Mir ist noch was eingefallen (S2/F6)
„Mir ist noch was eingefallen.“ Es ist früher Morgen, sie hat an meiner Tür geklingelt, immer wieder, bis ich mich endlich aus dem Bett gewälzt habe. „Aber jetzt ist erst mal Zeit für die Morgengymnastik.“
Mir ist nicht nach Morgengymnastik, und wenn überhaupt dann erst nach dem Zähneputzen. Sie willigt ein, aber „schau mal in den Spiegel, du hast doch wirklich einen Oma-Schlafanzug an.“ Ich überhöre diesen Kommentar, schlurfe rüber ins Bad und höre sie in die Küche verschwinden, wo hoffentlich gleich die Kaffeemaschine startet.
„Was ist dir noch eingefallen?“ – „Der Einkauf gestern.“ – „Ja?“ – „Wir wollten doch was für dich kaufen.“ – „Haben wir doch“ – „Ja, nein, ich meine für die Freizeit.“ Diskussion, was ich in meiner Freizeit mache. Es muss doch Hobbys geben.
„Nein, ich bin Anwendungsmanager bei einer großen Bank.“ Während der unausweichlichen Figuren rund um Berg, Kobra, Herabschauender Hund, Vorbeuge ist Gelegenheit, die Frage nach meiner Freizeitgestaltung zu beantworten.
„An-wen-dungs-manager. Aber doch nicht den ganzen Tag. Das ist doch keine Herausforderung. Es gibt doch noch mehr in deinem Leben.“ – „Eigentlich nicht.“ – „Wie wäre es mit Kochen?“ – „Kann ich schon.“ – „Meinst du Pizza in der Mikrowelle warmmachen?“
Nachdem wir einen Single-Kochkurs herausgesucht haben, bei dem wir uns getrennt anmelden können, darf ich an den Computer. Es sieht alles ganz gut aus, keine Fehlermeldungen über Nacht, auch der Morgenjob ist problemlos durchgelaufen. Noch eine kurze Vorbereitung für ein Statusmeeting.
„Was machen wir heute Mittag?“ – „Der Kochkurs beginnt doch erst in zwei Wochen.“ – „Willst du bis dahin nichts essen?“ Der Kopf an der Tür verschwindet wieder, ich setze den Kopfhörer auf, begrüße meine Kollegen. Die Haustür schlägt zu.
Etwa eine Stunde später höre ich wieder Geräusche, sie scheinen aus dem Bad zu kommen. „Der Badezimmerschrank ist total altmodisch, halt mal fest, damit ich ihn abmontieren kann.“ – „Ich bin noch mitten in einer Sitzung.“
Wir montieren den Bausatz des neuen Schrankes, ich muss den Kollegen erzählen, dass ich mir den Magen verdorben habe und deshalb etwas länglich auf Toilette verschwinden musste. Ins Badezimmer kommt man aktuell gar nicht rein, weil da der alte Schrank, sein Inhalt, der neue Schrank, seine Verpackung und allerlei Werkzeug verteilt sind.
„Das wird so schön, nach dem Mittagessen gehe ich eine Runde joggen, vielleicht kannst du den Schrank aufhängen und einräumen.“ – „Keine Zeit. Wir müssen noch ein Deployment durchführen, die Kollegen brauchen meine Hilfe.“ – „Ach, die kriegen das schon alleine hin, wenn du in Urlaub wärst könnten sie es auch.“ – „Ich bin aber nicht in Urlaub."
Gegen Abend habe ich im Badezimmer wieder Ordnung geschafft, pünktlich zum Abendessen taucht sie wieder auf. „Macht es dir was aus, wenn ich noch schnell dusche?“ – „Konntest du das nicht bei dir machen?“ – „Ich wollte den neuen Badezimmerschrank einweihen. Und in der Zwischenzeit kannst du was Gesundes kochen. Ich habe verschiedene Gemüse eingekauft, such mal ein Rezept raus.“
[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]
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