27 Juni 2025

Nerds Diary: Früher Nachmittag (S3/F2)

 Früher Nachmittag

Nerds Diary Früher Nachmittag
... ich sitze am Schreibtisch und kämpfe mit den Tücken der Technik. Heute läuft es gar nicht rund, ein Jenkins-Job bockt und die Kollegen können den Fehler nicht finden. Irgendwer muss an der Konfiguration herumgefummelt haben und jetzt werden die Artefakte nicht vollständig eingesammelt. Eine Telefonkonferenz jagt die nächste, aber das Deployment will einfach nicht in Gang kommen.

Jetzt wieder ein Anruf, diesmal aber nicht aus dem Büro. "Kommst du rüber?" - "Ich kann gerade nicht, der Jenkins spinnt herum." - "Lass ihn spinnen, ich habe frisch gebacken." - "Nein, geht wirklich nicht, hier funktioniert was nicht." - "Aber hier! Das wird dir gute Laune machen." - "Nein, erst die Arbeit, die hat jetzt Prio." - "Wie du meinst."

Etwa eine Viertelstunde später sitze ich bei ihr am Couchtisch. Vor mir steht ein großes Backblech mit Brownies, noch fluffig warm und verführerisch duftend. Sie pendelt zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her, bringt Kaffee und Cola. Wir stoßen mit der Cola an, ich stürze mich auf die Brownies. "Und?" - "Lecker." - "Sag ich doch." - "Was machst du eigentlich gerade, ich meine im Büro?" - "Was reparieren." Wir kauen weiter, Kaffee und Kuchen scheinen mich tatsächlich zu entspannen. Im Grunde ist diese kleine Panne beim Computer gar nicht der Rede wert.

Die Laune verbessert sich zusehends, wir holen Würfel und spielen um das nächste Kuchenstück. Mittlerweile sitzen wir nicht mehr auf der Couch, sondern liegen auf dem Boden. Da lässt es sich viel besser würfeln und die paar Krümel, die daneben gehen, können wir nachher noch wegsaugen. Jetzt rollt der Würfelbecher unter die Couch, wir müssen uns immer aufsetzen, die Würfel in die Hand nehmen und sie auf den Boden rollen. Oder sollten wir sie nicht einfach hochwerfen? Einer der Würfel landet in der Cola, es spritzt, wir lachen uns tot.

"Sag mal, ist irgendwas in der Cola oder in den Brownies?" - "Wie kommst du denn darauf?" - "Ich hab so ein Gefühl." - "Du bist ein Nerd, der hat kein Gefühl bei Brownies." - "Doch, irgendwie schmecken sie heute anders." - "Vielleicht." Nachdem sie mir gestanden hat, dass sie die Zutaten ein wenig ergänzt hat, wird mir klar, warum wir so high sind. "So kann ich unmöglich noch arbeiten." - "Warum, dann geht es alles viel leichter. Ich sag doch immer 'Entspann dich'."

Die Uhr hängt ein bisschen schief, dabei bewegt sie sich auch ein klein wenig, jedenfalls gelingt es mir nicht, sie abzulesen. Sie wälzt mich wieder auf den Bauch, setzt sich auf meinen Rücken und knetet an meinen Schultern herum. "Stehst du eigentlich auf Frauen?" - "Wie kommst du jetzt darauf?" - "Weil du im Büro etwas mit Jenkins machst, das ist doch ein Mann." - "Jenkins ist ein Computerprogramm." - "Oh." Pause. "Aber sag mal." - "Was jetzt?" - "Ob du auf Frauen stehst." - "Ja, schon." - "Aber nicht auf mich?" - "Doch. Ja, nein, weiß nicht." Pause. "Ich ziehe dir jetzt dein T-Shirt aus." - "Ich muss noch mal ins Büro, bis nachher."

Ich winde mich unter ihr frei, komme auf die Füße und stolpere in Richtung Wohnungstür. "Ach, da ist ja wieder der Neue." Der Nachbar hantiert gerade an den Briefkästen. "Ist der Herr in Eile?" Ich murmele irgendwas Unverständliches, meine Zunge ist von den gepimpten Brownies mächtig schwer. Jetzt nur nach Hause, ein paar Minuten auf der Couch werden mich wieder in Schwung bringen. Und natürlich viel trinken.

Die Decke bewegt sich ganz leicht, meine Gedanken bewegen sich mit, was war das gerade? Jedenfalls muss ich gleich noch mal an den Computer, nachfragen, was das Deployment macht. Oder auch nicht, wie meine schweren Augenlider mich wissen lassen.

