedanken schon auf der Arbeit, ich verpasse gerade mein erstes Meeting.“

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]

01 April 2025

Autobahn-Anbindung für Baumarkt in Taunusstein-Neuhof

Autobahn-Anbindung für Baumarkt in Taunusstein-Neuhof
Aus der Pressemitteilung der Stadt Taunusstein vom 25.11.24 geht hervor, dass am Ortsrand von Taunusstein-Neuhof ein Bau- und Gartenmarkt der Firma Globus sowie weiteres Gewerbe angesiedelt werden soll. Die Planung bezieht sich auf den Bebauungsplan „Tiergarten“, also ein Gelände zwischen den Bundesstraßen B417, B275 und der Landesstraße Richtung Niedernhausen.

Bereits im Vorfeld erhitzt diese Planung die Gemüter, nicht nur in den politischen Gremien und Ausschüssen, sondern auch in teils öffentlich geführten Debatten werden zahlreiche Bedenken bezüglich der erhöhten Verkehrsbelastung aller umliegenden Ortschaften laut. Dies betrifft neben Taunusstein insbesondere Orte wie Niedernhausen mit seinen Ortsteilen Niederseelbach, Königshofen und Engenhahn.

Die Gemeinde Niedernhausen nimmt die Ängste der Bevölkerung sehr ernst und spricht von einer unabsehbaren Mehrbelastung, die die Bürgerinnen und Bürger deutlich strapazieren würde. Schon in früher Planungsphase sei es unabdingbar, hier konzeptionelle Abhilfe zu schaffen. Dies wurde sowohl dem Fernstraßen-Bundesamt (FBA) als auch Hessen Mobil vorgetragen.

Autobahn-Anbindung für Baumarkt in Taunusstein-Neuhof
Tatsächlich konnte auf massiven Druck vom Idsteiner Land hier eine Initiative gestartet werden, die das Problem erheblich entschärft und dabei auch noch einen Mehrwert für andere Mobilitätsanforderungen bietet. Vorgesehen sind zwei weitere Abfahrten von der A3 mit direktem Zubringer zum neuen Gewerbegebiet. Ähnlich einer Klammer lässt sich das neue Gebiet damit sowohl von Norden als auch von Süden auf direktem Weg erreichen.

Der besondere Vorteil der Planung besteht darin, dass hierdurch zwei lange ersehnte Ortsumgehungen realisiert werden können: Die Anschlussstelle Neuhof-Nord umfährt Idstein-Eschenhahn, während Neuhof-Süd die Situation in Niedernhausen-Engenhahn verbessert. Dabei fungiert die B275 als Ergänzung, während die L3273 (durch Engenhahn) ausgebaut und um den alten Ortskern verschwenkt wird.

Autobahn-Anbindung für Baumarkt in Taunusstein-Neuhof
„Der Ausbau ist mit vergleichsweise geringem Aufwand verbunden“, freuen sich die beteiligten Verkehrsplaner, „der bereits vorhandene Anschluss der A3 in Idstein und die Behelfsauffahrt an der Brücke zwischen Engenhahn und Niederseelbach können als Basis verwendet werden.“

Einem bereits angefertigten Gutachten zufolge ist auch der Eingriff in den Bebauungsplan Wildpark eher gering. Nur wenige Häuser an der Trompeterstraße werden der neuen Strecke weichen müssen und eine Lärmschutzwand soll den Rest des Wohngebietes gegen Geräuschentwicklung abschirmen. Erste Gespräche mit dem Wildparkverein fanden große Zustimmung. In diesem Zusammenhang wurde für eine zweite Ausbaustufe die Pilotierung einer Gated Community hinter der Lärmschutzwand  ins Spiel gebracht.

