29 April 2022

Sinnesmischung

Köstlich sei sie gewesen, meine Ostergeschichte, schrieb mir jüngst ein Leser. Ich stutzte beim Lesen dieses Wortes, ist es doch einerseits ein wenig in die Jahre gekommen, andererseits normalerweise im Zusammenhang mit Malzeiten zu lesen.

Doch dann entpuppte sich gerade diese Wortwahl als präziser Treffer, lege ich doch stets Wert auf Transfer und Analogien. Die Verbindung des gustatorischen Attributes mit der literarischen Arbeit beschreibt sehr genau meinen Antritt.

Und so bewahrheitete sich für mich die Aussage, dass Autoren manchmal erst von den Lesern auf die Interpretation von Texten, auf stilistische Details oder unbewusste Botschaften hingewiesen werden müssen.

22 April 2022

Die Zukunft ruft

Du siehst schlecht aus. Auf der Stirn steht immer noch Schweiß, obwohl wir schon vor einiger Zeit im Chalet angekommen sind, der Anstieg eine Weile zurückliegt. Deine Lippen sind ein wenig blass, in der Dämmerung hier im Haus wirken sie geradezu kreidig. Vermutlich war es eine schlechte Idee, dass wir nach all den Jahren wieder zu dieser Behausung inmitten der Wiesen gewandert sind.

Irgendwann hatten wir uns auseinandergelebt. Wir waren Anfang dreißig, die Sturm-und-Drang-Phase war zu Ende, ruhigeres Leben in geregelten Bahnen angesagt. Jeder ging seiner Wege, gründete eine Familie, zog weg und baute oder nistete sich sonst irgendwie ein. Nach Jahren des gelegentlichen Kontaktes schlief unsere Beziehung ein, nicht aktiv beendet, nur ausgelaufen.

Ich erinnere mich an das Jahr 1966, als wir zum ersten Mal hier oben waren. Es war eine ganz merkwürdige Zeit, hinter uns lag das spießige und verklemmte Verhalten der älteren Generation, vor uns die große Freiheit. Mit gerade mal 16 Jahren waren wir noch Kinder und Mädchen waren fremde Wesen. Zusammen mit Dir hatte ich für den Freundeskreis ein Wochenende in der Hütte organisiert, das war für einige Eltern, gerade bei den Mädchen, eine große Überredungsnummer. Und wir mussten versprechen, dass „nichts passiert“. Was auch wirklich so war, trotz der Gelegenheit gab es nur hier und da ein Händchenhalten oder einen scheuen Kuss.

Und dann hatten wir uns wiedergetroffen, jetzt vor kurzem, an der Tankstelle standest Du plötzlich vor mir, strahltest mich an und wolltest wissen, ob ich mich nicht erinnerte. Nein, doch, nein, wirklich, bist Du das, das kann doch nicht wahr sein. Wie alt wir beide geworden sind, beide vermieden wir dieses Thema, aber einen Kaffee trinken, ja, jetzt hier. Der Kaffee ging in eine Flasche Wein über, die Autos mussten stehenbleiben und wir versprachen uns, dass wir unsere Freundschaft regenerieren und den Kontakt wieder intensivieren wollten.

Pläne wurden geschmiedet, Du hattest zu unserer ersten Wiedervereinigung ein paar Fotos mitgebracht, auch von der Hütte. Und so entstand der Gedanke, dass wir den Rucksack packen und wieder hier hinauf marschieren wollten. Genau wie damals, als wir über fünfzig Jahre jünger waren. Was damals so leicht ging, Du vorneweg mit einer Gitarre, wir fröhlich hinterher mit dem Proviant, das war heute schon deutlich mühsamer.

Ein großes Versprechen hatten wir uns aber schon bei unserer ersten Flasche Wein gegeben. Wir würden nicht in Erinnerungen schwelgen, auch kein Wort über die Zeit, in der wir uns nicht gesehen hatten. Ehe oder Scheidung, Kinder oder Enkel, Beruf oder Karriere – das sollte keine Rolle spielen. Einfach nur wir zwei, was auch immer zwischendurch war. Und selbst das Heute wollten wir eher nebensächlich erwähnen, unseren körperlichen Zustand nur bei Betrachtung der Zukunft. Wobei auch diese nicht als Endzeit daherkommen sollte, keine Liste, was man vor dem Tod noch erlebt haben wollte.
Was also angehen, wo können wir unsere Lebenserfahrung einbringen, unsere Beziehungen und Netzwerke nutzbringend verwenden. Beweisen müssen wir uns nichts mehr oder vielleicht doch, wie bringen wir uns bis zum letzten Atemzug in die Gesellschaft ein. So sitzt du vor mir, die Lippen bekommen langsam wieder Farbe, ich staube den Tisch ab, ziehe die Schutzdecke vom Bett und hole ein paar Gläser aus dem Regal. Wie einfach das Leben ist, wie einfach die Welt von hier oben aussieht, wie gut die Gedanken schmecken, wenn man sie mit Spaghetti und Rotwein einkocht.

