26 Juli 2024

Hinter dem Horizont ging es weiter (4)

Die Arbeitssiedlung

Am nächsten Morgen erwachte ich relativ erfrischt, in diesem grünen Streifen des Landes war die Luft etwas kühler und damit die Nacht ein kleines bisschen erträglicher. Das Moskitonetz hatte mich vor den Angriffen der durstigen kleinen Biester geschützt und vom zahnlosen Alten hatte ich auch nichts weiter mitbekommen. Ich drehte mich noch mal um, betrachtete in der zunehmenden Helligkeit das Zimmer mit seinen kahlen Wänden die Andeutung einer Gardinenstange und natürlich den Deckenventilator.

Die nächste Runde des Faulenzens konnte beginnen. Ich schlich aus dem Zimmer und fand zu meiner Überraschung eine Art Badezimmer mit einer Art Dusche, also einer Einrichtung, aus der ich eine durchaus messbare Menge Wasser über meinen Körper laufen lassen konnte. Und auch das folgende Frühstück überstieg deutlich meine Erwartung. Ein junges Mädchen bediente mich und fragte mich charmant aus. Woher ich käme, wollte sie wissen, was ich vom Land schon gesehen hätte und wie lange ich in der Oase bleiben wolle.

Wenige Augenblicke, nachdem sie in Richtung Theke verschwunden war, stand schon der Wirt vor mir, genauso freundlich aber nicht ganz so wissbegierig, vermutlich, weil das Mädchen ihm schon alle möglichen Informationen weitergegeben hatte. Er setzte sich zu mir und erläuterte mir die Besonderheiten dieses Ortes. Wie ich ja schon gemerkt hätte wäre das Klima hier völlig anders, ein wenig tropisch geradezu, und entsprechend gäbe es hier viele Pflanzen, Obst, Gemüse und Kräuter. Zusätzlich auch eine ausgeprägte Viehzucht, konnten sich die Tiere hier doch ohne Aufwand vom üppigen Graswuchs ernähren. Das alles sei ein Geschenk der Natur, wie mir der Wirt erklärte, und so wäre es nicht nur ein Segen, sondern gleichzeitig auch eine Verantwortung, diese reichen Gaben zu pflegen und sie auch Menschen zu geben, die nicht so ein Glück gehabt hätten.

Kurzum, es wäre seit vielen Jahren üblich, dass in dieser Region jeder mit anpackte. Alle gesunden Männer und Frauen, gleich welchen Alters - bis auf Kleinkinder und Greise - wären verpflichtet, sich an der Gemeinschaftsarbeit zu beteiligen. Schmunzelnd bezeichnete er diese Organisationsform als "freiwillige Zwangsarbeit", zwinkerte mir zu und gab mir zu verstehen, dass ich auch als Reisender nicht von dieser Regelung ausgenommen wäre. Selbstverständlich könnte ich erst mal ein paar Tage ausruhen, danach würde ich aber beim Mithelfen erwartet.

Erst mal war ich überrascht, war es möglich so ein ungewöhnliches Konstrukt seit vielen Jahrzehnten zu leben, ohne dass es Widerstand gab, sich irgendwer hervortat oder den Dienst verweigerte? Selbstverständlich gäbe es neben den handwerklichen Aufgaben auch andere Berufe, jeder solle seine Fähigkeiten in die Gemeinschaft einbringen. Ob ich vielleicht Arzt wäre oder Lehrer, denn Kranke und Verletzte müssten versorgt werden und sie hätten eine recht gute Schule, wie er mir voller Stolz berichtete. Also, ich solle mich erst mal ein wenig umschauen, er wäre der Organisator und könnte mir natürlich auch bei Fragen weiterhelfen. Sobald ich die Arbeit aufnähme, wäre die Übernachtung kostenlos, nur für das Essen müsste ich dann einen kleinen Betrag bezahlen. Und selbstverständlich würde ich für jede Tätigkeit auch bezahlt, und zwar mit demselben Entgelt, das auch jeder andere Arbeiter erhielte.

Erzwungener öffentlicher Dienst also, jeder war hier sozusagen beamtet, sollte sein Scherflein beitragen. Und das Ganze ohne feste Organisation, nur ein primus inter pares, der sich um die Einweisung von Neulingen und das Beantworten von Fragen kümmerte. Jetzt wurde mir auch klar, warum der zahnlose Alte hier war. Er würde hier arbeiten, einen Teil seiner Bezahlung für Ernährung ausgeben, aber dabei kostenlos wohnen und seinen persönlichen Fähigkeiten entsprechend tätig sein können. Eigentlich ein interessantes Modell, ich freute mich auf die praktische Erfahrung dieses im weiteren Sinne kommunistischen Antritts.

Zwei Tage gönnte ich mir noch das liebgewordene Herumhängen, aber in einem Umfeld der allgemeinen Aktivität fühlte sich mein Nichtstun einfach nur schlecht an. Am dritten Tag lief ich dann zu dem Wirt und ließ mich von ihm zu geeigneten Arbeiten beraten. Besonders muskulös bin ich nicht, aber Schnitt und Pflege von ziemlich exotischen Pflanzen mit stacheligen, aber im Kern sehr aromatischen Früchten interessierten mich. Wenig später machte ich mich mit einer Gruppe Gleichgesinnter auf den Weg zu meinem Arbeitseinsatz.

Ich hatte nicht damit gerechnet so lange unterwegs zu sein, wir wanderten den halben Morgen, bevor wir in unserer Plantage ankamen. Bei der Fahrt im Bus war mir die Gegend gar nicht so weiträumig vorgekommen, jetzt zog sie sich ziemlich hin.

Immerhin wurde dann erst mal Rast gemacht, die mitgebrachten Messer und Sägen geschärft und dann nahm mich einer der Einheimischen zur Seite und zeigte mir, was ich genau machen sollte. Wie ich erfuhr war er der Spezialist für diese Früchte, seine Familie bewirtschaftete diesen Teil der Oase seit vielen Generationen. Er konnte gut erklären und nach wenigen Minuten hatte ich die entscheidende Armbewegung heraus, mit der man ohne viel Aufwand gezielt die fruchtlosen Zweige entfernen konnte. In dieser Phase sollte die Pflanze nämlich ihre ganze Kraft in die Entwicklung von Früchten stecken und möglichst wenig Blattwerk ausbilden.

Die Sonne brannte herunter, pünktlich zu Mittag versammelten wir uns unter einem hohen Baum in der Mitte der Plantage, aßen, tranken und einige machten ein Nickerchen. Nein, ausgelaugt ging hier niemand heim, die Arbeit war weder Hetze noch Überanspruchung, vielmehr ein gemächliches Dahinarbeiten. Es war das Gemeinschaftserlebnis, das tägliche Schaffen und Machen, das die Bewohner zu einer Gemeinschaft machte. Wir erzählten uns Geschichten, sie wollten wissen, wie ich die Gegend fände, oder ihren Lebensstil. Mit etwas nachlassender Hitze verließen wir wieder unseren Schattenplatz und schlugen weiter überflüssige Äste von den niedrigen Bäumen ab.

Ich konnte nicht erkennen, wie die Menschen hier die Zeit messen konnten, denn Uhren gab es nicht und doch kamen sie wie auf Kommando am späten Nachmittag nahezu gleichzeitig wieder an unseren zentralen Platz zurück. Es war offensichtlich ein Ritual, dass jetzt jeder reihum von dem Ergebnis seiner Arbeit erzählte und sich alle gegenseitig für das Erreichte lobten.

Langsam kam Bewegung in die Gruppe und mit einheimischen Liedern, die ich nur teilweise verstand, ging es wieder zurück zur Siedlung. Der Weg schien mir viel kürzer als am Morgen, aber vielleicht lag es auch nur daran, dass es jetzt erheblich kühler geworden war. Während es in der Plantage trocken geblieben war, wurde es auf dem Weg zur Siedlung immer feuchter. Ich hätte nicht gedacht, dass es in diesem Land überhaupt regnen könnte, und das auch noch so heftig. Regentropfen dick wie Haselnüsse verwandelten die staubige Piste innerhalb von Minuten in eine schlammige Piste.
 
