14 März 2025

Nerds Diary: Wie lange noch? (S1/F5)

Wie lange noch? (S1/F5)

Nerds Diary: Wie lange noch? (S1/F5)
„Wie lange noch? Ich meine, die Backzeit.“ – „Keine Ahnung, ich habe nicht auf die Uhr geschaut.“ Wir schalten den Backofen aus, holen den Kuchen heraus und stechen mit einem Zahnstocher vorsichtig hinein. „Großartig, großartig, großartig. Aber wir müssen schauen, ob er wirklich durch und durch gebacken ist.“ Sie nimmt eine Handvoll weiterer Zahnstocher, sticht sie von allen Seiten hinein bis der Kuchen aussieht wie ein Igel.

„Viel besser, jetzt.“ Und mit Schwung lässt sie das Backblech auf die Arbeitsplatte rutschen. „Mach mal die Zahnstocher raus.“ Während ich vorsichtig um den Eierfleck von der Jonglierpanne herumlaufe und nacheinander die Zahnstocher aus dem Blechkuchen hole, hat sie ihren Pullover abgestreift und die Ärmel hochgekrempelt. „Die Pizza“ – „Was ist damit?“ – „Sie muss in den Ofen.“ – „Mach ich nachher.“

Wir sitzen wieder vor dem Backofen und schauen durch das Glas der bräunenden Pizza zu. Sie erzählt irgendwelche Geschichten von Hunden, von Fernsehen. Die Frauenverachtung im Bachelor, der Qualität von Sendung mit der Maus und warum die Wahlsendungen sie langweilen.

„Wir brauchen Sahne.“ – „Hab ich nicht.“ – „Dann hol welche.“ Die Geschäfte sind zu und ich habe keine Lust, zur Tankstelle zu gehen. „Brauchen wir nicht.“ - „Mandarinenkuchen ohne Sahne geht nicht.“ Sie läuft zur Garderobe, schnappt meine Jacke und drückt mich hinein. Mit ihren Schlüsseln bewaffnet mache ich mich auf den Weg.

Treppe runter, durch den Park, zu ihrer Wohnung. Ich schließe auf, die Tür klemmt. Ich drücke fester, aber sie will nicht aufgehen. Dann sehe ich das zweite Schloss, nehme den anderen Schlüssel am Bund und nun geht sie auch auf. Ich mache das Licht an, schaue mich um. Zur Küche, die kenne ich ja schon, aber ich muss alles durchsuchen, bis ich die H-Sahne finde.

Ich durchforste die Küche, werfe dann entgegen meinem Willen ein Blick in das Schlafzimmer. Auch zwei Kissen. Sahne in der Hand, Licht aus, Tür auf und einen gemurmelten Gruß zum Nachbarn, der gerade herauskommt. „Ach, sind Sie der Neue?“ – „Wie bitte?“ – „Ob Sie der Neue sind?“ – „Nein.“ – „Sieht aber so aus. Naja, die Dame ist ja nicht wählerisch.“

Zurück an meiner Wohnung merke ich, dass ich meinen eigenen Schlüssel gar nicht eingepackt habe. Ich drücke den Klingelknopf. Von drinnen tönt laute Musik, irgendwas zwischen ACDC und Nickelback. Sie hat ihre Musik mitgebracht. Ich klingele wieder, keine Reaktion. Auch nicht, als ich auf die Tür trommele.

In der nächsten Musikpause trommel-klingele ich wieder. „Die Pizza ist längst fertig. Wo bleibst du?“ – „Diskussion mit deinem Nachbarn.“ – „Hat gefragt, ob du der Neue bist?“ – „Ja.“ – „Macht er immer, ist eine Überwachungskamera mit zwei Beinen.“ Sie hat ein Glas in der Hand, Rotwein.

„Ich habe schon mal angefangen, Pizza muss man frisch essen.“ Nur noch ein kümmerlicher Rest ist übrig. Ich hole einen Teller aus dem Schrank, teile was noch da ist gleichmäßig auf und setze mich an den Küchentisch. „Nachher können wir den Mandarinenkuchen essen. Oder du holst noch was, wenn du noch Hunger hast.“

Ein knappes Viertel Pizza muss reichen, ich will nicht noch mal aus dem Haus. „Es wäre mir sehr Recht, wenn Sie langsam gehen würden. Ich bin müde.“ Sie nimmt das Rotweinglas, hält es gegen das Licht, schwenkt es ziemlich dynamisch, so dass Rotwein aus dem Glas auf dem Boden landet. „Macht nichts, das kannst du nachher einfach wegwischen.“

Die Flasche ist inzwischen leer, sie sucht im Vorrat nach Nachschub. „Hast du irgendwo noch mehr?“ – „Nein.“ – „Morgen ist auch noch ein Tag, da kannst du ja wieder einkaufen.“ – „Ich trinke so gut wie nie.“ – „Natürlich nicht. Aber zu Pizza kann man ja nicht immer nur Cola trinken. Und ein Glas Wein am Tag hält gesund.“ – „Hab ich schon anders gehört.“ 

„Gut, dann eben für heute Selters statt Sekt.“ Sie forscht noch mal in allen Schränken, ob ich nicht doch noch irgendwo Alkohol habe. Dann schlägt sie mir auf die Schulter, verfrachtet den Mandarinenkuchen im Kühlschrank und tritt mit einem schmatzenden Geräusch in die antrocknende Eierpampe auf dem Fußboden.

„Ich geh dann mal.“ Sie stimmt ein Lied an Arrivederci ciao Amor und sucht umständlich nach ihrer Jacke.  Endlich steht sie an der Tür, auf, zu. Es wird still.

[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]

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