05 Dezember 2025

Das war gar nicht Sabine

Mir gegenüber die junge Frau, Schal bis über die Ohren hochgezogen, die Haare recht eigenwillig, ein wenig zerzaust. Darunter ein zartes Gesicht, kaum Makeup; kein Nagellack, naturschön eben. Sie erinnert mich an meine Bekanntschaft Sabine aus der Studentenzeit und mir wird warm ums Herz. Nicht, dass sie so schön wäre, auch nicht, dass ich damals etwas für Sabine empfunden hätte. Es ist viel mehr die Verbindung zu einer Zeit, einer Lebensphase, dem Gefühl von damals.

Das war gar nicht Sabine
In den letzten Tagen erlebe ich das immer mal wieder, freue mich mal über eine Szene, einen Geruch manchmal, eine bestimmte Musik. Was ich dann unbewusst in den Kontext irgendeiner Erfahrung oder Erinnerung gestellt bekomme.

Wie Pizza: Manchmal ist es weniger der besondere Gaumenschmaus, vielmehr irgendetwas zwischen Lebensgefühl, dolce vita, Urlaub, schönen Stunden, Rotwein und Entspannung im Trubel eines italienischen Restaurants.

Der Frühling, das aufknospende Grün. Das ist nicht einfach nur schön, es ist die Aussicht auf den Sommer, auf das beginnende Vegetationsjahr, auf Saft und Wachstum. So wie wir staunend vor Kindern stehen, ihnen beim Wachsen zuschauen und uns fragen, ob wir jemals auch so klein waren. Und sie trotz ihrer Unbeholfenheit um diese Lebensphase beneiden.

Da bleibt gar nicht so viel Platz für Faktenwissen übrig, ist das Leben doch deutlich stärker geprägt von Gefühlen. Vielleicht Lust, vielleicht Schmerz, aber selbst sehr nüchterne Menschen verbinden Szenen mit Eindrücken wie Wärme, Kälte und Gerüchen, Enge oder Lichtverhältnissen. Und die kommen wieder, rufen Erinnerungen hervor.

Die junge Frau steht auf, bereitet wohl vor, an der nächsten Haltestelle auszusteigen. Nein, mache ich mir klar, sie sieht nicht aus wie Sabine, hat auch nicht ganz ihre etwas mürrische Art, aber die Haare waren einen Moment lang die Brücke in meine Studentenzeit.

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