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20 Juni 2025

Nerds Diary: Ein wenig gelangweilt (S3/F1)

Ein wenig gelangweilt

Nerds Diary: Ein wenig gelangweilt (S3/F1)
... trotte ich durch die Gegend. Seit unserem gemeinsamen Bad habe ich sie nicht mehr gesehen. Seit Wochen nicht. Die Arbeit hält mich am Laufen, aber manchmal denke ich an die verrückten Ideen, die sie immer hatte. Am Anfang habe ich täglich die Wohnung geputzt, aber das hat aufgehört, jetzt versacke ich eher bei Minecraft oder Fortnite

An der Haustür bleibe ich kurz stehen. Auf dem Rücken habe ich meinen Rucksack mit den Einkäufen, jetzt muss ich noch den Schlüssel aus der Tasche kramen. Da sehe sie lässig an der Hauswand lehnen. "Hast du mir aufgelauert?" - "Nein. Was hast du eingekauft?" - "Warum fragst du?" - "Lass mal sehen." Ich öffne den Rucksack: Pizza, Cola, Spaghetti, Kekse. "Das ist aber eine ungesunde Mischung." - "Wo warst du eigentlich in den letzten Wochen?" - "Kein Obst?!"

Das könnte jetzt so weitergehen, aber ich lasse es mal auf sich beruhen und schließe die Haustür auf. In der Wohnung angekommen "Deine Mutter hat sich angekündigt." - "Woher weißt du das?" - "Hat sie dir geschrieben." - "Wieso weißt du, was sie geschrieben hat?" - "Stand im Brief drin." - "Welcher Brief?" - "Na, aus dem Briefkasten, ein Brief halt." - "Und den hast du gelesen?"

"Wir müssen das vorbereiten. Wann hast du das letzte Mal saubergemacht? Und hast du Getränke da? Tee? Essen?" Einige Zeit später bin ich mit einem langen Einkaufszettel wieder auf dem Weg zum Supermarkt. Der Liste war eine ausführliche Diskussion über notwendige Artikel, gesunde Produkte und die Auswahl einer selbst zuzubereitenden Mahlzeit vorausgegangen. "Was soll ich denn kochen?" - "Schau mal bei Chefkoch.de. Oder bei Youtube." - "Ich habe noch nie für meine Mutter gekocht. Muss das sein?" - "Sie wird begeistert von dir sein. Du schaffst das schon."

Bereits kurz vor der Haustür höre ich bei der Rückkehr die bekannte Musik mit einem Stil zwischen ACDC und Nickelback. Die Tür geht auf, noch bevor ich den Schlüssel hineingesteckt habe, sie kommt mir entgegen und rennt mich fast um, weil sie einen hohen Stapel Pizzakartons vor sich her trägt. "Oder wollen wir daraus einen Jenga-Turm bauen?" - "Lieber nicht. Der Bücherturm hat mir gereicht." - "Na gut, dann laufe mal runter zum Altpapier. Ich räum in der Zeit im Kühlschrank auf, da ist noch uralter Käse drin." - "Wo ist eigentlich der Brief meiner Mutter?" - "Ach so, ja, also, den Brief gibt es eigentlich gar nicht." - "Verstehe ich nicht. Woher weißt du dann, dass sie kommt?"

"Sie kommt nicht." Diskussion, warum sie das zu mir gesagt hat. Entwarnung, Muttern ist nicht im Anflug, aber meine Wohnung ist aufgeräumt, gesunde Lebensmittel im Kühlschrank und ich habe mir ein Rezept herausgesucht, was ich jetzt kochen werde. Etwas überrumpelt, aber motiviert mache ich mich am Herd zu schaffen. "Ich kümmere mich um den Nachtisch." Während die Nudeln kochen und das Hackfleisch anbrät, laufe ich kurz rüber in das Arbeitszimmer. Anmeldung am Computer, die Jungs in der Firma haben das Backup erfolgreich eingespielt.

Rückkehr in die Küche, auf dem Herd die Nudeln und das Hackfleisch, aber auf der Arbeitsplatte ein großer Beutel Mais. "Was hast du vor?" - "Popcorn" - "Ist das der Nachtisch?"

Wir sitzen am Küchentisch, der Hackfleischauflauf ist weitgehend im Magen, jetzt beratschlagen wir die Zubereitung von Popcorn. "Einfach in die Mikrowelle." - "Muss man da nicht irgendeine Folie drummachen?" - "Ach was, wir machen das so, dann können die Körner richtig aufspringen." Und das tun sie. Ziemlich schnell füllt sich der Garraum der Mikrowelle, aber es poppt immer weiter. Mit lautem Radau springt die Tür auf und eine große Ladung aufgepoppter Mais ergießt sich auf den Küchenboden.

