Ich mache eine kleine Pause vom Einkaufsbummel und sitze in einem Bistro, um mich für den Mittag mit einem Salat zu stärken und nach einem Espresso in die nächste Runde zu gehen. Das Restaurant ist ziemlich voll, einzig der große runde Tisch neben mir ist aktuell unbesetzt.
Gerade geht die Tür auf, kalte Luft weht herein, ich drehe mich um. Zuerst sehe ich nur einen breiten Kinderwagen, dann die schiebende Mutter. Dahinter ein weiterer Kinderwagen, Ausmaße wie ein SUV mit Anhänger, eine weitere Mutter, dann ein Kind und zwei Männer.
Zielstrebig arbeiten sie sich auf den runden Tisch vor. Die Kinderwagen stoßen mal hier gegen einen Tisch, dort gegen einen Stuhl, die Gäste rücken zur Seite so gut es geht, aber der Platz reicht nun einmal nicht. Giftig fährt die erste Mutter eine junge Frau an und fordert sie auf, den Weg irgendwie freizuräumen.
Nach und nach erreicht die Karawane den Tisch. Was gerade noch an Dekoration und Decke darauf stand, muss der Kindervorbereitung weichen, zwei Wickeltaschen thronen jetzt an den noch nicht besetzten Plätzen, die Kinder in ihren Wagen sind offensichtlich unzufrieden und stimmen ein ohrenbetäubendes Geschrei an.
Ungerührt schälen sich die Erwachsenen aus ihren Jacken, winken die Bedienung heran, weil sie Kinderstühle brauchen. Damit kann das kleine Bistro nicht dienen, was zu lautstarken Diskussionen und der Betonung der Kinderfeindlichkeit in Deutschland, in diesem Ort, in diesem Restaurant führt.
Ziemlich fluchtartig sucht ein älteres Ehepaar das Weite, der freiwerdende Tisch wird zur Seite geschoben und die sich auftuende Lücke für das Parken eines der Kinderwagen verwendet. Zwei Gäste weniger, die man bewirten kann und immer noch ein Kinderwagen, der den Durchgang versperrt.
Jetzt ist das erste Kind aus dem Kinderwagen herausgehoben worden, weint und tobt noch immer, in den Babytaschen wird nach beruhigendem Spielzeug gesucht. Das größere Kind spielt inzwischen unter dem Tisch verstecken, stößt dabei mit dem Kopf an ein Tischbein und kommt heulend hervor. Die Geräuschkulisse hat sich zu einer Art dreistimmiger Fanfare entwickelt, einer der Väter versucht sich mit kräftiger Stimme durchzusetzen und eine Bestellung zu organisieren.
Die Bedienung bahnt sich einen Weg zum Tisch, wird scharf kritisiert, weil sie dafür den querstehenden Kinderwagen zur Seite rollen muss, während sie versucht, die im Lärm untergehenden Wünsche, Sonderwünsche und Abwandlungen der Menükarte zu einer Bestellung zu sortieren.
In ballettreifer Bewegung geht es auf der anderen Seite des Kinderwagens zurück zum Kuchenbuffet, wo eine Reihe Gäste bereitsteht, die unverzüglich zahlen möchte. Die Bedienung ist sichtlich überfordert, bringt aber erst mal Getränke zu dem Familientisch, um sich ein wenig Zeit zu verschaffen.
Keine gute Idee, denn der Junge hat jetzt einen Wutanfall und wirft das Glas mit irgendeiner Limonade auf den Boden, das Glas zerspringt, die Limo spritzt, ich merke, wie mein rechtes Hosenbein nass wird. Die Eltern sind betroffen und sichtlich bemüht, das aufstampfende Kind zu beruhigen und natürlich muss jetzt schnellstmöglich eine neue Limonade her.
Etwa zehn Minuten später sind diverse Tortenstücke, Eisbecher, Kaffee und Limonaden auf dem Tisch, das Lokal leert sich, nur an der Theke sind noch ein paar Kunden, die To-go einkaufen. Hatte ich gedacht, dass es ruhiger wird, dann war das eine Fehleinschätzung. Die beiden Kleinkinder jeweils auf dem Schoß ihrer Mütter sind mit Löffeln ausgestattet, mit denen sie um die Wette auf die Tortenstücke einschlagen. Die Sahne spritzt durch die Gegend, am Besteckschrank laufen weiße Sahne-Rinnsale herunter.
Endlich kommt ein junger Mann als weitere Bedienung dazu, er beginnt mit einem Schrubber die Limonadenlache unter dem Tisch zu entfernen und die Glassplitter wegzufegen. Der Junge schaut ihm einen Moment zu, dann springt er mitten in den zusammengefegten Haufen, das Glas knirscht unter seinen Schuhen, Splitter verteilen sich im gesamten Umkreis, die Limonadenpfütze spritzt.
Der Kellner wird wütend, sein Gesicht läuft rot an, er öffnet den Mund, wird aber energisch von seiner Kollegin weggezerrt, bevor er etwas sagen kann. „Halt bloß die Klappe“, höre ich sie zischen, „sonst sind wir auch noch ausländerfeindlich.“ Und tatsächlich scheint die Gesellschaft eher auf Angriff als auf Entschuldigung aus zu sein, die entstandene Sauerei scheint sie nicht sonderlich zu beeindrucken.
Irgendwann wird dann bezahlt, in aufwändiger Arbeit werden die Kleinkinder in die Kinderwagen verfrachtet, der Junge umrundet in Bestzeit den Tisch, wobei er mal hier, mal dort gegen einen Nachbartisch stößt und die noch verbliebenen Gäste ihre Not haben, Teller und Gläser soweit zu sichern, dass sie nicht auch noch auf dem Fußboden landen.
Es wird ruhig, nach einem kalten Luftstrom schließt sich die Tür hinter den Familien. Die beiden Bedienungen kommen und fangen an, das Durcheinander zu ordnen, die Möbel abzuwischen und den Boden so gut es geht zu reinigen.
„Es sind halt Kinder.“, sagt eine ältere Frau zu ihrem Mann, „Da kann man nichts machen.“
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