Was fällt uns zu Nachhaltigkeit ein, sind wir da auf dem richtigen Weg? Haben wir denn in unserer Jugend wirklich nachhaltiger gelebt, von Grund auf bewusster oder aus Mangel an Gelegenheit? Unsere Köpfe werden roter, der Blutdruck steigt wie der Alkoholpegel und wir reden und reden, es ist wie seinerzeit, wir sind immer noch Freunde. Welche Verantwortung erwarten wir von Unternehmern, kann man börsennotierte Unternehmen auf einen Ehrenkodex festlegen, ihn bepreisen, als eine spezielle Form der Aktie an den Markt bringen. Überhaupt, was ist der Markt, wird ihm nicht zu viel Bedeutung zugemessen? Kann man auch Emotionen der Mitarbeiter erfassen, statistisch auswerten, in Rankings einfließen lassen?

Der Abend nimmt seinen Lauf, manchmal hustest Du ein wenig hart und ich bin so gar nicht mehr nüchtern. Wie aufregend, sich mit dir zu unterhalten, steter Wechsel zwischen sofortiger Zustimmung und hartnäckigem Widerspruch, in jedem Fall aber mit durchdachten Argumenten unterlegt. Selbst kleine Pausen nehmen wir uns, und sei es auch nur, weil einer von uns auf der Toilette verschwindet. Schweigen als kurzes gedankliches Innehalten, Konzentration und inneren Dialog.

Trotz der zunehmend weinseligen Stimmung entgeht mir nicht, dass du wieder und wieder ein neues Taschentuch heraussuchst, liegt es am Wein, dass es immer auch eine gewisse Röte hat, wenn du es wegwirfst? Gerade hustest du wieder, nein, das ist nicht gesund, aber was will man realistisch in unserem Alter erwarten. Im Sinne unserer selbstauferlegten Jugend hatten wir unseren Ausflug ohne moderne Technik vorgesehen. Jetzt saßen wir hier, redeten uns die Köpfe heiß und könnten noch nicht mal Hilfe holen, wenn wir welche brauchten.

Weit nach Mitternacht beschlossen wir ins Bett zu gehen, aber vorher wollten wir noch kurz frische Luft schnappen. Es wurde auch Zeit, die Zunge wurde langsam schwer und der Wein ging zur Neige. Du stemmst dich aus dem Sessel hoch, auf dem Weg zur Garderobe knicken dir die Beine weg, ich bin auch nicht so schnell zur Stelle, wie ich es mir gewünscht hätte und kann nur zusehen, wie du ziemlich hart zu Boden gehst. Lass mich, versuchst du zu sagen, aber das kommt nicht mehr so recht aus deinem Mund, stattdessen hustest du, diesmal unverhohlen blutig und dann reißt du dich noch mal zusammen und raunst mir ins Ohr: Die Zukunft ruft, hör mal genau hin.

Danke dafür, für diese letzten, kostbaren Stunden und die Erkenntnis, dass man auch im fortgeschrittenen Alter noch einen Anlauf nehmen kann, auch wenn es nicht mehr zum Sprung kommt.


18 April 2022

Die Auferstehung meiner Musik (Ostermontag)

Eine Geschichte von Niedergang, Kreuzigung, Grabesruhe und Auferstehung.

Ich liege backstage auf einem ziemlich durchgesessenen Sofa. Der Tourmanager ist auf dem Klo verschwunden und die anderen Jungs sind zur Theke gezogen. Sie begießen das Ende, wir sind auf Abschiedstour und immer weniger Fans sind in die Hallen geströmt, um uns zu sehen. Ich weiß, dass die Anderen mir die Schuld geben, meine Ausstrahlung hat nachgelassen, die Show will keiner mehr sehen. Doch, sagen sie zu mir, doch, du machst das gut, aber es ist altmodisch.