"Nicht schlimm, du hast doch vorhin den Boden gewischt." Wir kriechen über den Boden, sammeln die Körner so gut es geht wieder ein, auch unter den Möbeln und in den Ritzen der Küchenzeile haben sich einige kleinere Maiskörner versteckt. Ich werde in den nächsten Tagen bestimmt noch weitere Reste finden.

"Probier mal, die schmecken echt lecker." Inzwischen sitzen wir vor dem Fernseher und starren auf den dunklen Bildschirm. "Es gibt bestimmt keine spannende Sendung, lass uns einfach was spielen." - "Ich würde lieber Nuhr im Ersten sehen." - "Wie altmodisch. Hast du kein Netflix?" - "Nein, brauch ich nicht, kostet nur."

Das Thema Bewegung ist in den letzten Tagen zu kurz gekommen. "Wir machen Twister." - "Kenn ich nicht." - "Da muss man auf einer Matte mit bunten Punkten mit irgendeinem Körperteil einen ausgewürfelten Farbpunkt berühren." - "Ich habe keine Matte mit bunten Punkten."

Der Läufer aus dem Flur bekommt die notwendigen Kleckse verpasst, nachdem sie in meinem Schreibtisch noch einen Wassermalkasten aus der Schulzeit entdeckt hat. Farbenfroh liegt er jetzt im Wohnzimmer, die Farbe ist weitgehend getrocknet und ein Würfel präpariert. Abwechselnd wird gewürfelt, wir verhaken uns in immer wilderen Verrenkungen. Längst sind die Hände und Füße bunt von der nur halb getrockneten Farbe, sehen auch T-Shirt und Hose aus, als ob wir gerade von einer Anstreich-Aktion zurückkämen.

"Macht nichts, das macht dein Leben viel fröhlicher." - "Finde ich nicht. Es macht meine Kleidung nur viel dreckiger." - "Das ist Farbe, kein Dreck." - "Aber ich muss sie waschen." - "Ja, und?" Nur noch in Unterhose rolle ich den Teppich zusammen, schleife ihn ins Badezimmer, wo er erst mal gründlich durchtrocknen kann.

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13 Juni 2025

Fernsehauftritt

Gerade kommt die Visagistin noch mal bei mir vorbei, pudert ein bisschen in meinem Gesicht nach. Vorhin hat sie sich um meinen Bart gekümmert, diverse Schichten Primer, Makeup, Concealer, Shadow und Glow aufgetragen. Beim Blick in den Spiegel sehe ich mein Gesicht, ich sehe aus wie immer, dabei schöner und jünger. Die erneute Puderschicht soll mattieren wegen der Scheinwerfer, wie die junge Dame mir erklärt.

Fernsehauftritt

Nun ist sie wieder weg, stattdessen taucht ein Assistent auf, der mir nochmal den organisatorischen Rahmen erläutert. Wann ich auf welches Licht achten muss, welche Kamera gerade aktiv ist, welche Signalwörter im Interview üblich sind. Und natürlich das Publikum. Das wird gerade warmgeklatscht, ist freudig-neugierig auf den Abend und wird brav an den verabredeten Stellen Beifall spenden.

Alles ist geplant, nichts so, wie es die Fernsehzuschauer nachher präsentiert bekommen. Der Assistent zieht wieder ab, eine Durchsage aus dem Off kündigt noch zehn Minuten an. Vor lauter Aufregung schwirrt mir der Kopf. Was mache ich eigentlich hier? Ich bin in diese Fernsehshow eingeladen, um meine neue Veröffentlichung vorzustellen. Fleißige Leser haben mich in der Zugriffsstatistik so weit nach oben geklickt, dass ich aus der Unsichtbarkeit des Publikationsstroms über die Sichtbarkeitsschwelle geraten bin.

Wir haben vorhin schon mal als Probe am blumengeschmückten Couchtisch gesessen, ein bekannter Moderator hat mit seinen Moderationskarten gespielt, routiniert ein paar unverfängliche Fragen gestellt. Stellprobe, Mikrofonprobe, Beleuchtung nachjustiert. Die Kameras müssen noch ein wenig verschoben, die Zoomeinstellungen korrigiert werden. Kontakt mit dem Regieboard hergestellt, der Produzent schaut noch mal vorbei.

Noch zwei Minuten, wie die unsichtbare Sprecherin ankündigt. Gleich nicht zu hektisch laufen, sitzt die Hose, was wollte ich als Eingangsstatement von mir geben? Langsam steigt so etwas wie Panik in mir auf, zwar ist die Hektik um mich einer geradezu beängstigenden Ruhe gewichen, aber gerade das lässt die ganze Szene unheimlich wirken. Die Regielampe ist auf gelb, Vorstufe zum Beginn der Sendung, letzte Phase vor meinem Auftritt.