Autobahn-Anbindung für Baumarkt in Taunusstein-Neuhof
Selbst die Finanzierung scheint gesichert zu sein. „Wir haben uns auch in diesem Punkt um innovative Lösungen bemüht. Nach einem Kreativitätsworkshop in der Theißtalschule wollen wir den neuen Kreisverkehr als Round Robin bauen, für den man bei Nutzung Geld einwirft, dafür aber so lange im Kreis fahren kann, wie man möchte.“

Die langfristige Finanzierung wird zusätzlich durch die Verlagerung einer Sehenswürdigkeit sichergestellt. So soll in die Mitte des Kreisverkehrs der renovierte Dorfbrunnen Oberjosbach installiert werden, der nach Aufbereitung des Wassers durch Filter der Firma Brita für das Abfüllen hochwertigen Tafelwassers gegen Entgelt genutzt werden kann.

Die Bürgerbeteiligung endet laut Auskunft der Behörden am 01. April.

28 März 2025

Nerds Diary: Was machen Sie hier (S1/F7)

Was machen Sie hier (S1/F7)

Nerds Diary: Was machen Sie hier (S1/F7)
„Was machen Sie hier?“ – „Sei still!“ – „Können Sie nicht bitte langsam mal nach Hause gehen.“ Sie zieht an der Decke, bis es auf meiner Seite kalt wird. Ich drehe mich weg, spüre jetzt aber ihren Atem in meinem Nacken. Und ein paar kalte Füße, die sich unter meine Decke strecken. „Lassen Sie das, ich möchte jetzt wirklich meine Ruhe haben.“

Den kalten Füßen folgen jetzt noch kalte Beine, irgendwas zerrt an meinem Kopfkissen. „Gemütlich hast du es hier. Nur ein bisschen kalt.“ Pause. „Bist du wirklich so müde oder hast du was gegen mich?“ – „Müde.“ Pause. „Na gut, machen wir Pause. Weck mich um acht, ich mag Kaffee am Bett und Mohnbrötchen, frische Mohnbrötchen gehören für mich dazu.“

Ich halte die Luft an, aber es passiert nichts weiter, die Decke verschwindet immer weiter zu ihrer Seite, die Atemzüge werden gleichmäßiger. Eine leichte Rotweinfahne in der Luft, die Spannung in den kalten Füßen nimmt ab, ich kann mich ein wenig befreien.

Als ich um sieben Uhr aufwache ist sie verschwunden. Das Kissen neben mir ist verdrückt, die Bettdecke fast komplett auf der anderen Seite. Vorsichtig schaue ich mich um, ich bin allein, auch im Rest der Wohnung ist keine weitere Person. Der Bücherberg steht noch unverändert, der Rotwein auf den Bestsellern ist eingetrocknet. Das Badezimmer leer.

Ich gehe ins Bad, noch ziemlich müde nach der kurzen Nacht, ein bisschen Kopfschmerzen vom Rotwein. Zähneputzen und dann ab unter die Dusche. Das warme Wasser über meinem Körper tut gut, kaltes Wasser über den Kopf lässt meine Kopfschmerzen verschwinden. Gerade habe ich angefangen, mich abzutrocknen als die Badezimmertür aufgeht.

Sie steht in der Tür, schaut mich neugierig an. „Da ist ja mein Nerd.“ – „Wo kommen Sie denn jetzt schon wieder her?“ – „Durch die Tür. Ich habe Brötchen geholt. Auf dich ist ja kein Verlass.“ – „Ich habe nicht gesagt, dass ich Brötchen holen gehe. Würden Sie bitte im Wohnzimmer auf mich warten?“ Sie schließt die Badezimmertür hinter sich und kommt auf mich zu. „Hast du dich schon rasiert?“ – „Nein.“ – „Ich mag dich nicht küssen, wenn du nicht rasiert bist.“ – „Wer spricht denn von küssen?“

Nachdem sie mir das Handtuch heruntergezogen hat und mich vor das Waschbecken gedrängt hat bekomme ich einen heftigen Kuss in den Nacken. Ich nehme den Rasierapparat und fange an, meinen Hals und die Wangen zu rasieren. Währenddessen rubbelt sie meinen Rücken trocken, dann mit dem Handtuch auch an den Beinen herunter.