Angefangen hatten wir in einem kleinen Kellerraum unter der Schule. Raue Gitarrenriffs, viel zu lautes Schlagzeug, ein Keyboard mit Wackelkontakt. Aber die Mädchen liebten uns, die Jungs grölten mit und wir rockten die kleine Dorfbühne. Und dann die in der Nachbarstadt und dann mal ein Gig weiter weg mit Plakaten, Vorprogramm zu einer richtig großen Nummer.
Schließlich das Ganze wieder rückwärts, keine Auftritte mehr auf größeren Bühnen, wir mussten nehmen, was uns angeboten wurde, die Fans schrieben kritische Kommentare auf unsere Facebook-Seite und zum Schluss forderten sie uns auf, dem Elend ein Ende zu machen.

Heute also die letzte Show, das letzte Mal auf der Bühne, kaum noch klatschende Hände und obwohl wir noch mal die erfolgreichen Nummern brachten, kippte die Stimmung bis zu gelegentlichen Buh-Rufen. Ich mache mir nichts vor, die Sache ist zu Ende, ein abgehalfterter Sänger ohne jeden Rückhalt. Meine Steigbügelhalter haben sich längst anderen Bands zugewandt, die sie jetzt im Internet liken und manchmal sogar höhnisch mit uns vergleichen. Tot. Toter geht es nicht.
Ein paar Tage trauern wir noch der Bühne nach, sehnen uns nach Auftritten. Aber wir haben schon Pläne, wie wir die Zukunft gestalten. Wir sind eine eingeschworene Truppe, gemeinsam wollen wir den Musikmarkt aufrollen. Wenn wir schon nicht selbst auftreten, dann stürzen wir uns in den Vertrieb. Wir wollen ein paar unscheinbare Bands mit Charisma entdecken, sie für unsere Musik begeistern. Nachspielen und weiterentwickeln sollen sie unsere Titel, moderner und frischer. Und das mehrgleisig, einigen Gruppen vertrauen wir unsere Balladen an, anderen die schnellen Titel.

So lebt mein Material weiter, auch wenn ich es nicht mehr selbst vortrage. Die Performance selbst muss ich aus der Hand geben, ein wenig Raum muss ich bei der Interpretation schon lassen. Und mag auch jede einzelne Band weniger erfolgreich sein als ich es war, so wird die Summe doch eine beeindruckende Bilanz abgeben. Flankiert vielleicht noch mit anderen Medien, Videos und Influencern in den Social Media.

Die Band ist tot, aber wir treten in eine neue Phase ein, werden mit unserer Musik auferstehen. 

15 April 2022

Die kleine Kreuzigung (Karfreitag)


Die biblische Geschichte erzählt uns vom Aufstieg und Fall eines Mannes, geboren unter einfachsten Bedingungen. In seiner Einzigartigkeit gelang es ihm, Volksmengen hinter sich zu versammeln, ich stelle ihn mir als ausgesprochen charismatisch und redegewandt vor. Zusätzlich hatte er eine kleine Gruppe enger Mitstreiter – seine Jünger – und zog mit diesen durch die Lande. Auch aus heutiger Sicht also eine tolle Erfolgsgeschichte mit vielen überlieferten Geschichten, die im philosophischen Sinne zum Nachdenken anregen.
Doch irgendwann war sein Erfolg jäh zu Ende, kippte die Stimmung und Menschen, die ihm gestern noch gefolgt waren und an seinen Lippen gehangen hatten, verlangten plötzlich seine Hinrichtung. Selbst seine Vertrauten standen nicht mehr geschlossen hinter ihm, es kam zu Verleugnung und Verrat. Und trotz seiner außergewöhnlichen Art blieb ihm die Kreuzigung nicht erspart.

Nun, das wissen wir alles, haben es oft genug zu Ostern gehört. Doch leider können wir das auch um uns herum fortlaufend beobachten. Irgendeine Entwicklung verläuft ausgesprochen positiv, vielleicht der Aufbau einer Firma, die geschickte Nutzung aktueller Trends oder ganz allgemein die Vermarktung eigener Qualitäten. Vielbeachteter Spitzensportler, gefeierter Schauspieler, Bestseller-Autor. Oder viel gebuchter Software-Programmierer.
Es geht aufwärts, immer mehr Beachtung, „Follower“, Bewunderer. Doch wie bei jedem Trend ist auch hier irgendwann ein Limit erreicht. Im günstigen Fall geht der Anstieg in ein Plateau über, aber meist geht es nach Erreichen des Zenits deutlich bergab. Der bis dato so beliebte Fernsehmoderator wird langsam langweilig, der Fußballspieler ein wenig lendenlahm und der früher hochgelobte Mitarbeiter muss seinen Spitzenplatz an einen Young Professional abgeben. Nicht nur abgehalfterte Leinwand-Diven enden sehr oft nach einer unrühmlichen Alkoholsucht im Massengrab der Geschichte.