Der Kloß in meinem Hals macht sich langsam dicker. Bekomme ich überhaupt noch einen Ton heraus oder noch schlimmer, selbst das Luftholen fällt mir schwerer. Jetzt kommt doch noch mal die Visagistin, sie hat wohl beobachtet, dass ich immer blasser werde, unter dem Vorwand, mir mit ihrem Rougepinsel ein wenig Farbe zu verpassen legt sie mir ihre warme Hand auf die Schulter. Wie gut das tut.

Die Lampe am Ausgang geht auf grün, der Assistent stürzt sich auf mich, zerrt an meinem Arm. Meine Beine sind unendlich schwer, ich komme nicht aus dem Stuhl heraus, die Lampen um den Spiegel scheinen sich zu bewegen, mein Spiegelbild wirkt verzerrt. Ein klarer Gedanke ist so natürlich nicht zu erwarten, ich sterbe vor Aufregung. Was hat mich nur geritten, mich auf dieses Abenteuer einzulassen, mich in aller Öffentlichkeit lächerlich zu machen, bei meinen Freunden heimliches Fremdschämen zu sorgen.

Ganz kurz schließe ich noch mal die Augen, sammle meine Gedanken, atme tief durch, versuche die Attacke zu beenden. Dann öffne ich die Augen wieder. Schweißgebadet schaue ich mich um. Ich bin zu Hause, am Schreibtisch, meine Frau steht neben mir und ruckelt an meinem Arm. Jetzt wieder ihre Hand auf meiner Schulter, es war gar nicht die Visagistin, aber jedenfalls tut es gut.

Natürlich bin ich nicht im Fernsehen, weder gehen meine Veröffentlichungen viral, noch habe ich eine umfassende Anhängerschaft oder vertrete gar so polarisierende Statements, dass ich öffentliche Aufmerksamkeit errege. Kein Grund zur Panik also, mein Leben wird nicht in das Scheinwerferlicht politischer oder literarischer Kritiker gezerrt, ich kann entspannt weiter das schreiben, was mir durch den Kopf geht und für andere interessant erscheint.

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06 Juni 2025

Kabelanschluss in 20 Phasen

An dem einen oder anderen Beispiel im täglichen Leben kann man die unterschiedlichen Typen von Menschen in ihren jeweils spezifischen Rollen erleben. Ich erläutere das mal am Beispiel vom Kabelanschluss für das Haus in einem Wohngebiet mit vorwiegend freistehenden Häusern.

Kabelanschluss in 20 Phasen
Phase 1: Im Tagesrhythmus rufen mich MitarbeiterInnen einer Hotline an. Sie sind freundlich, sprechen halbwegs verständliches Deutsch und versuchen mit allerlei Argumenten, mich für einen Kabelanschluss zu begeistern.

Phase 2: Ein lebhafter Vertriebsmitarbeiter ruft mich an, gratuliert mir zu dem großartigen Entschluss, mein Haus mit Kabelanschluss zu versorgen und lädt mich zu der Informationsveranstaltung mit allen Nachbarn ein, die sich genauso großartig entschlossen haben.

Phase 3: Ein Team von Mitarbeitern der Kabelfirma hat das komplette Bürgerhaus in einen Markplatz verwandelt. Flyer, Infobroschüren, Videos und Beratungstische vermitteln den Eindruck eines kompetenten und leistungsfähigen Anbieters. Im Hauptraum gibt es eine Präsentation mit vielen bunten Folien, vorgetragen von einem hippen Techniker und einem seriös wirkenden Berater.

Phase 4: Ein hektischer Mann mit zu kleiner Regenjacke steht einen Tag nach dem verabredeten Besprechungstermin vor meinem Haus. Da er gestern niemand angetroffen hat, kann er heute nur einen neuen Termin in zwei Wochen anbieten. Auf meinen Einwand, ich sei den ganzen Tag da gewesen, geht er nicht ein.

Phase 5: Der Bauleiter mit Helm steht vor dem Haus, erklärt mir, warum der mit dem Hektiker ausgemachte Plan nicht umsetzbar ist und dass sie quer durch den Vorgarten schießen müssen. Ein Datum kann er nicht nennen, nur eine Kalenderwoche, natürlich unverbindlich abhängig von der Witterung.

Phase 6: Nachdem ich bei strahlendem Sonnenschein und einigen Anrufen bei der Hotline mehrere Wochen auf den Bautrupp gewartet habe, wird bei leichtem Nieselregen ein Bagger vor meinem Haus abgestellt. Der Baggerfahrer spricht kein Deutsch, drückt mir sein Handy in die Hand, ich soll mit seinem Chef sprechen.