„Du erkältest dich noch, wenn du hier so herumstehst.“ Ich möchte mich nicht zu ihr umdrehen, stehe da wie Gott mich schuf und rasiere mich weiter. „Das reicht jetzt, lass noch ein paar Haare für morgen stehen.“ – „Machen Sie doch schon mal Kaffee.“ - „Sag mal, du stehst nackt vor mir und bist immer noch beim Sie. Mach dich doch mal locker.“

Ich drehe mich zu ihr um, strecke ihr die Hand hin: „Walter.“ Sie fängt an zu lachen. „Du bist so trocken und so lustig, weißt du das?“ – „Nein.“ – „Wie geht es denn dem kleinen Nerd?“ Ich schaue an mir herunter. „Kannst du jetzt bitte Kaffee machen gehen. Ich komme gleich nach.“ Mit ausschweifender Handbewegung wirft sie das Handtuch auf den Rand der Badewanne, fegt dabei drei Parfumspender in die Wanne.

Dann ist sie verschwunden. Eilig schnappe ich mir eine Unterhose, aber sie kommt tatsächlich nicht mehr herein.

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]

21 März 2025

Nerds Diary: Ich atme tief durch (S1/F6)

 Ich atme tief durch (S1/F6)

Ich atme tief durch
Ich atme tief durch. Vor dem Schlafengehen muss ich noch Eiermatsch und Rotweinfleck wegmachen, das Backblech saubermachen und das Geschirr spülen. Ich laufe ins Bad, mein Deo steht auf dem Waschbecken und der Badezimmerschrank ist geöffnet.

Noch in Gedanken ziehe ich mich aus, putze die Zähne, noch ein Blick in die Küche, alles wieder einigermaßen sortiert. Nur der Pizzakarton liegt noch als Zeuge der komischen Begegnung auf dem Küchentisch. Mein Kopf ist gerade auf dem Kissen angekommen, als es klingelt.

Ich ignoriere das Gebimmel. Es klingelt wieder, zu hören, obwohl ich meinen Kopf tiefunter das Kissen eingrabe. Das Klingeln hört auf. Kurze Stille, dann höre ich einen Schlüssel im Schloss und im nächsten Moment das Geräusch einer sich öffnenden Wohnungstür. Ich stehe auf, aus dem Schlafzimmer und zur Tür.

Sie steht im Türrahmen. „Ich hatte was vergessen.“ – „Was?“ – „Den Schlüssel.“ – „Welchen Schlüssel?“ – „Meinen. Ich hab den Schlüsselbund vertauscht.“ – „Komm erst mal rein.“ Das hätte ich nicht sagen sollen, schon steht sie im Flur, macht hinter sich die Tür zu, wirft meinen Schlüssel auf die Garderobe. „Bist du schon im Bett?“ – „Wonach sieht es denn aus?“

„Ich habe eine Flasche Rotwein mitgebracht. Die Nacht ist noch jung.“ – „Ich will keinen Rotwein und ich muss schlafen.“ Sie läuft in die Küche, ich höre das Wühlen in den Schubladen auf der Suche nach einem Korkenzieher. Dann das leise Klimpern von Gläsern. „Wo bleibst du?“

Wir sitzen wieder im Wohnzimmer, jeder ein Glas Rotwein in der Hand. „Prost. Hast du Spiele im Schrank?“ – „Nein.“ – „Schade, dann denken wir uns was aus.“ – „Ich habe jetzt keine Lust zu spielen.“ - „Wo sind die Zahnstocher?“ Auf dem Weg in die Küche macht sie wieder Musik an, diesmal lauter „zum Aufwachen“.

Während ich im Schlafanzug dabeisitze, schüttet sie den gesamten Inhalt des Zahnstocher-Behälters auf den Couchtisch. „Das ist jetzt Mikado. Du bist dran.“ Abwechselnd versuchen wir, aus dem Berg an Holzstäbchen etwas herauszuziehen, ohne dass der Rest sich in Bewegung setzt. „Immer, wenn sich was bewegt, darf man den anderen kneifen.“ – „Ich glaube nicht, dass ich das möchte.“

Mein Bein ist schon ziemlich rot vom Gekniffen-werden. Sie hat mehr Glück beim Mikado und ich muss sie nur selten in den Arm kneifen. Etwas enttäuscht sammelt sie die Holzspieße wieder ein. „Prost. Wir spielen was anderes. Wir bauen aus Vorratsdosen einen Jenga-Turm.“ – „So viele Dosen habe ich nicht.“

Es dauert eine ganze Weile und die Rotweinflasche leert sich langsam. Aber dann ist ein beeindruckender Turm aus allen Büchern meines Bücherschranks entstanden. „Der größte Jenga-Turm aller Zeiten. Los fang an.“ Ich schaue das wacklige Gebilde an und ziehe an einem Roman von John Grisham. „Sehr gut, jetzt ich.“ Sie torkelt auf den Bücherberg zu, zieht an einem Stephen King.