Nach getaner Arbeit und zurück in der Siedlung gab ich meinen Gefährten ein paar Runden Schnaps aus. Die Stimmung war ausgelassen, während nach und nach auch die anderen Gruppen in der Dorfmitte zusammenkamen. Als wäre es kein Arbeitstag, sondern ein Feiertag wurde gesungen, gelacht und getanzt. Inmitten der Party entdeckte ich meinen zahnlosen Alten wieder. Ein wenig erschöpft von der körperlichen Arbeit, aber bester Laune hatte er sich unter eine Ansammlung Jugendlicher gemischt, die sich nach dem Gelächter zu urteilen gegenseitig Witze erzählte.

Ein Tag voller neuer Erfahrung, dem Erlebnis einer ungewohnten Solidargemeinschaft und nach langer Zeit mal wieder körperlicher Arbeit ging zu Ende. Heute würde ich jedenfalls als erster aufs Zimmer verschwinden, unter mein Moskitonetz krabbeln und der einschläfernden Langsamkeit meines Deckenventilators zuschauen. Mit Gedanken über kulturelle Unterschiede und der Übertragbarkeit in mein deutsches Leben versank ich todmüde in der Traumwelt.

19 Juli 2024

Seit 26 Jahren Generation Greta

Geboren im Jahr 1998 und damit ein Kind der Generation Greta Thunberg, wie alle jungen Menschen neugierig auf die Welt, aber geprägt vom Umfeld während Kindheit und Jugend auch ganz anders als die deutlich jüngeren oder älteren Menschen. Eine eigene Generation eben, ein individuell anderes Leben.

Geboren
in ein soziales Umfeld mit aufmerksamen Familien, in denen die Kinder eine enge Beziehung erlebten und mit Respekt und Wertschätzung behandelt wurden, legt diese Generation Wert auf eigene Gestaltung in Form einer Work-Life-Balance. Das selbstbewusste Äußern der eigenen Meinung sowie die Beeinflussung von Entscheidungen gehörte seit Kindertagen in ihre Welt und sorgt für eine deutliche Positionierung in der Gesellschaft.

Geboren in ein Nest des Wohlstands, des aufkeimenden Fachkräftemangels, entwickelte sich eine Grundeinstellung, die Schwerpunkte auf die eigenen Bedürfnisse zu legen. Nicht so sehr die gute Schulnote stand im Mittelpunkt, vielmehr die persönliche Entwicklung und ein pragmatischer Ansatz, der sich auch später in Beruf und Leben manifestierte. Dabei sind Anerkennung und Karriere wichtiger als materieller Wohlstand, was bei den Arbeitgebern ein Umdenken hinsichtlich der Mitarbeitermotivation erfordert.

Geboren in Friedenszeiten (Deutschland) können persönliche Entwicklung und die individuelle Suche nach Herausforderungen im Mittelpunkt stehen. Durch eine hohe Erwartung an sich selbst und eine ausgeprägte Selbstfokussierung steigt aber auch die psychische Belastung, was sich in einem Anstieg entsprechender Krankheitsbilder widerspiegelt.

Geboren in einer Welt voller Technik war die Verfügbarkeit von Informationen eine Selbstverständlichkeit; Waren es am Anfang noch eher zaghafte Ansätze der Digitalisierung, sind inzwischen Produkte aus App-Stores und Smartphones allgegenwärtig. Ständig online zu sein und über diverse Plattformen vernetzt zu sein ist gelebte Praxis.

Geboren in eine schnell wechselnde Umgebung gehört Flexibilität zu den Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewältigung des Alltags. Die Schnelllebigkeit in Bereichen wie IT breitete sich auf alle Felder des Lebens aus und erzwingt die ständige Anpassung und Weiterbildung. Da die klassische Ausbildung in vielen Feldern für diese Innovationsgeschwindigkeit zu träge ist, besteht ein hoher Bedarf an autodidaktischem Lernen.

Geboren in ein Umfeld des ökologischen Bewusstseins wuchs ein kollektives Moment der Beschäftigung mit der Umwelt. Ergänzend zu kraftvollen Demonstrationen (z. B. Fridays for Future) wurde der Einfluss auf die Gesellschaft auch durch klare Kommunikation und deutlichen Gestaltungsanspruch verstärkt.

Geboren in zunehmende Einbettung der Social Media lebt diese Generation zwischen der öffentlichen Selbstdarstellung im Netz und der persönlichen Entdeckung des eigenen Charakters. Der Druck zur Selbstoptimierung ist hoch, ähnlich wie früher nur Prominente muss sich diese Generation nach außen stets von ihrer besten Seite zeigen.

Geboren und umgeben von Reizüberflutung kämpfen sie zum einen darum, überhaupt wahrgenommen zu werden und zum anderen damit, in diesem Überangebot eine Orientierung zu behalten. Aufmerksamkeit wird zu einem Marktartikel, der beworben werden muss und einer abnehmenden Aufmerksamkeitsspanne gegenübersteht.

Geboren in eine diskussionsbereite Gesellschaft liegt dieser Generation Verhandlungsstärke und die Suche nach individuellen Lösungen im Blut. Sie erwarten als Individuum wahrgenommen zu werden und mit Anderen auf Augenhöhe zu sprechen. Das Gegenüber soll präsent sein und sich auf sie einlassen.

Geboren in Familien mit sich öffnenden Ehekonstrukten entwickelte die Generation ein eher unverbindliches Verhältnis zu Partnerschaften. Das Modell DINK (Double Income No Kids) etablierte sich und bildete die Basis, sich sowohl gegen Überanspruchung im Beruf als auch in der Partnerschaft zu schützen. Als Folge verringert sich die Loyalität sowohl im Privat- als auch im Berufsleben. Vorübergehende Partnerschaften, ein erlebnisorientiertes Sexualleben einerseits und die Zusammenarbeit in agilen Teams andererseits zeigen die Volatilität der Beziehungen.

Geboren in eine weitreichende Vernetzung gibt es eine Vielzahl von Bekanntschaften, deren Tiefe sich nicht zuverlässig ermitteln lässt. Intensiver Austausch rund um den Erdball steht oberflächlicher Kommunikation im direkten Umfeld gegenüber. Die Anonymität vieler Beziehungen erleichtert das Vermeiden von Konflikten.

Geboren in den Fluten des Internets ist die Generation gewohnt, schnell an beliebige Informationen zu gelangen. Längere oder vertiefte Suche empfinden sie als Belastung und geben sich mit ersten Informationen zufrieden, was tendenziell zu einem Mangel an Tiefenkompetenz führt.

Geboren mit einer gewissen Weltoffenheit ist die Generation gegenüber verschiedenen Erlebnissen, Erfahrungen und Diversität aufgeschlossen. Nachhaltigkeit spielt ebenso eine Rolle wie überhaupt Umweltbewusstsein oder das Ausprobieren neuer Ernährungsansätze.

Und so endet die sechsundzwanzigjährige Success Story in dieser Generation mit der Erkenntnis, dass auch diese Generation auf der Suche nach sich selbst ist, in einer Art pubertärer Entwicklung mit der Orientierungslosigkeit einer Welt überbordender Möglichkeiten zu kämpfen hat und es mal besser machen will als alle Generationen zuvor.

Alles Gute zum Geburtstag!

Hinter dem Horizont ging es weiter (3)

Drogenangebot in der Oase

Als ich am nächsten Morgen aufwachte war die Welt wieder normal. Das morgendlich träge Leben auf dem Dorfplatz hatte eingesetzt, der Busfahrer hatte schon mal den Motor angelassen und ich hörte, wie sich die ersten Fahrgäste in Bewegung setzten. Für ein Frühstück war es zu spät, an Waschen war auch nicht mehr zu denken, stattdessen zog ich mir in aller Eile wieder die Klamotten an, raffte meine Sachen zusammen und stopfte alles in den Rucksack.

Ziemlich erleichtert stellte ich fest, dass mein aufdringlicher Genosse nicht zu sehen war, gab dem Wirt ein paar Münzen und winkte der Wirtstochter im Hinauseilen freundlich zu. Mit ihrem groben Gesicht und der viel zu großen Nase wirkte sie ein wenig wie ein Holzschnitt in einer Krippe, in der die Hirten um das Jesuskind stehen. Aber sie lächelte und ein wenig Bedauern über meine Abreise schien in ihren Augen zu stehen.