Phase 7: Zwar muss die Leitung durch den Vorgarten gelegt werden, aber wegen der dort verlegten Rohre kann das nur im offenen Verfahren, also mit Aufbaggern realisiert werden. Der Baggerfahrer beginnt, eine schmale Furche durch Blumenbeete, Rasen und quer durch den plattierten Weg zu graben.

Phase 8: Wegen einsetzendem Regen muss die Baggerarbeit unterbrochen werden, was allerdings nichts macht, weil erst die Telefonleitung repariert werden muss, die bei den Erdarbeiten beschädigt wurde. Ein Vertriebsmitarbeiter besucht mich nach ein paar Tagen, verspricht den Schaden unbürokratisch zu regulieren und weist mich auf die großartigen Vorteile des Kabelanschluss hin.

Phase 9: Die Erdarbeiten und Reparaturen sind fertiggestellt. Inzwischen habe ich einen polnischen Verputzer kennengelernt, der das Bohrloch von dem ersten erfolglosen Versuch ins Haus zu kommen wieder fachkundig verschlossen hat. Er kümmert sich auch um die Leitung, die der multifunktionale Baggerfahrer trotz meiner Einwände mit Stahlnägeln auf der tapezierten Kellerwand befestigt hat.

Phase 10: Ein Techniker mit mehreren Koffern voller teurem Equipment kommt vorbei, um den Anschluss in Betrieb zu nehmen. Auch nach diversen Telefongesprächen mit Kollegen in der Zentrale lässt sich kein Signal auf der Leitung messen.

Phase 11: Inzwischen scheine ich die gesamte Vertriebsmannschaft kennengelernt zu haben. Heute kommt eine junge Frau, versucht meine angeschlagene Laune durch Flirtversuche zu beschwichtigen und verspricht mir, dass der Kabelanschluss großartig wird. Ein wenig Geduld, die Techniker sind dran.

Phase 12: Die Quelle der Vertriebler scheint versiegt. Seit Wochen kommt niemand mehr, bei der Hotline hänge ich in der Warteschleife, wenn doch jemand in gebrochenem Deutsch ans Telefon geht, nimmt er mein Problem entgegen, wird es weiterzugeben und ja: Normalerweise ist so ein Kabelanschluss großartig.

Phase 13: Eine ziemlich hohe Rechnung wegen der ungeplant umfangreichen Erdarbeiten kommt ins Haus. Sie hat einen freundlichen Ton, ein Flyer mit einer strahlenden Familie vor einem riesigen Flatscreen liegt bei. Und der Hinweis, dass bei Versäumnis der Zahlung ohne weitere Mahnung ein Inkassobüro eingeschaltet wird.

Phase 14: Mein Anwalt setzt ein Schreiben mit Fristsetzung für die Inbetriebnahme meines Kabelanschluss auf. Er ist routiniert und lässt mich wissen, dass dies ein Standardvorgehen wäre, das er praktisch jede Woche mehrfach einleiten müsse.

Phase 15: Ein Anzugträger mit Turnschuhen, mein Techniker, der Pole und der Hektiker stehen unangekündigt vor meinem Haus. Sie würden jetzt und hier die Funktionalität herstellen, wenn das für mich nicht passe würde damit die Frist meines Schreibens ausgehebelt. Alternativtermin voraussichtlich erst im nächsten Quartal.

Phase 16: Nachdem der Vorgarten von einem anderen Bagger wieder aufgegraben wurde, steht jetzt fest, dass die Kabelunterbrechung doch nicht dort liegt. Bei der zügig eingeleiteten Buddelei ist meine Wasserleitung kaputt gegangen, die Gemeinde sieht sich nicht in der Pflicht zur Reparatur, weil die Bruchstelle auf meinem Grundstück liegt. 

Phase 17: Der kurzschließende Nagel durch das Kabel in meinem Keller ist gefunden. Die Rechtsabteilung der Kabelfirma lässt mich wissen, dass ich durch diesen selbstverursachten Ausfall die Reparaturkosten, die zweite Vorgartenarbeit und natürlich Verfahrens- und Mahnkosten zu tragen habe.

Phase 18: Der ursprüngliche Baggerfahrer mit seiner Nagelbefestigung ist nicht mehr bei der Firma. Es ist aussichtslos, ihn als Auslöser der Probleme zur Rechenschaft zu ziehen. Auch der Pole mit den Reparaturarbeiten kommt als Zeuge nicht in Frage.

Phase 19: Der Anschluss läuft, nach einigen Anrufen bei der Hotline sogar mit deutlich über der Hälfte der angekündigten Datengeschwindigkeit. Die Beschwerdestelle des Anbieters stuft meine Reklamation als Einzelfall ein und sieht eine Verbindung zwischen Downloadgeschwindigkeit und dem Nagelthema.