Wieder Glück gehabt, nichts stürzt ein. Noch ein paar Bücher lassen sich ohne Probleme herausziehen und in den Bücherschrank zurückstellen. „Langweilig. Wir machen jetzt Yoga.“ Schon ist sie in einen Schneidersitz gegangen, hat dabei aber nicht an ihr Glas gedacht, das jetzt seinen Inhalt über den Bücherstapel verteilt. „Macht nichts, das macht die Bücher viel individueller.“

„Ehrlich gesagt habe ich keine Lust auf Yoga. Ich gehe jetzt ins Bett.“ Ich bin einfach zu müde, um noch irgendwas zu machen. Im Flur das Licht aus und ich krabble in mein Bett, drücke meinen Kopf fest ins Kissen und warte auf das Geräusch der Wohnungstür. Nichts zu hören. Statt dessen ein leises Rascheln und ein Zupfen an der Decke.

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]

14 März 2025

Nerds Diary: Wie lange noch? (S1/F5)

Wie lange noch? (S1/F5)

Nerds Diary: Wie lange noch? (S1/F5)
„Wie lange noch? Ich meine, die Backzeit.“ – „Keine Ahnung, ich habe nicht auf die Uhr geschaut.“ Wir schalten den Backofen aus, holen den Kuchen heraus und stechen mit einem Zahnstocher vorsichtig hinein. „Großartig, großartig, großartig. Aber wir müssen schauen, ob er wirklich durch und durch gebacken ist.“ Sie nimmt eine Handvoll weiterer Zahnstocher, sticht sie von allen Seiten hinein bis der Kuchen aussieht wie ein Igel.

„Viel besser, jetzt.“ Und mit Schwung lässt sie das Backblech auf die Arbeitsplatte rutschen. „Mach mal die Zahnstocher raus.“ Während ich vorsichtig um den Eierfleck von der Jonglierpanne herumlaufe und nacheinander die Zahnstocher aus dem Blechkuchen hole, hat sie ihren Pullover abgestreift und die Ärmel hochgekrempelt. „Die Pizza“ – „Was ist damit?“ – „Sie muss in den Ofen.“ – „Mach ich nachher.“

Wir sitzen wieder vor dem Backofen und schauen durch das Glas der bräunenden Pizza zu. Sie erzählt irgendwelche Geschichten von Hunden, von Fernsehen. Die Frauenverachtung im Bachelor, der Qualität von Sendung mit der Maus und warum die Wahlsendungen sie langweilen.

„Wir brauchen Sahne.“ – „Hab ich nicht.“ – „Dann hol welche.“ Die Geschäfte sind zu und ich habe keine Lust, zur Tankstelle zu gehen. „Brauchen wir nicht.“ - „Mandarinenkuchen ohne Sahne geht nicht.“ Sie läuft zur Garderobe, schnappt meine Jacke und drückt mich hinein. Mit ihren Schlüsseln bewaffnet mache ich mich auf den Weg.

Treppe runter, durch den Park, zu ihrer Wohnung. Ich schließe auf, die Tür klemmt. Ich drücke fester, aber sie will nicht aufgehen. Dann sehe ich das zweite Schloss, nehme den anderen Schlüssel am Bund und nun geht sie auch auf. Ich mache das Licht an, schaue mich um. Zur Küche, die kenne ich ja schon, aber ich muss alles durchsuchen, bis ich die H-Sahne finde.