Hinter dem Horizont ging es weiter

Doch egal, denn jetzt hatte ich nur noch den Bus im Sinn, warf meinen Rucksack auf das Dach, wo er mit allerlei anderem Gepäck festgezurrt wurde. Wider Erwarten konnte ich noch einen Sitzplatz ergattern, das uralte Männlein neben mir hatte einen leeren Käfig auf dem Schoß und erzählte mir zahnlos eine bewegende Geschichte, von der ich allerdings kein Wort verstand.

Es dauerte noch eine ganze Weile, immer wieder rumpelte es auf dem Dach, dann kamen wieder einige zusätzliche Reisewillige in den Bus. Es wurde zunehmend heißer, einerseits wegen der aufsteigenden Sonne, andererseits wegen der vielen Personen, die sich hier auf engem Raum aneinanderschoben.

Noch bevor sich das völlig überladene Gefährt in Bewegung setzen konnte stieg noch eine mittelalte Frau mit Babybauch ein. Alles rückte zur Seite und mir blieb nichts anderes übrig als meinen schönen Sitzplatz anzubieten. Auch das ist ein Stück Kultur, dachte ich, es geht eben nicht nach Bezahlung oder der Reihenfolge, sondern nach der Bedürftigkeit. 

Stehend, eingequetscht zwischen genauso schwitzenden Menschen, ging jetzt die bekannte Diskussion zur nächsten Reiseetappe los. Im Gewirr der Stimmen hörte ich mal diesen, mal jenen Ortsnamen und im Gegensatz zu den anderen Passagieren war es mir ziemlich egal, Hauptsache es ging endlich los und ein wenig Fahrtwind führte zumindest zu einer Linderung der Hitzewallung.

Mehr oder weniger überraschend schnell fuhr der Bus dann doch los, so wie es schien in die entgegengesetzte Richtung aus der ich gekommen war. Sehr gut, denn so kam ich ein wenig vom Landesinneren in Richtung Meer. Noch während ich das dachte fühlte ich auf einmal einen Po gegen mich drücken, wegen der Enge vielleicht zufällig, aber das glaubte ich einfach nicht. Da, jetzt wieder, ein Schlagloch in der Straße, aber ganz so fest hätte die Berührung nicht sein müssen.

Ich schaute vor mich, da stand eine Frau, mindestens doppelt so alt wie ich, volles schwarzes Haar, braune Arme mit einem leicht goldenen Glanz und das Ganze in einer Art weiten Kaftan gehüllt, in dem man die Form ihres Körpers nur erahnen konnte – wenn man denn wollte. Ich wollte eigentlich nicht, wurde aber bei jeder Unebenheit daran erinnert, dass ich nur eingeschränkt Herr der Lage war.

Während sie also ihren Hintern an mir rieb unterhielt sie sich über den Lärm des ratternden Autos hinweg mit anderen Leuten vor ihr, tauschte mit ihnen Rezeptideen aus, erzählte von Rindern, ausbleibendem Regen und von der Hitze, die sie so anstrengte. Nein, wurde mir klar, dass sie sich an mich drückte, dass ich mal die rechte, mal die linke Pobacke an mir spürte, das war sicher Zufall und hatte keinerlei absichtlichen Hintergrund.

Der Bus würde noch bis in die Dämmerung weiterfahren, dabei immer mal wieder Halt machen und den einen oder anderen Fahrgast entlassen oder aufnehmen. Und zwischendurch in der schlimmsten Mittagshitze in irgendeinem Weiler Stopp machen, um mit dem Busfahrer eine Siesta einzulegen.

Allmählich wurde die Landschaft ein wenig grüner, gab es hier und da so etwas wie Bäume, die Staubwirbel hinter unserem Bus wurden ein kleines bisschen kürzer. Ganz offensichtlich kamen wir in Reichweite des schmalen grünen Streifens, von dem mir ein paar andere Tramper erzählt hatten. Der sollte sich vom Meer durch ein seltsames Mikroklima bis einige Kilometer ins Landesinnere ziehen und dabei in einem kleinen Gebiet ganz anderen Tieren und Pflanzen eine Heimat geben.

