Du bist ein unruhiger Geist (S2/F2)
„Du bist ein unruhiger Geist. Du brauchst Shavasana. Dadurch verteilt sich die Energie in deinem Körper und du bist bereit für die Aufgaben im Büro.“ – „Wenn du es sagst.“ Im Kopf gehe ich meinen Terminkalender durch, liege dabei auf dem Rücken und werde von ihr mit einer Decke zugedeckt. Ich werde müde, mir fallen die Augen zu.
„Nicht einschlafen, nur entspannen.“ Jetzt sitzt sie auf mir, beobachtet mich und bewacht meine Entspannung. Dabei rutscht sie hin und her, legt die Hände auf meine Augen. „Merkst du, wie die Energie in dich dringt und sich in dir verteilt.“ Die Zeit vergeht, ich zähle langsam bis zehn, dann mache ich mich los, schiebe sie von mir, auch die Decke fliegt zur Seite.
Endlich sprinte ich ins Arbeitszimmer, irgendwer hat meinen Computer schon eingeschaltet, ich muss mich nur noch anmelden. Die Kollegen sind schon in der Sitzung, ich lasse die Kamera aus, „tut mir leid, ich habe heute Probleme mit Teams.“ Alle nicken verständnisvoll.
Der Vormittag vergeht, zwischendurch höre ich die Wohnungstür. Keine Ahnung, ob sie da ist oder nicht. Ich gehe auf Toilette, werfe einen Blick in die Zimmer. Allein. Gut, zurück an den Computer und weiter bei der Arbeit. Ein Telefongespräch hier, eine Diskussion da. Neue Informationen und ein Foliensatz zur Schulung.
Ich habe nicht bemerkt, dass sie schon wieder eine Weile im Zimmer ist, mir über die Schulter schaut. „Das macht also ein An-wen-dungs-manager. Wie cool.“ – „Findest du?“ – „Du hast den ganzen Morgen nicht zweimal das Gleiche gemacht, dauernd was Neues. Das ist cool.“ – „Hab ich noch nie so gesehen.“
„Jetzt verstehe ich auch, warum du in Gedanken immer bei was anderem bist. Bei dem Job gibt es kein hier-und-jetzt.“ Sie legt ihre Hand auf meine Hand. „Fühl mal die Maus.“ Pause. Wirklich ein wenig Ruhe in mir. „Schließ mal die Augen. Was hast du als letztes geklickt? Konzentrier dich. Nicht schummeln.“ Es fällt mir schwer, meine Gedanken gehen durcheinander, war es die Bestätigung eines Termins oder war es ein angefangener Antwortbrief?
„Dreh dich mal zu mir um.“ Ich sperre den Bildschirm und drehe meinen Schreibtischstuhl herum. Schon sitzt sie vor mir auf dem Schoss, strahlt mich an und wuschelt mir durch das Haar. „Bist du jetzt hier? Fühlst du meine Finger?“ – „Hör mal, ich muss arbeiten.“ – „Ja, dann arbeite doch.“ – „Kann ich so nicht.“ – „Warum nicht?“ – „Weil ich mich nicht konzentrieren kann, wenn du mir durch das Haar wuschelst.“ – „Aber du kannst dich konzentrieren, wenn du gleichzeitig eine E-Mail beantwortest, in deinen Unterlagen nachließt und in einem Meeting bist?“
Ich schiebe sie von meinen Beinen, drehe mich zum Bildschirm, entsperre ihn und schreibe die E-Mail fertig, die ich angefangen habe. Hinter mir höre ich die Türe gehen.
[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]
Weiter -> [Es duftet (S2/F3)]
[Andere Blogs: Interdisziplinäre Gedanken - Dienstliche Glossen]
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen