Ein paar Tage Entspannung werden mir guttun. Da sind sich mein Chef und die Kollegen einig. Jetzt stehe ich also im kurzfristig gebuchten Hotel, habe gar nicht so ganz in Erinnerung, was ich auf irgendeiner Plattform gebucht habe. Frühstück war bestimmt dabei, da bin ich mir sicher, aber alle anderen Leistungen werde ich mir gleich mal vom Empfangschef erklären lassen.
„Castro“ lese ich auf seinem Namensschild, „Fidel“ denke ich und lächle ihn an. Er ist ein grauhaariger Mann mittleren Alters, der sicher schon lange in seinem Beruf tätig ist. „Gäste willkommen“ scheint auf seiner Stirn zu stehen.
„Guten Tag“ tönt seine sonore Stimme, „ich freue mich, Sie zu einer Auszeit in unserem Wellness-Hotel begrüßen zu dürfen. Wie ich sehe, haben Sie bislang nur das Basispaket gebucht. Das ist eine gute Wahl. Gerne stelle ich Ihnen ein paar weitere Annehmlichkeiten vor, die sie gerne hinzubuchen können oder sich optional für das Premium- oder Luxuspaket entscheiden können.“
„Eigentlich bin ich ein wenig müde von der Reise und würde gerne erst mal nur auf das Zimmer gehen, um mich auszuruhen.“ – „Selbstverständlich. Die Wünsche unserer Gäste sind uns heilig und unser Haus steht für einfühlsamen Umgang mit den Kunden. Darf ich Ihnen kurz für die Steigerung Ihres Kundenerlebnisses ein paar Besonderheiten erläutern. Beginnen wir mit der Wahl der Matratzen. Auf einer Skala von 1 bis 5: Wie weich soll die Unterlage sein?“
„Ich weiß Ihre Beratung zu schätzen, aber wirklich, ich bin erschöpft und möchte erst mal ein kurzes Nickerchen machen. Von mir aus auf Matratze Stufe 3. Nein, etwas weicher, sagen wir 2, wenn Sie schon fragen. Aber alle weiteren Fragen würde ich dann heute Abend oder morgen klären wollen.“
„Gute Wahl, lieber Herr. Ich selbst bevorzuge auch Stufe 2. Und die Dame dort drüben hat sich auch für diese Härte entschieden. Gerne frage ich sie, ob wir die Zimmer zusammenlegen sollen.“ – „Nein, was denken Sie? Ich möchte mein Einzelzimmer, keine weitere Belegung, verstehen Sie, ich möchte mich einfach nur erholen. Härtestufe 2, ein Zimmer bitte.“
„Wieso, gefällt Ihnen die Dame nicht? Sie hat vor einer Viertelstunde eingecheckt und war sehr freundlich. Übrigens auch alleinreisend. Haben Sie etwas gegen andere Gäste? Soll ich Sie lieber in unserem Gästehaus am Ende der Straße unterbringen? Dort sind derzeit sehr wenige Gäste, aber es liegt ein wenig abgelegen und zum Essen müssen Sie ins Haupthaus kommen.“
„Besten Dank, wie gesagt, ich möchte gerne ein Zimmer im Haupthaus. Ein Einzelzimmer, Matratze Härtestufe 2.“ – „Und die Dame?“ – „Wie meinen Sie das? Was ist mit ihr?“ – „Soll ich sie nun fragen oder nicht? Wobei ich darauf hinweisen darf, dass der Preis für zwei Einzelzimmer über dem für ein Doppelzimmer mit Matratzen Stufe 2 liegt und sie sich den Vorteil ja teilen können. Und wenn Sie möchten, kann ich die Betten auch auseinander schieben lassen.“
„Sehr freundlicher Hinweis. Aber ich bevorzuge das Einzelzimmer für mich alleine. Den Schlüssel bitte.“ – „Oh, ich vergaß völlig zu erwähnen, dass bei den Doppelzimmern auch ein Besuch im Spa mit Wellnessbehandlung inkludiert ist. Ein weiterer Vorteil für sie beide. Unsere Gäste lieben besonders die Hydrojet-Massage. Gerade wenn Sie besondere Erholung möchten, ist das eine interessante Option für Sie.“