Ich durchforste die Küche, werfe dann entgegen meinem Willen ein Blick in das Schlafzimmer. Auch zwei Kissen. Sahne in der Hand, Licht aus, Tür auf und einen gemurmelten Gruß zum Nachbarn, der gerade herauskommt. „Ach, sind Sie der Neue?“ – „Wie bitte?“ – „Ob Sie der Neue sind?“ – „Nein.“ – „Sieht aber so aus. Naja, die Dame ist ja nicht wählerisch.“

Zurück an meiner Wohnung merke ich, dass ich meinen eigenen Schlüssel gar nicht eingepackt habe. Ich drücke den Klingelknopf. Von drinnen tönt laute Musik, irgendwas zwischen ACDC und Nickelback. Sie hat ihre Musik mitgebracht. Ich klingele wieder, keine Reaktion. Auch nicht, als ich auf die Tür trommele.

In der nächsten Musikpause trommel-klingele ich wieder. „Die Pizza ist längst fertig. Wo bleibst du?“ – „Diskussion mit deinem Nachbarn.“ – „Hat gefragt, ob du der Neue bist?“ – „Ja.“ – „Macht er immer, ist eine Überwachungskamera mit zwei Beinen.“ Sie hat ein Glas in der Hand, Rotwein.

„Ich habe schon mal angefangen, Pizza muss man frisch essen.“ Nur noch ein kümmerlicher Rest ist übrig. Ich hole einen Teller aus dem Schrank, teile was noch da ist gleichmäßig auf und setze mich an den Küchentisch. „Nachher können wir den Mandarinenkuchen essen. Oder du holst noch was, wenn du noch Hunger hast.“

Ein knappes Viertel Pizza muss reichen, ich will nicht noch mal aus dem Haus. „Es wäre mir sehr Recht, wenn Sie langsam gehen würden. Ich bin müde.“ Sie nimmt das Rotweinglas, hält es gegen das Licht, schwenkt es ziemlich dynamisch, so dass Rotwein aus dem Glas auf dem Boden landet. „Macht nichts, das kannst du nachher einfach wegwischen.“

Die Flasche ist inzwischen leer, sie sucht im Vorrat nach Nachschub. „Hast du irgendwo noch mehr?“ – „Nein.“ – „Morgen ist auch noch ein Tag, da kannst du ja wieder einkaufen.“ – „Ich trinke so gut wie nie.“ – „Natürlich nicht. Aber zu Pizza kann man ja nicht immer nur Cola trinken. Und ein Glas Wein am Tag hält gesund.“ – „Hab ich schon anders gehört.“ 

„Gut, dann eben für heute Selters statt Sekt.“ Sie forscht noch mal in allen Schränken, ob ich nicht doch noch irgendwo Alkohol habe. Dann schlägt sie mir auf die Schulter, verfrachtet den Mandarinenkuchen im Kühlschrank und tritt mit einem schmatzenden Geräusch in die antrocknende Eierpampe auf dem Fußboden.

„Ich geh dann mal.“ Sie stimmt ein Lied an Arrivederci ciao Amor und sucht umständlich nach ihrer Jacke.  Endlich steht sie an der Tür, auf, zu. Es wird still.

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]

07 März 2025

Nerds Diary: Es klingelt (S1/F4)

Es klingelt (S1/F4)

Nerds Diary: Es klingelt
Es klingelt. Der Umluftherd ist gestartet, gerade will ich mir ein Glas für die Cola aus dem Sideboard holen. Es klingelt wieder, diesmal länger. Unterstützt von einem zaghaften Klopfen. Ich nehme das Glas, schenke ein, nehme einen großen Schluck und mache die Verpackung um die Tiefkühlpizza weg.

Heftiges Klopfen, klingeln, klopfen. Ich schlürfe langsam zur Tür, schaue durch den Türspion. Sie steht vor meiner Tür. Ich öffne. „Ja?“ – „Du hast was vergessen.“ – „Ich wüsste nicht, was.“ – „Das Rezept.“ – „Was für ein Rezept?“ – „Das Rezept für den Mandarinenkuchen.“ – „Welcher Mandarinenkuchen?“ – „Zufälligerweise habe ich ein paar Zutaten dabei.“

Sie räumt die Pizza zur Seite, beginnt in meiner Küche nach notwendigen Zutaten und Backwerkzeug zu suchen. Jede Schublade und jeder Schrank wird inspiziert, nach und nach versammeln sich Backblech, Rührgerät und Messer auf dem Küchentisch. Daneben Butter, Mehl, Quark und was sie sonst noch mitgebracht hat.