Neugierig schaute ich aus dem Fenster, durch die Staubschicht sah ich tatsächlich seit Wochen das erste kräftige Grün. Meine Pofreundin hatte sich jetzt wohl ein anderes Opfer gesucht und schnatterte unvermittelt auf den zahnlosen Alten ein, neben dem ich vorhin gesessen hatte. Mir war das durchaus Recht und so freute ich mich, als die Fahrgäste wie gewohnt demokratisch zur Mittagspause in dieser Art Oase abstimmten.

Wir saßen im Grünen, tranken etwas, eine Art Wirtshaus gab es hier und mit der landestypischen Trägheit wurden allerlei Nahrungsmittel ausgeteilt. Jetzt kam auch meine ungeliebte Bekanntschaft auf mich zu und auf einmal wurde mir klar, dass sie etwas anzubieten hatte. Aus ihrer Kleidung zog sie ein kleines Paket, deutete darauf und bot mir an, es bei ihr zu kaufen. Selbst einem eher unbedarften Zeitgenossen wurde klar, dass es hier um Drogen ging.

Mit freundlicher Geste ließ sie wissen, dass ich an ihrem Angebot kein Interesse hätte. Aber sie blieb an mir dran, setzte sich neben mich und hielt mir eine kleine Probe unter die Nase. Nein, wollte ich ihr bedeuten, ich nehme keine Drogen, Alkohol vielleicht, aber nichts was man rauchen, schnupfen oder sonstwie konsumieren kann.

Sie beugte sich vor, ihr mächtiger Busen war mehr oder weniger unverhüllt zu sehen und sollte wohl als Verkaufsargument ins Rennen gehen. Ich strahlte sie an, wollte sie nicht beleidigen, aber weder an ihrem Körper noch an ihren Pülverchen hatte ich das geringste Interesse. Entweder verstand sie mich nicht, oder sie war einfach nur hartnäckig. Jedenfalls ließ sie nicht von mir ab, verteilte ihre Probe auf dem Teller, nahm selbst ein bisschen, streckte ihre Hand in meine Richtung und wollte mich animieren selbst auch mal zuzugreifen.

Ich blieb genauso beharrlich wie sie und freute mich, als sie endlich doch noch den Tisch wechselte und mich in Ruhe ließ. Diese Oase war eine wundervolle Abwechslung, zwar war die ein klein wenig abnehmende Hitze mit einer umso deutlicheren Zunahme der Luftfeuchtigkeit zusammen gefallen, aber die herrliche Vegetation und die Aussicht auf etwas kühlere Nächte ließen mich durchatmen.

Entsprechend lag es nahe, dass ich zum Bus schlenderte, meinen Rucksack vom Dach holte und den Wirt nach einer Unterkunft fragte. Wie sich herausstellte war es gar nicht so unüblich hier Station zu machen und es war geradezu ein Zufall, dass ich noch ein Zimmer ergattern konnte, das ich mir allerdings mit einem anderen Mann teilen musste. Ich willigte ein und stellte ein wenig überrascht fest, dass mein Zimmergenosse der zahnlose Alte war.

Ich warf mich auf das Bett, zog das Moskitonetz zusammen und verfiel in die gewohnte Trägheit, das Letzte was ich noch mitbekam war der offensichtlich überall im Land übliche Deckenventilator, der in gewohnt langsamer Bewegung seine Runden über meinem Bett zog.

12 Juli 2024

Hinter dem Horizont ging es weiter (2)

Aufdringlicher Mitreisender

Irgendwann wurde mir das Dahinschlummern doch zu langweilig. Zwar kam ich mehr und mehr in einen Modus der Trägheit und Antriebslosigkeit, aber andererseits wuchs immer stärker der Wunsch, in dem fremden Land etwas zu erleben. Die kurze Andeutung eines Abenteuers mit der Wirtstochter hatte sich nicht weiter entwickelt, ich glaube, bei ihr prickelte es, aber am Ende passierte dann doch nichts.

Nach meinem Beschluss den Rucksack zu packen wartete ich nun noch auf den Bus, der sich wie erwartet nach ein paar Tagen mit einer theatralischen Staubwolke ankündigte, bevor er auf dem Platz hielt und seine Reisenden in den Schatten der Häuser entließ. Unter abschließendem Aufheulen blieb dann der Motor stehen und der Fahrer kam die Treppe an der Fahrertür heruntergestiegen.