Phase 20: Ich erhalte einen Anruf von einem Chatbot, der mich durch eine Zufriedenheitsumfrage führt. Bei einer kritischen Antwort gibt er vor, mich nicht verstanden zu haben und wiederholt die Frage so lange, bis ich auflege.

Es wäre ein großartiges Erlebnis gewesen, ist nur so nie passiert. Aber wer weiß: Vielleicht lerne ich ja doch noch die Vorzüge des Kabelanschluss kennen.

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30 Mai 2025

Nerds Diary: Der Tag startet regnerisch (S2/F8)

 Der Tag startet regnerisch (S2/F8)

Der Tag startet regnerisch (S2/F8)
Der Tag startet regnerisch. Wasser läuft die Scheibe herunter, wir haben gar keine Lust, das warme Bett zu verlassen. Noch im neuen Schlafanzug gehe ich zum Arbeitszimmer rüber, starte den Computer und ziehe weiter ins Bad.

„Ich habe dir eine Einkaufsliste geschrieben.“ – „Essen ist noch da. Getränke auch.“ – „Die Zahnbürste für mich.“ Ich möchte die Diskussion von gestern Abend vermeiden, „Brauchst du sonst noch was?“ – „Ja, Danke. Du kannst noch Bodylotion mitbringen.“ – „Das glitschige Gefühl auf dem Rücken mag ich gar nicht.“ – „Am besten ‚reichhaltig‘. Dann sind da pflegende Sachen drin, die den ganzen Tag halten.“ – „Hab ich befürchtet.“

Der bedeckte Morgen ist in einen Dauerregen übergegangen. „Kein Grund, nur zu Hause zu hocken.“ – „Ich gehe jetzt nicht raus. Der Einkauf kann warten.“ – „Wer spricht denn von Einkauf?“ – „Was dann?“ – „Joggen.“ – „Joggen im strömenden Regen? Sicher nicht!“

Nach ein bisschen Suchen habe ich die Joggingschuhe und die zugehörige Kleidung gefunden. Noch schnell ein Glas Wasser, dann mache ich mich auf den Weg. Treppe runter, zum Park rüber, ein Blick auf die Uhr, langsam falle ich in Trab.

Mit kurzen Unterbrechungen laufe ich tatsächlich eine Stunde durch die Gegend, der Regen nimmt zwischendurch ab, dann aber auch wieder zu. Als ich auf das Haus zuhalte bin ich praktisch komplett durchgenässt, das Wasser läuft auch langsam in die Schuhe.

Ich schließe die Wohnungstür auf, ein Geruch von Salbei schlägt mir entgegen. Sie sitzt in der Badewanne, eine deutliche Schicht von Schaum lässt vermuten, woher der Salbeigeruch kommt. „Ist dir kalt?“ – „Kann man wohl sagen.“ – „Komm rein. Hier ist wunderbar heiß.“

Ich schwanke zwischen verlockender Aufwärmung und peinlicher Badeaktion. Sie errät meine Gedanken und „Jetzt komm schon, ich schau dir nichts weg.“ Nach kurzem Zögern ziehe ich die Schuhe aus, entleere das Wasser ins Waschbecken, wringe auch Hose und Laufshirt aus.

„Soll ich dir helfen?“ – „Ich komme schon zu recht.“ Socken und Unterhose aus und ganz schnell ins Wasser, unter die schützende Schaumschicht. „Und? Tut das nicht gut? Setz dir mal eine Schaumkrone auf. Du bist jetzt ein Königs-Nerd.“

Sie beugt sich vor, fischt vom Schaum und pappt ihn mir auf die Haare. „Das reicht nicht, wir brauchen mehr Schaum.“ Pause. „Du hast doch Strohhalme.“ Tropfnass mit Badehandtuch laufe ich in die Küche, hinterlasse nasse Fußspuren auf dem Boden und tauche ganz schnell wieder in die Wanne. Jeder bekommt eine Handvoll Halme und pustet aus Leibeskräften in das Wasser.

Der Schaum nimmt zu, ein ganzes Gebirge entsteht, wir pusten und pusten, bis auch der Rand der Wanne, dann der Boden davor voll ist. Ich habe eine riesige Schaumkrone, sie einen mächtigen Schaumbart, selbst beim Aufstehen sind wir eingehüllt in die weiße Pracht.

Mit Schwung entleert sie den Rest meines teuren Badezusatzes in die Wanne „damit es sich lohnt“ und geht wieder auf Tauchstation. Ich höre aus den Schaummengen nur das Blubbern von Dutzenden Halmen, das Aufsteigen weiterer Berge und dann fühle ich ein U-Boot, das sich an meinen Beinen zu schaffen macht.

