Eine Geschichte von Niedergang, Kreuzigung, Grabesruhe und Auferstehung.
Ich liege backstage auf einem ziemlich durchgesessenen Sofa. Der Tourmanager ist auf dem Klo verschwunden und die anderen Jungs sind zur Theke gezogen. Sie begießen das Ende, wir sind auf Abschiedstour und immer weniger Fans sind in die Hallen geströmt, um uns zu sehen. Ich weiß, dass die Anderen mir die Schuld geben, meine Ausstrahlung hat nachgelassen, die Show will keiner mehr sehen. Doch, sagen sie zu mir, doch, du machst das gut, aber es ist altmodisch.
Angefangen hatten wir in einem kleinen Kellerraum unter der Schule. Raue Gitarrenriffs, viel zu lautes Schlagzeug, ein Keyboard mit Wackelkontakt. Aber die Mädchen liebten uns, die Jungs grölten mit und wir rockten die kleine Dorfbühne. Und dann die in der Nachbarstadt und dann mal ein Gig weiter weg mit Plakaten, Vorprogramm zu einer richtig großen Nummer.
Schließlich das Ganze wieder rückwärts, keine Auftritte mehr auf größeren Bühnen, wir mussten nehmen, was uns angeboten wurde, die Fans schrieben kritische Kommentare auf unsere Facebook-Seite und zum Schluss forderten sie uns auf, dem Elend ein Ende zu machen.
Heute also die letzte Show, das letzte Mal auf der Bühne, kaum noch klatschende Hände und obwohl wir noch mal die erfolgreichen Nummern brachten, kippte die Stimmung bis zu gelegentlichen Buh-Rufen. Ich mache mir nichts vor, die Sache ist zu Ende, ein abgehalfterter Sänger ohne jeden Rückhalt. Meine Steigbügelhalter haben sich längst anderen Bands zugewandt, die sie jetzt im Internet liken und manchmal sogar höhnisch mit uns vergleichen. Tot. Toter geht es nicht.
Ein paar Tage trauern wir noch der Bühne nach, sehnen uns nach Auftritten. Aber wir haben schon Pläne, wie wir die Zukunft gestalten. Wir sind eine eingeschworene Truppe, gemeinsam wollen wir den Musikmarkt aufrollen. Wenn wir schon nicht selbst auftreten, dann stürzen wir uns in den Vertrieb. Wir wollen ein paar unscheinbare Bands mit Charisma entdecken, sie für unsere Musik begeistern. Nachspielen und weiterentwickeln sollen sie unsere Titel, moderner und frischer. Und das mehrgleisig, einigen Gruppen vertrauen wir unsere Balladen an, anderen die schnellen Titel.
So lebt mein Material weiter, auch wenn ich es nicht mehr selbst vortrage. Die Performance selbst muss ich aus der Hand geben, ein wenig Raum muss ich bei der Interpretation schon lassen. Und mag auch jede einzelne Band weniger erfolgreich sein als ich es war, so wird die Summe doch eine beeindruckende Bilanz abgeben. Flankiert vielleicht noch mit anderen Medien, Videos und Influencern in den Social Media.
Die Band ist tot, aber wir treten in eine neue Phase ein, werden mit unserer Musik auferstehen.
[Andere Blogs: Interdisziplinäre Gedanken, Dienstliche Glossen]
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen