Diese neumodischen Urlaube sollen ja mindestens so erholsam sein wie früher. Und dazu genau auf mich zugeschnitten, „Individualisierung“ heißt das Zauberwort. Die Urlaubsvorbereitung verläuft von vornherein anders als gewohnt, ich habe mich von bunten Bildern, positiven Berichten anderer Urlauber und dem Welcome-to-our-world-Kennenlern-Paket locken lassen.
Einigermaßen urlaubsreif werde ich zu einer Internetseite geleitet, die aussieht wie die Landingpage zum Paradies. Gleich, da bin ich mir sicher, schwebt ein alter weißer Mann mit Rauschebart auf einer Wolke über den Bildschirm, tröten liebliche Gestalten einen musikalischen Gruß und werde ich von einer Horde Engel flankiert, die sich im Laufe der weiteren Buchung nach und nach entblößen.
Ganz so kommt es nicht, aber ein Fragebogen poppt auf, rechts in der Ecke bietet ein Chatbot seine Dienste an, darüber blinkt ein Button „Extras“, darunter „geht nicht, gibt’s nicht“. Also auf zu den Fragen, fast komme ich mir vor wie bei einer Dating-Plattform, wird nach Alter, Geschlecht, Vorlieben, Urlaubswünschen und Ernährungsgewohnheiten gefragt.
Dann die erste Bilanz. Ich bin ein einfacher Kunde, simpel zu durchschauen und schnell in eine Standard-Rubrik einsortiert. Doch halt, was ist das: Die KI war der Meinung, eine vegane Ernährung würde mir guttun. Sie begründet die Entscheidung mit der Auswertung meiner Blutwerte, die sie mit meiner freundlichen Genehmigung von der Elektronischen Patientenakte bekommen hat.
Nein, vielen Dank, ich bleibe bei gemischter Ernährung, gerne mit Schwerpunkt Fisch. Das lässt sich ohne weiteres anpassen, dafür wird jetzt allerdings die Betthärte um eine Stufe erhöht. Begründung: Dadurch wird die Bewegung im Schlaf gefördert, was die durch die gemischte Ernährung torpedierte Verdauung wieder ins Gleichgewicht bringt.
Überhaupt wird mir ein Sportprogramm zusammengestellt, das zwischen den Ausflugstagen abwechselnd Cardio- und Krafttraining vorsieht. Entspannungsphasen sind nicht vorgesehen, nach Auswertung meiner Tätigkeit – mit meiner freundlichen Genehmigung von den Seiten meiner Personalabteilung ausgelesen – sind diese nur in ganz geringem Umfang notwendig.
Ein gewisses Defizit hat der Beratungsassistent in meinen Sozialstrukturen entdeckt. Ein zünftiger Männerabend im Stil vom Bierkönig ist für den zweiten Tag geplant, hierfür wurde mir automatisch All-inclusive zugebucht. Biertrinken bis zum Umfallen sollte ich mir mal gönnen, auch mal „loslassen und unter echten Männern die Natur herauslassen“ wie ich in der Begründungsspalte lese.
Ich bin froh, dass mein Sexualleben nicht auch noch analysiert und mir ein Aufenthalt im örtlichen Bordell in den Reiseplan eingetragen wird. Möglicherweise verbirgt sich das aber hinter dem Karaokeabend in einem Nachtclub. (Datenbasis sind meine frühere Mitgliedschaft in der örtlichen Musikschule und der häufige Besuch von Rock- und Pop-Konzerten.)
Ein weiterer Fragebogen folgt, erhebt noch Daten zu meinen Wünschen bezüglich Temperatur, Anreisedauer und Experimentierfreude. Es folgt eine Internetrecherche, der freundliche Bot auf der Bildschirmseite winkt mir aufmunternd zu. „Nur noch einen Augenblick, gleich geht es weiter. Wir ermitteln den optimalen Urlaub für Sie.“
Und da ist er: Der Bildschirm wird dunkel, dann erscheint ein Feuerwerk, Sterne leuchten auf, eine Erdkugel, die sich immer langsamer dreht, dann heranzoomt und zunächst auf der Deutschlandkarte hängenbleibt. Dann näher heran, offensichtlich die Mitte, doch, das ist Castrop-Rauxel, oder irgendwo dort in der Nähe ein Campingplatz, dann mit aufblinkenden Sternen markiert ein McFIT, eine Pilsstube und eine Tanzbar neben dem veganen Supermarkt zur Selbstversorgung.
Plopp, ist das Bild wieder weg. In Kurzform sind die Leistungen noch mal zusammengestellt, darunter die Knöpfe „(1) Zur Buchung“, „ (2) Weitere Individualisierung“ und „(3) Abbruch“.
Ich entscheide mich für Option drei.
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