Das Ablassen des Wassers war ziemlich einfach, aber trotzdem ist das Badezimmer noch voller Schaum, der Boden ist glitschig, nur in der Wanne können wir mit der Brause ein wenig Herr der Lage werden. „Ist doch egal, das geht von alleine weg. Jetzt trocknen wir uns erst mal ab und machen es uns bei einem Rotwein gemütlich.“ – „Den Boden müssen wir schon trockenlegen, sonst legt sich noch einer von uns hin.“

Sie ist einverstanden, ich darf den Boden wischen und auch die Wasserspuren in die anderen Zimmer entfernen. Als Bedingung muss ich sie abtrocknen und ihr schon mal ein weiches Lager auf dem Sofa vorbereiten.

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23 Mai 2025

Nerds Diary: Gut gemacht (S2/F7)

Gut gemacht (S2/F7)

Nerds Diary: Gut gemacht
„Gut gemacht!“ Wir sitzen vor dem Ofen und schauen dem Gemüse beim Überbacken zu. „Lass uns die Zeit mit was Sinnvollem verbringen.“ – „Was denn?“ – „Wir üben jonglieren.“ – „Ich habe keine Jonglierbälle“ – „Egal, wir nehmen irgendwas anderes.“

Wir entscheiden uns für erste Versuche mit festen Tomaten, die noch in ausreichender Zahl auf der Arbeitsplatte liegen. Während der Auflauf im Ofen leise summend immer knuspriger wird, steigern wir langsam unsere Jonglierschwierigkeit. Die Tomaten fliegen immer höher „Nicht das Fangen ist wichtig, sondern das Werfen. Schau mal.“

Leider wirft sie die Tomate nicht so gut, oder das Fangen auf meiner Seite geht daneben, jedenfalls streift sie mein Hemd, meine Hose und landet dann trotz reflexartigem Fangversuch auf dem Boden. „Macht nichts, wir haben noch genug. Und es motiviert ungemein beim Üben, wenn man nichts fallenlassen will.“

Die Tomaten sind verbraucht, am Schluss klappt das Jonglieren ganz gut, aber der Küchenboden gleicht eher einer Tomatenrutschbahn. „Das machen wir nach dem Mittagessen wieder sauber. Jetzt erst mal Gemüseauflauf.“ 

Es schmeckt wirklich gut, die obligatorische Flasche Rotwein ergänzt prima. „Es hat sich gelohnt, dass du im Internet mal nach Wein vom Rewe recherchiert hast. Was spielen wir heute?“ – „Wir müssen nichts spielen, war doch ein langer Tag heute, wir gehen ins Bett.“

Die zufällig aufgetauchten Spielkarten liegen auf dem Wohnzimmertisch. „Teil mal aus, wir spielen Siebzehn-und-vier.“  – „Das haben wir als Kinder gespielt.“ – „Jeder bekommt 6 Karten. Wir spielen darum, wer was aufräumen muss.“

Zu meiner Überraschung verliert sie in der ersten Runde. „Okay, ich mache den Tisch sauber.“ – „Ist das alles?“ – „Ja, wir spielen noch ein paar Runden.“ Wie erwartet geht es für mich schlecht weiter, ich verliere: „Oh, da hast du aber Pech gehabt, der Boden ist ziemlich viel Arbeit.“ – „Warum ist denn jetzt der Boden dran?“

Auch das Polieren der Gläser (sie), das Schrubben der Küchengeräte (ich), das Spülen von Koch- und Essgeschirr (ich) und das Nachfüllen des Rotweins (sie) werden fair verteilt. Wir machen uns an die Arbeit. Während ich mit Putzeimer und Bodentuch wieder langsam Herr der Lage werde, ist sie nach Erledigung ihrer Sachen im Wohnzimmer verschwunden.

Ich höre laute Musik zwischen ACDC und Nickelback, dazwischen klirrt es aus Richtung Badezimmer. „Bist du noch nicht fertig? Du wolltest doch ins Bett gehen.“ Ich laufe ins Wohnzimmer, mache die Musik leiser und tropfe dabei mit meinem Feudel voller Tomatenreste den Boden voll.

Sie ist nirgendwo zu sehen, schließlich entdecke ich sie im Schlafzimmer. „Warum liegst du in meinem Bett?“ – „Du hast doch gesagt, dass wir ins Bett gehen.“ – „So war das nicht gemeint.“ – „Und wie war es gemeint?“ – „Jedenfalls nicht so.“

„Hast du mir eigentlich inzwischen eine Zahnbürste gekauft?“ – „Du hast doch eine eigene Wohnung, mit Bett und Zahnbürste.“ – „Hier ist es kuscheliger, findest du nicht auch?“ – „Ja, deshalb wohne ich ja auch hier.“ – „Siehst du.“ – „Was?“ Diskussion, warum Nerds so abweisend sind.

