Drogenangebot in der Oase
Als ich am nächsten Morgen aufwachte war die Welt wieder normal. Das morgendlich träge Leben auf dem Dorfplatz hatte eingesetzt, der Busfahrer hatte schon mal den Motor angelassen und ich hörte, wie sich die ersten Fahrgäste in Bewegung setzten. Für ein Frühstück war es zu spät, an Waschen war auch nicht mehr zu denken, stattdessen zog ich mir in aller Eile wieder die Klamotten an, raffte meine Sachen zusammen und stopfte alles in den Rucksack.
Ziemlich erleichtert stellte ich fest, dass mein aufdringlicher Genosse nicht zu sehen war, gab dem Wirt ein paar Münzen und winkte der Wirtstochter im Hinauseilen freundlich zu. Mit ihrem groben Gesicht und der viel zu großen Nase wirkte sie ein wenig wie ein Holzschnitt in einer Krippe, in der die Hirten um das Jesuskind stehen. Aber sie lächelte und ein wenig Bedauern über meine Abreise schien in ihren Augen zu stehen.
Doch egal, denn jetzt hatte ich nur noch den Bus im Sinn, warf meinen Rucksack auf das Dach, wo er mit allerlei anderem Gepäck festgezurrt wurde. Wider Erwarten konnte ich noch einen Sitzplatz ergattern, das uralte Männlein neben mir hatte einen leeren Käfig auf dem Schoß und erzählte mir zahnlos eine bewegende Geschichte, von der ich allerdings kein Wort verstand.
Es dauerte noch eine ganze Weile, immer wieder rumpelte es auf dem Dach, dann kamen wieder einige zusätzliche Reisewillige in den Bus. Es wurde zunehmend heißer, einerseits wegen der aufsteigenden Sonne, andererseits wegen der vielen Personen, die sich hier auf engem Raum aneinanderschoben.
Noch bevor sich das völlig überladene Gefährt in Bewegung setzen konnte stieg noch eine mittelalte Frau mit Babybauch ein. Alles rückte zur Seite und mir blieb nichts anderes übrig als meinen schönen Sitzplatz anzubieten. Auch das ist ein Stück Kultur, dachte ich, es geht eben nicht nach Bezahlung oder der Reihenfolge, sondern nach der Bedürftigkeit.
Stehend, eingequetscht zwischen genauso schwitzenden Menschen, ging jetzt die bekannte Diskussion zur nächsten Reiseetappe los. Im Gewirr der Stimmen hörte ich mal diesen, mal jenen Ortsnamen und im Gegensatz zu den anderen Passagieren war es mir ziemlich egal, Hauptsache es ging endlich los und ein wenig Fahrtwind führte zumindest zu einer Linderung der Hitzewallung.
Mehr oder weniger überraschend schnell fuhr der Bus dann doch los, so wie es schien in die entgegengesetzte Richtung aus der ich gekommen war. Sehr gut, denn so kam ich ein wenig vom Landesinneren in Richtung Meer. Noch während ich das dachte fühlte ich auf einmal einen Po gegen mich drücken, wegen der Enge vielleicht zufällig, aber das glaubte ich einfach nicht. Da, jetzt wieder, ein Schlagloch in der Straße, aber ganz so fest hätte die Berührung nicht sein müssen.
Ich schaute vor mich, da stand eine Frau, mindestens doppelt so alt wie ich, volles schwarzes Haar, braune Arme mit einem leicht goldenen Glanz und das Ganze in einer Art weiten Kaftan gehüllt, in dem man die Form ihres Körpers nur erahnen konnte – wenn man denn wollte. Ich wollte eigentlich nicht, wurde aber bei jeder Unebenheit daran erinnert, dass ich nur eingeschränkt Herr der Lage war.
Während sie also ihren Hintern an mir rieb unterhielt sie sich über den Lärm des ratternden Autos hinweg mit anderen Leuten vor ihr, tauschte mit ihnen Rezeptideen aus, erzählte von Rindern, ausbleibendem Regen und von der Hitze, die sie so anstrengte. Nein, wurde mir klar, dass sie sich an mich drückte, dass ich mal die rechte, mal die linke Pobacke an mir spürte, das war sicher Zufall und hatte keinerlei absichtlichen Hintergrund.
Der Bus würde noch bis in die Dämmerung weiterfahren, dabei immer mal wieder Halt machen und den einen oder anderen Fahrgast entlassen oder aufnehmen. Und zwischendurch in der schlimmsten Mittagshitze in irgendeinem Weiler Stopp machen, um mit dem Busfahrer eine Siesta einzulegen.
Allmählich wurde die Landschaft ein wenig grüner, gab es hier und da so etwas wie Bäume, die Staubwirbel hinter unserem Bus wurden ein kleines bisschen kürzer. Ganz offensichtlich kamen wir in Reichweite des schmalen grünen Streifens, von dem mir ein paar andere Tramper erzählt hatten. Der sollte sich vom Meer durch ein seltsames Mikroklima bis einige Kilometer ins Landesinnere ziehen und dabei in einem kleinen Gebiet ganz anderen Tieren und Pflanzen eine Heimat geben.
Neugierig schaute ich aus dem Fenster, durch die Staubschicht sah ich tatsächlich seit Wochen das erste kräftige Grün. Meine Pofreundin hatte sich jetzt wohl ein anderes Opfer gesucht und schnatterte unvermittelt auf den zahnlosen Alten ein, neben dem ich vorhin gesessen hatte. Mir war das durchaus Recht und so freute ich mich, als die Fahrgäste wie gewohnt demokratisch zur Mittagspause in dieser Art Oase abstimmten.
Wir saßen im Grünen, tranken etwas, eine Art Wirtshaus gab es hier und mit der landestypischen Trägheit wurden allerlei Nahrungsmittel ausgeteilt. Jetzt kam auch meine ungeliebte Bekanntschaft auf mich zu und auf einmal wurde mir klar, dass sie etwas anzubieten hatte. Aus ihrer Kleidung zog sie ein kleines Paket, deutete darauf und bot mir an, es bei ihr zu kaufen. Selbst einem eher unbedarften Zeitgenossen wurde klar, dass es hier um Drogen ging.
Mit freundlicher Geste ließ sie wissen, dass ich an ihrem Angebot kein Interesse hätte. Aber sie blieb an mir dran, setzte sich neben mich und hielt mir eine kleine Probe unter die Nase. Nein, wollte ich ihr bedeuten, ich nehme keine Drogen, Alkohol vielleicht, aber nichts was man rauchen, schnupfen oder sonstwie konsumieren kann.
Sie beugte sich vor, ihr mächtiger Busen war mehr oder weniger unverhüllt zu sehen und sollte wohl als Verkaufsargument ins Rennen gehen. Ich strahlte sie an, wollte sie nicht beleidigen, aber weder an ihrem Körper noch an ihren Pülverchen hatte ich das geringste Interesse. Entweder verstand sie mich nicht, oder sie war einfach nur hartnäckig. Jedenfalls ließ sie nicht von mir ab, verteilte ihre Probe auf dem Teller, nahm selbst ein bisschen, streckte ihre Hand in meine Richtung und wollte mich animieren selbst auch mal zuzugreifen.
Ich blieb genauso beharrlich wie sie und freute mich, als sie endlich doch noch den Tisch wechselte und mich in Ruhe ließ. Diese Oase war eine wundervolle Abwechslung, zwar war die ein klein wenig abnehmende Hitze mit einer umso deutlicheren Zunahme der Luftfeuchtigkeit zusammen gefallen, aber die herrliche Vegetation und die Aussicht auf etwas kühlere Nächte ließen mich durchatmen.
Entsprechend lag es nahe, dass ich zum Bus schlenderte, meinen Rucksack vom Dach holte und den Wirt nach einer Unterkunft fragte. Wie sich herausstellte war es gar nicht so unüblich hier Station zu machen und es war geradezu ein Zufall, dass ich noch ein Zimmer ergattern konnte, das ich mir allerdings mit einem anderen Mann teilen musste. Ich willigte ein und stellte ein wenig überrascht fest, dass mein Zimmergenosse der zahnlose Alte war.
Ich warf mich auf das Bett, zog das Moskitonetz zusammen und verfiel in die gewohnte Trägheit, das Letzte was ich noch mitbekam war der offensichtlich überall im Land übliche Deckenventilator, der in gewohnt langsamer Bewegung seine Runden über meinem Bett zog.
-> [Episode 4]
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