„Bestimmt. Ich denke gerne noch einmal darüber nach. Allerdings brauche ich jetzt eine Pause und wäre mit einem Zimmer hier im Haupthaus sehr zufrieden.“ – „Also, wenn Sie sich für die Hydrojet-Massage interessieren, dann habe ich etwas ganz Besonderes für Sie. Gegen einen kleinen Aufpreis kann ich Ihnen ein Upgrade zu einem Zimmer mit Wasserbett anbieten. Die Härte kann ich Ihnen auf Stufe 2 einstellen lassen, aber die Entspannung ist schlicht einmalig. Nehmen Sie mich beim Wort und greifen Sie zu.“
„Wenn das die Möglichkeit ist, jetzt endlich die Stunden bis zum Abendessen Ruhe zu bekommen, dann nehme ich das Wasserbett.“ – „Großartig! Wir kombinieren übrigens diese Zimmer der Luxus-Kategorie mit einem diskreten Zimmerservice, der wird auch der Dame sehr gut gefallen.“ – „Was hat das denn jetzt schon wieder mit der Dame zu tun? Ich möchte nicht mit dieser Dame in ein Zimmer, weder in ein Einzelzimmer, noch in ein Wasserbettzimmer, noch in ein Sonstwie-Zimmer.“
„Sie sind aber wenig gesellig, vielleicht Einzelkind? Entschuldigung, das geht mich natürlich nichts an. Und auch Ihr Liebesleben interessiert mich nicht. Aber aus langjähriger Erfahrung wird die Entspannung in unserem Haus von unseren Gäste sehr positiv bewertet, vor allem, wenn sie gemeinsame Erlebnisse teilen. Aber das ist selbstverständlich Ihre Entscheidung. Was darf ich denn jetzt für Sie buchen?“
„Ein Ein-zel-zimmer. Mit oder ohne Wasserbett. Matratzenhärte egal. Irgendwas, Hauptsache ruhig und jetzt.“ Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie die Dame sich aus dem Sessel in der Lounge erhebt, ihren Rollkoffer nimmt und in unsere Richtung marschiert. Sie hat ihren Empfangssekt noch nicht ganz ausgetrunken, hält dem Rezeptionist aber das Glas noch einmal hin und lässt auffüllen. „Prost“ sagt sie zu mir, „haben Sie auch so Schwierigkeiten, sich in dem wunderbaren Angebot dieses Hotels für das richtige Zimmer zu entscheiden?“
Sie ist mindestens zwanzig Jahre älter als ich, wirkt fröhlich und noch recht spritzig. Eine nette Person, mit der man bestimmt gut wandern und dann mal ein Glas Wein trinken kann. „Ja“, sage ich, „Castro hat mir gefühlt alle denkbaren Optionen dargestellt, aber ich bin total fertig und brauche jetzt erst mal nur eine Mütze Schlaf.“ – „Das ist doch ganz einfach, machen Sie es wie ich: Ich habe mich für ein Zimmer mit Wasserbett entschieden. Kommt kein Gast mehr, habe ich das Zimmer für mich und zahle nur wie ein Einzelzimmer. Falls sich noch jemand für dieses Zimmer entscheidet, muss ich den zweiten Gast akzeptieren und zahle es als Premium-Doppelzimmer.“
Es dauert einen Moment, bis bei mir der Groschen fällt. Ich schaue sie an, schaue Castro an. Er blickt angestrengt auf seinen Computer, murmelt etwas von Synergien, von möglichen Optionen und der Erfüllung von Gästewünschen. „Ach“, sage ich, „ich glaube, ich fange mit der Hydrojet-Massage an. Vielleicht bin ich danach so ausgeruht, dass ich mich dann für ein Zimmer entscheiden kann. In der Zeit können Sie der Lady hier ja schon mal den Weg zum Premiumzimmer zeigen. Und mir eine Matratze Härtestufe 2 bereitlegen, die ich dann in eines der Basiszimmer gelegt bekomme.“
Abonniere den Kanal Eckhards Blog By Dr.-G auf WhatsApp
[Andere Blogs: Interdisziplinäre Gedanken - Dienstliche Glossen]
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen