06 Juni 2025

Kabelanschluss in 20 Phasen

An dem einen oder anderen Beispiel im täglichen Leben kann man die unterschiedlichen Typen von Menschen in ihren jeweils spezifischen Rollen erleben. Ich erläutere das mal am Beispiel vom Kabelanschluss für das Haus in einem Wohngebiet mit vorwiegend freistehenden Häusern.

Kabelanschluss in 20 Phasen
Phase 1: Im Tagesrhythmus rufen mich MitarbeiterInnen einer Hotline an. Sie sind freundlich, sprechen halbwegs verständliches Deutsch und versuchen mit allerlei Argumenten, mich für einen Kabelanschluss zu begeistern.

Phase 2: Ein lebhafter Vertriebsmitarbeiter ruft mich an, gratuliert mir zu dem großartigen Entschluss, mein Haus mit Kabelanschluss zu versorgen und lädt mich zu der Informationsveranstaltung mit allen Nachbarn ein, die sich genauso großartig entschlossen haben.

Phase 3: Ein Team von Mitarbeitern der Kabelfirma hat das komplette Bürgerhaus in einen Markplatz verwandelt. Flyer, Infobroschüren, Videos und Beratungstische vermitteln den Eindruck eines kompetenten und leistungsfähigen Anbieters. Im Hauptraum gibt es eine Präsentation mit vielen bunten Folien, vorgetragen von einem hippen Techniker und einem seriös wirkenden Berater.

Phase 4: Ein hektischer Mann mit zu kleiner Regenjacke steht einen Tag nach dem verabredeten Besprechungstermin vor meinem Haus. Da er gestern niemand angetroffen hat, kann er heute nur einen neuen Termin in zwei Wochen anbieten. Auf meinen Einwand, ich sei den ganzen Tag da gewesen, geht er nicht ein.

Phase 5: Der Bauleiter mit Helm steht vor dem Haus, erklärt mir, warum der mit dem Hektiker ausgemachte Plan nicht umsetzbar ist und dass sie quer durch den Vorgarten schießen müssen. Ein Datum kann er nicht nennen, nur eine Kalenderwoche, natürlich unverbindlich abhängig von der Witterung.

Phase 6: Nachdem ich bei strahlendem Sonnenschein und einigen Anrufen bei der Hotline mehrere Wochen auf den Bautrupp gewartet habe, wird bei leichtem Nieselregen ein Bagger vor meinem Haus abgestellt. Der Baggerfahrer spricht kein Deutsch, drückt mir sein Handy in die Hand, ich soll mit seinem Chef sprechen.

Phase 7: Zwar muss die Leitung durch den Vorgarten gelegt werden, aber wegen der dort verlegten Rohre kann das nur im offenen Verfahren, also mit Aufbaggern realisiert werden. Der Baggerfahrer beginnt, eine schmale Furche durch Blumenbeete, Rasen und quer durch den plattierten Weg zu graben.

Phase 8: Wegen einsetzendem Regen muss die Baggerarbeit unterbrochen werden, was allerdings nichts macht, weil erst die Telefonleitung repariert werden muss, die bei den Erdarbeiten beschädigt wurde. Ein Vertriebsmitarbeiter besucht mich nach ein paar Tagen, verspricht den Schaden unbürokratisch zu regulieren und weist mich auf die großartigen Vorteile des Kabelanschluss hin.

Phase 9: Die Erdarbeiten und Reparaturen sind fertiggestellt. Inzwischen habe ich einen polnischen Verputzer kennengelernt, der das Bohrloch von dem ersten erfolglosen Versuch ins Haus zu kommen wieder fachkundig verschlossen hat. Er kümmert sich auch um die Leitung, die der multifunktionale Baggerfahrer trotz meiner Einwände mit Stahlnägeln auf der tapezierten Kellerwand befestigt hat.