Und noch alltäglicher erlebe ich es im beruflichen und privaten Umfeld. Wer positiv auffällt, der muss automatisch auch Missgunst und Neid ertragen. Die allerdings wesentlich verdeckter daherkommen als die Feierstunden und Lobeshymnen. Doch sobald ein Fehltritt erfolgt oder auch nur das Schutzschild der Sponsoren und Mentoren wegfällt, gewinnt die Kritik die Oberhand und ein Sturz ist unvermeidlich. In vielen Fällen reicht sogar ein ganz normaler Trend, der einem da in die Quere kommt. Wer seinen Aufstieg im Wesentlichen dem attraktiven Äußeren verdankt, der wird typischerweise früher oder später vom Alterungsprozess attackiert. Die Mode wechselt, der Geschmack ändert sich.

Wer hat nicht schon mal erlebt, dass er bei irgendeiner Auseinandersetzung plötzlich alleine da stand. Die sonst wohlgesonnen Nachbarn schauen unbeteiligt in eine andere Richtung, die vertrauten Teamkollegen können sich nicht mehr so genau erinnern. Ein Fall von Verleugnung und im Sinne der in Kauf genommenen negativen Folgen für den Betroffenen eine kleine Kreuzigung.

Aber ein Blick in die Bibel macht Hoffnung. Auf den Karfreitag folgt das Osterfest mit der Feier der Auferstehung. Wenn wir das sinnbildlich verstehen, dann ist zwar diese Schlacht verloren, diese Karriere tot, aber der Körper lebt weiter und wir können uns von dem Schlag erholen und einen neuen Aufstieg beginnen.

08 April 2022

Jetzt Du, Joe!

Mein Freund Joe heißt eigentlich Josef, aber das ist total uncool und passt nicht zu seinem Auftreten und seiner Lässigkeit. Amerikanisch ist gut, deutsch ist spießig und langweilig. Die Frauen finden ihn toll, seine bestimmende Art, er weiß, was er will.

Ich mag ihn, bei ihm ist immer was los, und von seinen allzu wilden Exzessen verschont er mich. Ich bekomme nie mit, dass er Drogen nimmt, auch wenn mir andere Jungs regelmäßig davon erzählen. Heute habe ich allerdings Stress mit ihm, er ist davon überzeugt, dass ich seine Tussi angegraben habe. „Nein“, versuche ich ihm zu erklären, „ich habe nicht angefangen, sie ist zu mir gekommen und dann haben wir uns eben unterhalten.“ – Überzeugt wirkt Joe nicht gerade, er stößt mich gegen die Brust, erklärt mir, dass man so was unter Freunden eben nicht bringen kann. Und dass ich ihm nicht in die Quere kommen soll. Was ich ja auch nicht tue, obwohl mir seine Freundin durchaus auch ganz gut gefällt.

Eben holt er wieder aus, boxt mich gegen den Arm, „Au, was soll das?“, langsam werde ich sauer. Joe ist größer, stärker und hat so seine brutale Seite. Körperlich will ich mich nicht mit ihm messen, aber warum sollte ich auch.

Pete (eigentlich Peter) kommt dazu, das ist Joes Bandkumpel am Schlagzeug. Ziemlich robuster Kerl, Arme wie Popeye, aber total friedlich. „Was’n los hier?“ will er wissen und erkennt im ersten Moment, dass Joe mal wieder einen Eifersuchtsanfall hat. „Um welche Trulla geht’s denn diesmal?“ und mit lässiger Bewegung greift er Joes Faust, die sich schon wieder in meine Richtung in Bewegung setzt. Sofort herrscht Ruhe, mein übercooler Freund brummelt noch „Nika“ vor sich hin und dann nestelt er eine Selbstgedrehte aus der Jackentasche und zündet sie an.

Auftritt Veronika. Kein schlechter Fang mit den langen blonden Haaren, den großen Bällen im Pullover und der knackigen Rückenansicht. Nur dass sie ein bisschen doof ist und meist irgendwelche Witze nicht versteht. Und dann der Name. Es scheint unmöglich, ihn ein wenig cooler zu machen, uns fällt nichts Besseres ein, als sie Nika zu nennen.

