24 Juni 2022

Dream A Little Dream Of Me

Ich liege auf dem Dach der Garage. Heute Nachmittag habe ich mir eine Leiter aus dem Gartenhaus geholt, habe eine Luftmatratze hochgebracht und aufgeblasen. Nun ist die Sonne fast verschwunden, es dämmert und der Mond steigt langsam auf. Die Grillen sind noch wach, veranstalten ihr sommerliches Konzert. Über mir ziehen die abendlichen Wolken dahin, sie formen immer neue Bilder, Bilder von Dir.
Ein paar Sterne sind schon zu erkennen, und ein laues Lüftchen scheint „Ich liebe dich“ zu flüstern. Vereinzelt ein paar verspätete Vögel, die sich aus dem Kirschlorbeer einmischen. Ob Du auch gerade von mir träumst? Magst Du mich küssen und mir eine gute Nacht wünschen? Oder mich einfach nur an Dich drücken und sagen, dass Du ohne mich einsam bist?

Der Duft von gemähtem Gras liegt in der Luft. Wenn ich meinen Kopf drehe und meine Wange auf dem Handtuch liegt, meine ich fast Deine weiche Haut zu fühlen. Vielleicht hätte ich vorhin nichts trinken sollen, und vielleicht würde mir eine Lampe jetzt gute Dienste leisten. Aber ich liege einfach nur hier, sehe den verblassenden Wolken zu, die von den zunehmend funkelnden Sternen abgelöst werden.

Ich würde jetzt gerne mit Dir hier liegen, bis zum Morgengrauen. Süße Gedanken, bis uns die ersten Sonnenstrahlen aus unserer Traumwelt küssen. Eine Traumwelt, in der wir beide vorkommen, träume einen kleinen Traum von mir. Ob Du Dich auch nach meinen Küssen sehnst? Oder Dich in Gedanken an mich kuschelst? Wird Dir auch so warm ums Herz, wenn Du an mich denkst?
Ach, wie die Sorgen verschwinden, wie das Leben sich auf einen Punkt zusammenzieht. So rein und strahlend nur eines bleibt, was zählt. Die große Liebe, die nur wir gefunden haben und die uns nie wieder verlassen wird.

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17 Juni 2022

Nachts unterwegs (5+6/6)

[Bisherige Folgen: Nachts unterwegs (1-2/6) und (3-4/6)]

Nachmittags waren wir zu unserem Ausflug gestartet, der Aktionsradius ist ja mit unseren Rollatoren nicht mehr so groß wie früher zu Fuß. Aber durch das gute Wetter verführt hatten wir uns für einen Waldweg entschieden, der in einen Trampelpfad überging. Das wollten wir nun wirklich nicht als Hindernis stehenlassen, tapfer schoben und hoben wir die Gehhilfe vor uns her, mal musste ich dir über eine Wurzel helfen, mal steckte einer meiner Reifen in einer Kuhle fest.

Insgesamt war es schon recht anstrengend, und da wir diesen Weg schon ewig nicht mehr genommen hatten, waren wir unsicher, ob wir uns vielleicht am Ende sogar verlaufen hatten. Mehr oder weniger erschöpft ließen wir die Gefährte stehen und setzten uns auf einen Baumstamm. „Ach“, seufzt du, „wir könnten jetzt so schön zu Hause sitzen, auf der Terrasse. Die Sonne geht schon unter, wir müssen uns beeilen, damit wir nicht in die Dunkelheit kommen.“ Und tatsächlich ist der Tag schon fortgeschritten und mit unseren schlechter werdenden Augen wäre es gar nicht gut, wenn wir diesen unwirtlichen Weg in der Dämmerung gehen müssten.

Also rappeln wir uns wieder auf, nicht ohne vorher zu beraten, in welcher Richtung wir am schnellsten wieder zu unserem Haus kommen. Den Weg zurückzugehen wie wir gekommen waren scheint die sinnvollste Lösung, allerdings haben wir da auch einige Bögen gemacht und könnten sicher abkürzen. „Aber wir kennen uns hier nicht gut aus, lass uns lieber den Weg genauso zurückgehen.“ Wenn das so einfach wäre. Das Licht hat vom strahlenden Sonnenschein zu einem verhaltenen rötlichen Sonnenuntergang gewechselt, in anderer Richtung sieht alles ganz anders aus. Und waren wir an der Kreuzung vorhin von links oder von rechts gekommen. Ich erinnere mich nicht genau, du bekommst langsam die Panik und ich muss dich beruhigen, dass wir wieder unsere gewohnte Route finde, obwohl ich selbst auch Angst bekomme. Hätte ich doch nur das Handy dabei, eine Karte oder mir ein paar Orientierungspunkte gemerkt. Aber diese Erkenntnis kommt im Moment zu spät, ich muss den Anführer spielen ohne den Weg zu kennen. Sind wir vorhin an diesem Holzstapel vorbeigekommen oder sollte ich diesen Jägerhochsitz wiedererkennen? Da vorne das Schild, was stand da noch drauf, ist es der Wegweiser zum Aussichtspunkt? Meine Kräfte lassen nach, schon wieder stoßen die Reifchen gegen irgendein Wurzelwerk. Dir geht es ähnlich, auf Asphalt ist die Fortbewegung für uns schwer genug, im Wald aber noch viel mühsamer.

Doch dann kommt uns doch der herannahende Abend zu Hilfe. Recht weit entfernt noch, aber doch deutlich zu erkennen sehe ich zwischen den Bäumen Laternen aufleuchten. Das macht Hoffnung, du hast es auch gesehen und wir nehmen unsere Kraft zusammen, während wir uns gegenseitig versichern, dass der Ausflug für uns alte Leute nun mal eine Herausforderung war. Aber eine, die wir auch noch gemeistert bekommen.

*

Ich liege im Bett, kann mich seit dem Schlaganfall nur noch sehr eingeschränkt bewegen. Meine Zunge macht nicht mehr so richtig mit, sprechen ist ziemlich anstrengend und an manchen Tagen gar nicht mehr möglich. Vermutlich auch durch die zahlreichen Medikamente bin ich dauerhaft müde und selbst das Denken fällt mir ausgesprochen schwer. Düstere Gedanken wechseln sich mit tiefer Traurigkeit ab, die Perspektivlosigkeit meiner verbleibenden Lebenszeit führt zu fortwährender Todessehnsucht und Selbstmordgedanken. Einzige Aufmunterung ist die ausländische Pflegerin, die Tag und Nacht mein Bett umschwärmt, mein Kissen hochzieht, mir einen Tee bringt und mich dabei jedes Mal liebenswürdig anstrahlt. Sie weckt Erinnerungen an meine aktive Zeit des Lebens, das Herumtollen im Park, erlebte Abenteuer und die Liebe zu meiner Frau. Dann schließe ich die Augen, es wird dunkel und die Dämmerung legt sich über meine Gedanken. Ich glaube mir gelingt noch ein Lächeln, während mein Geist sich in die Nacht verabschiedet.

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09 Juni 2022

Nachts unterwegs (3+4/6)

[Bisherige Folge: Nachts unterwegs (1-2/6)]

Es war schon im zweiten Jahr zur Tradition geworden, uns kurz vor dem Advent im Ferienhaus zu treffen. Am frühen Nachmittag kamen wir aus allen Himmelsrichtungen zusammen, rund ein Dutzend feierfreudiger Kurzurlauber. Dann wurde erst mal gesichtet, was wir so mitgebracht hatten und was noch fehlte. Irgendwie kam immer eine gute Verpflegung zusammen, hatten wir Vorspeise, meist einen Auflauf und natürlich Kuchen oder Nachtisch auf dem Buffet. Als nächstes noch die Vorbereitung der Übernachtung, da wurden Sofas mit Laken bezogen, Klappbetten aus dem Keller hochgeschleppt und Schlafsäcke ausgerollt.

Langsam ging es dann mit diversen überwiegend alkoholischen Getränken in den gemütlichen Teil über. Das Essen nahm seinen Lauf, die Gespräche wurden lebhafter, so viel passiert seit dem letzten Treffen, was erzählt werden musste. Und als Höhepunkt zu vorgerückter Stunde dann Licht aus und in großer Zeremonie eine Feuerzangenbowle. Der Zuckerhut mit dem Rum tropfte mit zuckenden Flammen in die Rotweinbowle, Orangenscheiben und Zimt schwammen auf der Flüssigkeit und immer wieder übergießen mit langem Löffel, bis auch das letzte Flämmchen erloschen war. Die Gläser gefüllt und bei Kerzenschein in weiter gesteigerter Lautstärke unser Austausch von Anekdoten und Erlebnissen.

Eigentlich hätte man jetzt ins Bett gehen können, aber irgendwer kam auf die Idee, noch mal raus zu gehen, eine Nachtwanderung zu machen. Wir waren alle angetrunken und draußen war es rabenschwarze Nacht, aber die Abenteuerlust packte uns. Also Schuhe an, raus und die Straße bergan in Richtung Wald. Hier war noch ein wenig Licht vom Dorf, aber nach Erreichen der ersten Bäume konnte man seine Hand vor den Augen nicht mehr sehen. Wir stolperten voran, es war gar nicht so einfach, auf der Straße zu bleiben. Es war ein Gegacker und Gelächter, die kalte Nachtluft ließ uns nüchtern werden und wir stimmten ein Wanderlied an, nahmen uns bei den Händen und liefen in der Kette weiter zum Sportplatz.

Nach einer Laufrunde um das Spielfeld waren wir mächtig außer Atem, aber eine Runde lief ich noch, auch wenn sich die Gruppe langsam auflöste. Ein Pärchen fing an zu knutschen, ein paar Jungs stellten sich hinter einen Baum zum Pinkeln, meine Freundin begann zu quengeln und wollte langsam wieder nach Hause marschieren. Und so setzte sich der bunte Trupp in bester Laune wieder in Bewegung, diesmal bergab und kroch müde aber glücklich in die unterschiedlichen Schlafgelegenheiten.