Bis zum Abend ging es erst mal nicht weiter, alle mussten sich stärken, etwas essen und den typischen Schnaps trinken. Mit langsam abnehmenden Temperaturen wurde es auch schlagartig dunkler, so dass angesichts der defekten Scheinwerfer ohnehin nicht an eine Fortsetzung der Fahrt zu denken war. Fröhlich feiernd und singend wurde der Fahrplan kurzerhand auf den nächsten Tag verschoben.

Hatte ich mich zuerst ein wenig mit dem Fahrer unterhalten war es jetzt ein junger Mann, der meine Aufmerksamkeit erregte. Wir schauten uns an und waren uns sofort sympathisch. Wie sich herausstellte war er ebenfalls aus Deutschland angereist, auch ihn trieb die Neugierde und seinen Eltern hatte er etwas von Studienreise und der Erweiterung des kulturellen Horizonts erzählt.

Gesprächsthemen gab es genug, wir tauschten uns über unsere Erfahrungen mit den Einheimischen aus, die andere Lebenseinstellung, diese andere Vorstellung von Zeit und dieser ungewohnte Umgang mit allem, was man gemeinhin als Wohlstand bezeichnen würde. Er kam aus einer gut situierten Familie, wollte nach dem Abitur nun etwas erleben und anschließend studieren. Das Fach hatte er noch nicht so genau herausbekommen, „irgendwas mit Menschen“ wie er mir ins Ohr flüsterte.

Überhaupt war er ein sehr ruhiger Zeitgenosse, flüsterte viel und hatte gar keine Lust auf die landestypischen alkoholischen Getränke. Stattdessen holte er aus seinem Rucksack allerlei verschiedene Kräuter, die er in aufwendiger Zeremonie mischte und mit Tabak vermengte. Diese Mixtur rollte er zu einer Zigarre und bot sie mir an. Erst zögerte ich, Zigaretten hatten mich nie gereizt aber hier war es doch etwas anderes.

Hinter dem Horizont ging es weiter 2
Er zündete sein Tütchen an, zog daran und reichte es mir herüber. Wir saßen etwas abseits der anderen, beobachteten den Trubel der in der Dämmerung lebendig werdenden Dorfbewohner und zogen nun abwechselnd an dem selbstgedrehten Kräutermix. Für mich war es ungewohnt, war mir bei einem Zug schlecht hatte ich beim nächsten Zug Halluzinationen. Die spärliche Beleuchtung bekam farbige Ränder, die Ohren meines Gesprächspartners wuchsen ins Unermessliche.

Nun schaute er mich an, seine bis dahin freundlichen Augen wurden riesig während die Ohren wieder auf ihre Normalgröße schrumpften. Wie mir die Mädchen im Dorf gefielen, wollte er wissen. Sicher war auch er nicht mehr nüchtern, denn seine Fragen wurden immer direkter und jetzt wollte er wissen, ob ich schon gewisse Erfahrungen gemacht hätte. Nein, erklärte ich ihm, bislang hatte ich immer alleine geschlafen, bis auf ein paar feuchte Träume war nichts passiert.

Ich erzählte ihm von der Wirtstochter, von der Duschorgie mit den beiden Tramperinnen und dass ich gerne weiterreisen wolle und sich da dann doch noch was ergeben könnte. Soweit ich es im schummrigen Licht erkennen konnte hatte er ganz glänzende Augen, erzählte mir von seinen bisherigen Reiseetappen und dass er mit einem befreundeten Pärchen gestartet war. Angeblich hatten sie vor seinen Augen miteinander geschlafen und ihn aufgefordert mitzumachen. Ich nahm ihm das nicht ab, zumal er nach meiner Einschätzung ein eher nüchterner Typ war.

Aber er bestand darauf, die Wahrheit gesagt zu haben, wobei seine Stimme unter Einfluss der Kräuter schon ziemlich undeutlich wurde. Ganz bestimmt, behauptete er, das wäre auch der Grund für die Trennung gewesen, er hätte sich als Voyeur total unwohl gefühlt. Aber wenn ich es nicht glaubte, dann wollten wir wetten, und hier und heute Abend einen Dreier organisieren.