Also Nika steht jetzt bei uns, strahlt in die Runde und ihr Blick bleibt bei mir hängen. Ich schaue ein wenig unbeteiligt, sonst wird Joe direkt wieder stinkig. „Schlecht drauf heute?“ will sie von mir wissen, „war gestern aber mehr drin.“ Oh Gott, das ist nicht das, was sie hier so herumposaunen sollte. Ich stöhne leise, naja, solange Pete in der Nähe ist, muss ich keine Angst vor einer Prügelei mit Joe haben. Trotzdem blöd. Die Stirn von Joe kräuselt sich, bei nächster Gelegenheit kann ich mir wieder irgendwelche Texte von ihm ins Ohr drücken lassen. Dabei war fast nichts, ich bin mir inzwischen selbst nicht mehr so sicher, ob wir uns nur unterhalten haben.

Ich muss aussehen wie der totale Loser, der Qualm von Joes Kippe zieht mir gerade ins Gesicht, er macht sich einen Spaß daraus, mich damit zu ärgern. Pete hat seine Zeige- und Mittelfinger ausgestreckt und gebraucht sie als Trommelstöcke auf Joes Tasche. Es wird entspannter, Nika schaut ihm zu, fängt an, irgendeinen Titel aus den Charts zu singen. Erst leise, dann immer lauter (leider auch immer schlechter). Joe verdreht die Augen, Pete strahlt, ich würde mir am liebsten die Ohren zuhalten.

Ein Mädchen, drei Jungs, das kann nicht gut gehen. Nika drückt sich an Pete, das ist sogar ein ankuscheln und Joe kann nichts sagen, denn sie ist ja gar nicht fest mit ihm zusammen. Eigentlich ist sie mit niemand fest zusammen, und wenn sie hier jeden von uns mal an sich ranlässt, dann hat das nichts zu bedeuten. Trotzdem bin ich neidisch auf Pete, wütend auf Joe und die blöde Schnalle, die uns drei hier gegeneinander aufbringt.

Joe hat fertig geraucht, „ich hol mir noch was“ trollt er sich und schon springt Pete auf und schließt sich ihm an. Unversehens sind Nika und ich allein, beide ein wenig überrascht. „Warum spielst du eigentlich nicht mit“, will sie wissen, „die beiden rocken voll los, ich bin die Röhre und irgendwas kannst du doch auch heizen“. Sie singt nicht gut, auch meine beiden Freunde sind eher laut als harmonisch unterwegs. Aber am Mikro ist sie ein Eyecatcher, der Rest ist egal. Was soll ich da mit meinem Akkordeon, das würde eher zu einer Vroni im Dirndl als zu einer Nika mit Strapsen passen. Verlegen schaue ich zur Seite, sie schnappt mich an den Schultern, schüttelt mich durch und lacht schallend.

Wir sind jetzt wieder zu viert, tatsächlich hat Joe seine Gitarre unter dem Arm, schrammelt ein paar Akkorde, Pete schnappt sich ein paar Stöcke und drischt auf den Tisch ein. Bierflaschen werden geöffnet, es gehört dazu, sie zu rotieren. Glücklich, wer die Flasche nach Nika bekommt. Nach der dritten Runde wird es lauter, wilder, die Jungs beschließen in den Musikkeller zu ziehen, vielleicht ist er unbesetzt. Ich will nicht, Nika ist inzwischen angeschossen und bockt auch herum. Wenn ich nicht mitgehe bleibt sie auch.

Kurz unschlüssig, dann schnappt sich Pete meine Arme und wirft mich wie einen Sack über seine Schulter, trabt los in Richtung Musikkeller. Ich lasse mich hintragen, zwinkere Nika zu, und gerade fällt mir ein Titel ein, den ich lautstark singen kann. Klar, gleich ist Schluss mit Singen, den kleinen Nerd werden sie nicht ans Mikro lassen. Aber sie brauchen mich, weil ihnen sonst wieder der Marshall um die Ohren fliegt.


Wir haben Glück, der Raum ist leer, der Hausmeister nicht zu sehen und schon thront Pete hinter den Becken und Joe stöpselt seine Fender in den Verstärker, während ich die Anlage starte und die Regler vorsichtig hochschiebe. Nika sucht ein Mikrofon, leider auch kein Kabel aufzutreiben, das ist ja total ätzend heute. Schließlich doch angekoppelt ist ihr der Hall zu stark, das Echo zu schnell und ihr ist warm. Das Oberteil fliegt in die Ecke, Pete hämmert irgendeinen Groove, der nicht zu Joes Riff passt. Nika windet sich vorne um eine unsichtbare Stange, wenn es sowas wie Luftgitarre gibt, dann ist das hier Luft-Poledance.