*

Was für eine laue Sommernacht. Trotz später Stunde ist es immer noch hell, wir sitzen nach dem Abendessen noch auf der Terrasse. Plötzlich willst Du noch mal losfahren, einfach das Cabrio aus der Garage holen, Verdeck auf und irgendwo hin.

Es ist diese streichelwarme Luft, der Duft von Sommerblumen und das leise Schnurren des Motors, während wir unter den langsam erkennbaren Sternen dahinrollen. Wir haben kein Ziel, die Landstraße erstreckt sich in weiten Bögen vor uns und ich fahre so langsam, dass unser Ausflug dem Begriff Motorwandern gerecht wird.

„Ja“, sage ich zu dir, „vor ein paar Jahrzehnten wären wir jetzt noch mal ausgestiegen und hätten die Wanderschuhe angezogen.“ „Ja, und…?“, ist deine Antwort, „wozu brauchen wir die Wanderschuhe?“ Gesagt getan, wir halten an, Verdeck zu, in die Dämmerung und in den Wald hinein. Nein, allzu weit wollen wir nicht, aber ein wenig die Gegend erkunden, einen schönen Aussichtspunkt finden und von dort den Sonnenuntergang genießen. Und tatsächlich finden wir eine kleine Schonung mit Blick über die Nachbarorte, hier und da ist schon Licht an, wir setzen uns auf einen Baumstamm, hören den Grillen beim Zirpen zu und ich schließe die Augen. Einen Moment denke ich an Urlaub, an den Geruch der Macchia auf Korsika, an mediterrane Altstädte und die frische Luft in den Pinienwäldern.
Vielleicht hast du ähnliche Gedanken gehabt, jedenfalls lächelst du, wir drücken uns ganz fest aneinander und versprechen uns, dass wir diesen schönen Ausflug demnächst mal wiederholen.

[Fortsetzung: Nachts unterwegs (5-6/6)]

03 Juni 2022

Nachts unterwegs (1+2/6)


Ich habe das immer gehasst. Wenn mein Sportlehrer beim Klassenausflug mit seinen Spielen anfing. Das musste dann zünftig zugehen, wie es sich für Jungs gehört. Eine seiner tollen Ideen war eine Nachtwanderung zu unbekanntem Ort, allerdings von verschiedenen Trupps ausgespäht und verteidigt. Da ging es um Losungen, um Dresche für die Gegner und Davontragen eines einmaligen Sieges. Nichts dabei, was mich gereizt hätte.

Also raus aus der Jugendherberge, Mannschaften eingeteilt und erst mal in die vier Himmelsrichtungen geschickt. Mir war gar nicht wohl dabei, insbesondere, weil ich in einer Gruppe nicht gerade kampferprobter Mitstreiter gelandet war. Die Dunkelheit brach herein, wir hockten uns an einen Baum und berieten einen Plan. Die anderen Mannschaften waren nicht zu sehen oder zu hören, wir konnten sie einfach machen lassen und hier darauf warten, dass das Spiel ohne uns zu Ende ging. Aber dieser ziemlich schnöde Plan ließ sich dann doch nicht umsetzen, weil es um uns herum im Unterholz zu knacken anfing. Ich bekam es mit der Angst zu tun, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit würden sich die Raufbolde auf uns stürzen, endlich die Gelegenheit ergreifen, und unserer schulischen Überlegenheit ihre körperliche Überlegenheit entgegensetzen. Blaue Flecken und tagelange Schmerzen inbegriffen.

Ganz so schlimm kam es dann doch nicht, ein wenig Rangelei, dann konnten wir den Trupp überreden, mit uns gemeinsame Sache zu machen und am Ende sogar den Schatz als erste zu finden und in die Jugendherberge zu bringen.

*

Walking through a winter night, Counting the stars And passing time. Du hattest den einen Stöpsel vom Kopfhörer im Ohr, ich den anderen. Der Walkman dudelte diese schöne Ballade von den Scorpions, in meiner Hand deine kleine Hand im Fäustling. Wir wanderten am zugefrorenen Fluss entlang, es war eisig kalt und beim Ausatmen konnte man den Atem gegen die Straßenlaternen sehen. Alle paar Schritte blieben wir stehen, küssten uns und konnten gar nicht genug davon bekommen. Deine warme Zunge hinter kalten Lippen und rote Ohren, die wir aneinander rieben. Der Weg führte uns an der ehemaligen Stadtmauer vorbei, historische Leuchten hingen herab und verbreiteten ein schummriges Licht. Dann durch ein Stadttor in die Altstadt, wir schlenderten hindurch und blieben hier und da vor einem der verschlossenen Geschäft stehen. Bis auf einige wenige Weinlokale war alles zu und der hohe Schnee sorgte dafür, dass auch kaum andere Leute auf der Straße waren.

Wir spulten den Walkman zurück, noch mal Lady Starlight, noch mal deine Hände in meinen und wir drehten uns im Kreis bis uns schwindelig wurde und wir langsam nach Hause mussten.

[Fortsetzung: Nachts unterwegs (3-4/6)]

[Andere Blogs: Interdisziplinäre GedankenDienstliche Glossen]