„Hast du Eier zum Backen?“ – „Nein. Ich backe nie.“ Sie entdeckt meine Frühstückseier im Kühlschrank, wirft mir einen triumphierenden Blick zu und beginnt, mit drei Eiern zu jonglieren. Ein Ei macht sich selbständig und landet auf dem Boden. „Macht nichts, es sind noch genug da.“ Fröhlich läuft sie um das zerplatzte Ei herum.

Etwa später habe ich unter ihrer Anleitung den Teig zusammengerührt und auf dem Blech verteilt. „Ist das nicht großartig, jetzt haben wir einen Kuchen.“ – „Ich wollte gar keinen Kuchen.“ Wir sitzen nebeneinander auf zwei Küchenstühlen und schauen dem Kuchen durch das Fenster im Backofen beim Aufgehen zu.

„Großartig, das wird großartig. Ich muss mal, wo ist die Toilette?“ Sie verschwindet, ich bin jetzt alleine bei der Beobachtung des Kuchens. Hinter mir höre ich sie durch die Wohnung laufen, die Badezimmertür geht auf und zu, aber das Laufen geht weiter. Ich stehe auf und komme dazu, wie sie mein Arbeitszimmer begutachtet.

„So sieht es also bei einem An-wen-dungs-manager aus? So ein großer Bildschirm auf so einem kleinen Schreibtisch. Gerade genug Platz für die Pizza.“ Sie hebt die Tastatur hoch, dreht sie um. „Kein Passwort. Alle Nerds haben das Passwort unter der Tastatur.“ – „Ich nicht.“ – „Brauchst du sonst nichts? Keine Bücher?“ – „Nein. Geht alles mit dem Computer.“ Pause. „Wollten Sie nicht meine Toilette besuchen?“

„Ach ja, richtig, und du musst den Kuchen im Auge behalten.“ Wir trennen uns, ich trabe zur Küche, die Badezimmertür geht auf und zu, aber ich höre immer noch Schritte. Diesmal treffen wir uns im Schlafzimmer wieder. „Das ist ja ein richtiges Single-Schlafzimmer.“ – „Ja.“ – „Wozu brauchst du zwei Kissen, wenn du alleine hier schläfst? Oder bist du nicht allein?“ – „Doch, nein. Das geht Sie nun wirklich nichts an.“ – „Fehlt dir das nicht?“

Ich seufze, drehe mich um und gehe wieder in die Küche, um dem Kuchen beim Backen zuzuschauen.

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]

03 März 2025

Rusemondach

Leev Lück, upjepass, ich sach et klor:
Hück fiere mer Fastelovend wie et wor!
Drusse lach de Sunn, et Wedder es jot,
Drum dummer danze, met Freud im Blood!

Et Kölsche Hätz dat schläch huh und laut,
Op Stroß un Plätz – hück is alles us Freud jebaut.
Ob Clown, ob Piraat, ob Prinz oder Fee,
Hück sin alle jood drop – Alaaf un olé!

Un wenn och in Berlin wor ne komische Wahl,
Mer fiere jetz trotzdem, et is uns ejal!
Denn, et es, wie et es – dat es doch klor,
Mer fiere su lang et noch jeht jedes Johr!

"Et hätt noch immer jot jejange!"
Loss mer nit lang drüvver bange,
Met Musik, met Kölsch un nem bunten Kostüm,
Fühle mer uns wie en Paradiesjeblüm!

"Wat fott es, es fott", dat jilt och hück,
Sorje uch fott, wat kümmerts, ihr Lück!
Et Levve es bunt, et Levve es schrill,
Un fiere dat künne mer und drinke uch vill!