Mit dem Kopf zuckend schreit sie irgendwelche Texte in das Mikro, nicht schön aber laut. Kurze Bierpause, ich schiebe heimlich den Master etwas runter, das hält ja kein Mensch im Kopf aus. „Jetzt du, Joe“ kreischt unsere selbsternannte Rockröhre und der Gitarrenjunkie mit der halbgerauchten Kippe im Mund lässt es sich nicht zweimal sagen. Verbiegend rutscht er auf den Knien zwischen Nikas Beine, bearbeitet die Saiten als gäbe es kein Morgen. Die Basedrum dröhnt, die Snare klirrt und Ride- und Crashbecken scheinen durch die Luft zu torkeln. Joe ist hinter Nika wieder auf die Füße gekommen, stößt ihr rockend die Gitarre gegen den Rücken, umdrehend „Jeah, jeah, jeah, Joe, jetzt du!“.

Mitten in diese wilde Rockschlacht fliegt die Tür auf. „Was macht ihr denn hier? Das ist nicht euer Raum, raus hier.“ Ziemlich ernüchternd. Wir schauen uns an, wägen ab, ob wir was sagen können, aber auch wenn selbst ich den kleinen Hausmeister niederstrecken könnte, wäre das voll blöd. Ein letzter verklingender Akkord, abschließender Wirbel auf allen Tomtoms und dann macht Nika den Sack zu, schließt die Augen und stöhnt noch mal „Jetzt du, Joe“.

01 April 2022

Neues Verfahren für Mobilfunk- und DSL-Ausbau

Es gibt gute Nachrichten, was den Ausbau unserer Mobilfunk- und DSL-Anbindung in Engenhahn angeht. Schon im vergangenen Jahr hatte sich das BMVI (Bundesministerium für Digitales und Verkehr) mit dem bundesweiten Ausbau der Netze beschäftigt und dies in einem Strategiepapier zusammengestellt. Begleitend beschäftigte sich das Breitbandbüro Hessen mit der Weiterentwicklung der DSL-Anbindungen.

Neben der Kommunikation mit den Mobilfunknetzbetreibern und der Abstimmung mit der Bundesnetzagentur wurde Anfang des Jahres 2022 ein weiterer Baustein zur konkreten Umsetzung der definierten Ziele realisiert. Danach lehnt sich das überarbeitete Priorisierungsverfahren an das etablierte Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen an. Das BMVI profitiert von der langjährigen Erfahrung des Portal für Studienbewerber (ehemals ZVS), das große Expertise mit Mängelverwaltung aufweist.

Konkret wird die Auftragsvergabe zum Netzausbau nun nur noch zu 81,5 % durch Gremienentscheidungen und Notwendigkeitsanalysen (Heatmaps) bestimmt. Der restliche Anteil auszubauender Infrastruktur landet in einem Lostopf, so dass auch Orte mit bereits vorhandener Anbindung auf Ausbau mit Ziel flächendeckendem Glasfasernetz und Mobilfunk in 5G hoffen dürfen.
Mögliche Ansicht der Mobilfunkanlage Sauwasen nach Ausbau [Bild: Planungsbüro]

Und tatsächlich war es heute so weit: Der Ortsteil Engenhahn der Gemeinde Niedernhausen wurde für die kurzfristige Einleitung von geschwindigkeitssteigernden Maßnahmen ausgewählt. Sehr zur Freude der politisch Verantwortlichen, die nach zähen Gesprächen mit Mobilfunk- und Breitbandbetreibern nun überraschend in die konkrete Planung gehen können. „Wir sind begeistert, aber auch überrumpelt“ war aus dem Rathaus zu hören, „spontan können wir uns einen Ausbau des Mobilfunkturms am Sauwasen zu einer regionalen Anlage vorstellen. Das würde mit einer erheblichen Erhöhung des Kirchturms als Backup-System einhergehen, das notwendige Rechenzentrum für die Breitbandverbindungen würde im alten Rathaus untergebracht. Die größte Hürde sehen wir in der Errichtung einer Windkraftanlage im Bereich der Siedlung Wildpark zur Deckung des gestiegenen Strombedarfes.“

Gute Nachrichten jedenfalls zum 01. April für unser Bergdorf und ein riesiger Schritt in die technische Zukunft mit erheblicher Aufwertung für Berufstätige im Homeoffice.