Langsam wird es hell, ich habe mein Kissen im Arm, die Bettdecke ist fast komplett weggezogen, hinter meinem Rücken ist Bewegung. Ich fühle eine warme Hand, die sich auf meine Hüfte legt, leicht kribbelt und dann in ein Kitzeln übergeht. Mit einer Bewegung schiebe ich mir das Kissen wieder unter den Kopf und drehe mich zu ihr herum.

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16 Mai 2025

Nerds Diary: Mir ist noch was eingefallen (S2/F6)

Mir ist noch was eingefallen (S2/F6)

Nerds Diary: Mir ist noch was eingefallen
„Mir ist noch was eingefallen.“ Es ist früher Morgen, sie hat an meiner Tür geklingelt, immer wieder, bis ich mich endlich aus dem Bett gewälzt habe. „Aber jetzt ist erst mal Zeit für die Morgengymnastik.“

Mir ist nicht nach Morgengymnastik, und wenn überhaupt dann erst nach dem Zähneputzen. Sie willigt ein, aber „schau mal in den Spiegel, du hast doch wirklich einen Oma-Schlafanzug an.“ Ich überhöre diesen Kommentar, schlurfe rüber ins Bad und höre sie in die Küche verschwinden, wo hoffentlich gleich die Kaffeemaschine startet.

„Was ist dir noch eingefallen?“ – „Der Einkauf gestern.“ – „Ja?“ – „Wir wollten doch was für dich kaufen.“ – „Haben wir doch“ – „Ja, nein, ich meine für die Freizeit.“ Diskussion, was ich in meiner Freizeit mache. Es muss doch Hobbys geben.

„Nein, ich bin Anwendungsmanager bei einer großen Bank.“ Während der unausweichlichen Figuren rund um Berg, Kobra, Herabschauender Hund, Vorbeuge ist Gelegenheit, die Frage nach meiner Freizeitgestaltung zu beantworten.

„An-wen-dungs-manager. Aber doch nicht den ganzen Tag. Das ist doch keine Herausforderung. Es gibt doch noch mehr in deinem Leben.“ – „Eigentlich nicht.“ – „Wie wäre es mit Kochen?“ – „Kann ich schon.“ – „Meinst du Pizza in der Mikrowelle warmmachen?“

Nachdem wir einen Single-Kochkurs herausgesucht haben, bei dem wir uns getrennt anmelden können, darf ich an den Computer. Es sieht alles ganz gut aus, keine Fehlermeldungen über Nacht, auch der Morgenjob ist problemlos durchgelaufen. Noch eine kurze Vorbereitung für ein Statusmeeting.

„Was machen wir heute Mittag?“ – „Der Kochkurs beginnt doch erst in zwei Wochen.“ – „Willst du bis dahin nichts essen?“ Der Kopf an der Tür verschwindet wieder, ich setze den Kopfhörer auf, begrüße meine Kollegen. Die Haustür schlägt zu.

Etwa eine Stunde später höre ich wieder Geräusche, sie scheinen aus dem Bad zu kommen. „Der Badezimmerschrank ist total altmodisch, halt mal fest, damit ich ihn abmontieren kann.“ – „Ich bin noch mitten in einer Sitzung.“

Wir montieren den Bausatz des neuen Schrankes, ich muss den Kollegen erzählen, dass ich mir den Magen verdorben habe und deshalb etwas länglich auf Toilette verschwinden musste. Ins Badezimmer kommt man aktuell gar nicht rein, weil da der alte Schrank, sein Inhalt, der neue Schrank, seine Verpackung und allerlei Werkzeug verteilt sind.

„Das wird so schön, nach dem Mittagessen gehe ich eine Runde joggen, vielleicht kannst du den Schrank aufhängen und einräumen.“ – „Keine Zeit. Wir müssen noch ein Deployment durchführen, die Kollegen brauchen meine Hilfe.“ – „Ach, die kriegen das schon alleine hin, wenn du in Urlaub wärst könnten sie es auch.“ – „Ich bin aber nicht in Urlaub."

Gegen Abend habe ich im Badezimmer wieder Ordnung geschafft, pünktlich zum Abendessen taucht sie wieder auf. „Macht es dir was aus, wenn ich noch schnell dusche?“ – „Konntest du das nicht bei dir machen?“ – „Ich wollte den neuen Badezimmerschrank einweihen. Und in der Zwischenzeit kannst du was Gesundes kochen. Ich habe verschiedene Gemüse eingekauft, such mal ein Rezept raus.“ 

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