Phase 10: Ein Techniker mit mehreren Koffern voller teurem Equipment kommt vorbei, um den Anschluss in Betrieb zu nehmen. Auch nach diversen Telefongesprächen mit Kollegen in der Zentrale lässt sich kein Signal auf der Leitung messen.

Phase 11: Inzwischen scheine ich die gesamte Vertriebsmannschaft kennengelernt zu haben. Heute kommt eine junge Frau, versucht meine angeschlagene Laune durch Flirtversuche zu beschwichtigen und verspricht mir, dass der Kabelanschluss großartig wird. Ein wenig Geduld, die Techniker sind dran.

Phase 12: Die Quelle der Vertriebler scheint versiegt. Seit Wochen kommt niemand mehr, bei der Hotline hänge ich in der Warteschleife, wenn doch jemand in gebrochenem Deutsch ans Telefon geht, nimmt er mein Problem entgegen, wird es weiterzugeben und ja: Normalerweise ist so ein Kabelanschluss großartig.

Phase 13: Eine ziemlich hohe Rechnung wegen der ungeplant umfangreichen Erdarbeiten kommt ins Haus. Sie hat einen freundlichen Ton, ein Flyer mit einer strahlenden Familie vor einem riesigen Flatscreen liegt bei. Und der Hinweis, dass bei Versäumnis der Zahlung ohne weitere Mahnung ein Inkassobüro eingeschaltet wird.

Phase 14: Mein Anwalt setzt ein Schreiben mit Fristsetzung für die Inbetriebnahme meines Kabelanschluss auf. Er ist routiniert und lässt mich wissen, dass dies ein Standardvorgehen wäre, das er praktisch jede Woche mehrfach einleiten müsse.

Phase 15: Ein Anzugträger mit Turnschuhen, mein Techniker, der Pole und der Hektiker stehen unangekündigt vor meinem Haus. Sie würden jetzt und hier die Funktionalität herstellen, wenn das für mich nicht passe würde damit die Frist meines Schreibens ausgehebelt. Alternativtermin voraussichtlich erst im nächsten Quartal.

Phase 16: Nachdem der Vorgarten von einem anderen Bagger wieder aufgegraben wurde, steht jetzt fest, dass die Kabelunterbrechung doch nicht dort liegt. Bei der zügig eingeleiteten Buddelei ist meine Wasserleitung kaputt gegangen, die Gemeinde sieht sich nicht in der Pflicht zur Reparatur, weil die Bruchstelle auf meinem Grundstück liegt. 

Phase 17: Der kurzschließende Nagel durch das Kabel in meinem Keller ist gefunden. Die Rechtsabteilung der Kabelfirma lässt mich wissen, dass ich durch diesen selbstverursachten Ausfall die Reparaturkosten, die zweite Vorgartenarbeit und natürlich Verfahrens- und Mahnkosten zu tragen habe.

Phase 18: Der ursprüngliche Baggerfahrer mit seiner Nagelbefestigung ist nicht mehr bei der Firma. Es ist aussichtslos, ihn als Auslöser der Probleme zur Rechenschaft zu ziehen. Auch der Pole mit den Reparaturarbeiten kommt als Zeuge nicht in Frage.

Phase 19: Der Anschluss läuft, nach einigen Anrufen bei der Hotline sogar mit deutlich über der Hälfte der angekündigten Datengeschwindigkeit. Die Beschwerdestelle des Anbieters stuft meine Reklamation als Einzelfall ein und sieht eine Verbindung zwischen Downloadgeschwindigkeit und dem Nagelthema.

Phase 20: Ich erhalte einen Anruf von einem Chatbot, der mich durch eine Zufriedenheitsumfrage führt. Bei einer kritischen Antwort gibt er vor, mich nicht verstanden zu haben und wiederholt die Frage so lange, bis ich auflege.

Es wäre ein großartiges Erlebnis gewesen, ist nur so nie passiert. Aber wer weiß: Vielleicht lerne ich ja doch noch die Vorzüge des Kabelanschluss kennen.

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