Mir rufe Alaaf, et weet jebützt und jedanzt
Mir fiere et Levve, met Freud un met Jlanz!
Leev Fründe, lommer höppe un springe
Un luure, dat mir unser Jlöck darin finge

E dreimol Kölle alaaf in die Rund
Et jrüst euch der Narr zum iwije Bund
Un bin ich uch wick fott vum hillije Kölle
Mir treffe uns widder, zur Nuut in der Hölle.

28 Februar 2025

Nerds Diary: Was machst du? (S1/F3)

Was machst du? (S1/F3)

Nerds Diary: Was machst du
„Was machst du?“ will sie als nächstes von mir wissen. Es dämmert langsam, draußen geht die Straßenbeleuchtung an. Ich schaue aus dem Fenster, schaue auf den Wohnzimmertisch, schaue sie an. „Geheimauftrag?“

„Nein, Anwendungsmanager.“ – „Oh, wie cool. Und was macht man so als An-wen-dungs-manager?“ – „Langweiligen Kram.“ – „Du bist ein Nerd, wusste ich es doch.“ – „Also, Nerd ist vielleicht nicht so ganz richtig.“ – „Was ist denn richtig?“ – „Anwendungsmanager. Hab ich Ihnen doch gesagt.“ Das könnte jetzt so weitergehen, ich greife zu meiner Fenchelteetasse.

„Und Sie?“ – „Was?“ - „Was Sie machen“ – „Ach so, ja, ich bin singende und tanzende Hausfrau.“ Pause. „Und männervernaschender Vamp.“ Pause. „Und bei Vollmond bin ich Werwolf.“ Sie springt auf, wirft die Arme in die Luft, legt den Kopf in den Nacken und fängt an, wie ein Wolf zu heulen.

„Bitte!“ sage ich. Sie heult weiter, in etwas höheren Tönen, jetzt noch höher. Ich warte, dass die Gläser im Schrank anfangen zu klirren, aber es passiert nichts. Sie holt Luft, beugt sich vor und unterstützt das nächste Heulen noch durch ein Zucken ihres Körpers.

„Mach mit, das entspannt.“ – „Bloß nicht.“ Sie zerrt mich vom Sofa, der Fencheltee spritzt durch die Gegend. „Dein Kraftzentrum, denk an dein Kraftzentrum.“ – „Hab ich nicht.“ Ihre Arme sind um mich verschlungen, alles rüttelt und schüttelt, dazu wieder dieses Heulen.

Unvermittelt lässt sie mich wieder los, ich lande auf dem Couchtisch während sie weiterzappelt. „Zeit für Musik, was willst du hören?“ Ein wenig atemlos lässt sie sich neben mir auf den Couchtisch fallen, das Holz knirscht, aber er hält uns beide aus. „Was machst du noch mal?“ – „Anwendungsmanager.“

„Ach ja, stimmt. An-wen-dungs-manager. Ein Nerd im Geheimdienst ihrer Majestät.“ Sie schiebt sich wieder vom Tisch auf den Boden, läuft auf allen Vieren zum Sideboard und drückt dort auf einer Musikanlage herum. „Mozart für Babys.“ Es ertönt irgendeine Mucke zwischen ACDC und Nickelback. 

„Ich studiere Design.“ – „Ah, interessant. Übrigens wollte ich gerade gehen. Vielen Dank für alles.“ Schon sitzt sie wieder neben mir auf dem Tisch, drückt meine Hand auf die Tischplatte und dirigiert mit der anderen Hand die unsichtbare Rockband. „Gut, nicht?“ – „Nicht so ganz mein Geschmack.“

Tatsächlich gelingt es mir, meine Hand unter ihrer zu befreien, mit ungewohntem Tempo schaffe ich es bis zur Wohnungstür. „Dein Rucksack!“ – „Oh, Danke, ja, den hätte ich fast vergessen. Auf Wiedersehen dann.“ – „Servus, und komm gut heim.“

Fast im Laufschritt mache ich mich auf den Heimweg. Treppe runter, ein paar Schritte durch einen kleinen Park, Treppe hoch, Wohnungstür. Uff. Ich atme tief aus, was war das für ein Nachmittag, entleere meinen Rucksack und schalte den Backofen für meine Pizza an.

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]