Ich muss jetzt gehen (S3/F7)
„Ich muss jetzt gehen.“ – „Ja, klar.“ – „Nein, wirklich. Ich gehe jetzt. Und bin dann weg.“ Pause. Ich schaue sie an. Ihre halblangen Haare hat sie heute sorgfältig geföhnt, ihre blauen Augen leuchten mich an. Aber sie wirken ein wenig traurig, oder bilde ich mir das nur ein.
„Warum?“ – „Du kommst jetzt ohne mich aus.“ – „Aber das will ich gar nicht.“ – „Es war schön mit dir.“ Ich denke an unser Kennenlernen im Supermarkt, das gemeinsame Yoga, Backen und Kochen. „Wir haben doch noch unseren Kochkurs.“ – „Nein, ich habe meine Buchung storniert. Aber ich würde mich freuen, wenn du allein hingehst. Es ist ein Single-Kochkurs.“
„Ich bin kein Single.“ – „Doch.“ Wir haben uns nie als Paar gezeigt, waren nie gemeinsam unterwegs oder auch nur im Kino. Spielen, Musikhören, Renovieren: Alles bei mir. Weder ihre noch meine Freunde haben uns je zusammen gesehen. Wie ein Phantom, eine Beziehung, die es gab und gleichzeitig nicht gab.
„Habe ich was falsch gemacht?“ – „Nein.“ Und nach einer Pause: „Im Gegenteil. Du hast so viel richtig gemacht, so viel gelernt. Gesund leben, auf Mitmenschen achten, das eigene Leben verstehen. Du kommst jetzt ohne mich aus. Und ohne meine kalten Füße.“ Auch wenn mir nicht danach zumute ist muss ich lachen.
„Und lad mal deine Mutter ein, sie wird staunen.“ Ja, die Wohnung ist aufgeräumt, das Badezimmer ein wenig modernisiert, alles sauber. Die neuen Schlafanzüge wird sie eher kritisch sehen, aber die brauche ich ihr ja nicht zu zeigen.
Noch in Gedanken schaue ich wieder hoch, sie ist weg. War ich einen Moment abgelenkt oder war sie schon vorher davongeschlüpft, das weiß ich nicht. Auf meiner Wange meine ich noch einen Kuss zu fühlen, und mit ein bisschen Phantasie kann ich auch noch ihren Geruch wahrnehmen.
*Ende*
[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]
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