Hatte ich ihn vorhin irgendwie ganz nett gefunden und war froh gewesen, mal wieder einen Landsmann zu treffen, wurde er mir zunehmend unangenehm. Es waren schöne Tage hier gewesen, die Leute alle so freundlich, die Atmosphäre so harmonisch, dass ich es nicht für die Laune eines bekifften Typs aufs Spiel setzen wollte.

Langsam stand ich auf, merkte jetzt die ganze benebelnde Wirkung seiner Kippe und machte mich torkelnd auf den Weg zu meiner Herberge. Hinter mir hörte ich, wie auch er sich hochstemmte, mit wenigen Schritten bei mir war und mich fest am Arm packte. Während ich daran dachte, der peinlichen Szene ein Ende zu setzen hatte er es wohl so verstanden, dass ich seine Wette annähme und nun mit ihm eine Gespielin suchen wolle.

„Nein, das ist alles anders“, hörte ich mich sagen, „ich glaube, ich möchte nur noch ins Bett.“ „Natürlich, wollen wir nicht alle ins Bett“, kam von ihm, „aber doch nicht alleine“ setzte er nach. Oh mein Gott, worein war ich nur geraten, ich versuchte ihn loszuwerden, aber meine Arme gehorchten mir nur recht eingeschränkt.

Vermutlich hatten wir ein ziemlich erbärmliches Bild abgegeben, denn jetzt wurden auch ein paar Einheimische auf uns aufmerksam, ein kräftiger Feldarbeiter kam auf uns zu, um uns zu stützen und zum Zimmer zu begleiten. Mir war das Recht, meinem neuen Freund durchaus nicht. Mit einer Geste des Dankes schob er den Arbeiter zu Seite und bedeutete ihm, dass wir alleine zu Recht kämen.

Als ich ihn auch vor meiner Zimmertür nicht loswurde hatte ich langsam den Verdacht, dass es ihm gar nicht auf den angekündigten Dreier ankam, dass er eher ein Abenteuer mit mir vor Augen hatte. Das war allerdings das Letzte, was ich an diesem Abend erleben wollte und mit letzter Kraft wehrte ich seine Hände ab, die ich jetzt wie bei einer Polonaise auf meinen Schultern fühlte.

Sekunden später hatte ich die Tür geöffnet, war in mein Zimmer geschlüpft und hatte die Tür wieder hinter mir geschlossen. Einen Moment stand ich in der Dunkelheit, nur das leise Summen des Deckenventilators, der Geruch von verschüttetem Schnaps und die Hitze der Nacht. Mit wenigen Schritten war ich beim Bett, dann fiel mir ein, dass sich die Tür nicht abschließen ließ. Was nun, wenn er in der Nacht zurückkehrte und seine Phantasie mit mir ausleben wollte?

Der Schnaps, den ich den Tag über getrunken hatte in Kombination mit den Drogen, die er mir verabreicht hatte, machten diesen Gedanken ein Ende. Mein Kopf sank auf das Kissen, ich hatte gerade noch genug Energie, um meine Schuhe auszuziehen, das Hemd aufzuknüpfen und die Hose auf den Boden fallen zu lassen. Dann sank ich in tiefen Schlaf und alles um mich herum war mir ziemlich egal.

05 Juli 2024

Hinter dem Horizont ging es weiter (1)

Etappe in die Hitze

Hinter dem Horizont ging es weiter
Über mir an der Decke ein in die Jahre gekommener Ventilator. "Miefquirl", hätten wir als Jugendliche gesagt, daran denke ich während ich ihm zusehe, wie er in bemerkenswert geringer Geschwindigkeit seine Flügel dreht. Der Schalter an der Wand ist wackelig, ich habe ihn mir vorhin angeschaut und mich entschlossen, nicht auf eine höhere Stufe zu schalten. Mit Sicherheit dreht er sich dann gar nicht mehr oder der Schalter gibt funkensprühend den Geist auf.

So liege ich weiter schwitzend auf dem Bett, das durchgelegen ist von unzähligen früheren Ruhesuchenden, freiwillig Eingekehrten, Schlafenden, Abenteuerlustigen. Das muss man nämlich sein, wenn man an diesem Zipfel der Zivilisation angekommen ist. Der Begriff Luxus ist hier unbekannt, selbst unter Komfort versteht man hier etwas anderes als in allen bisher von mir bereisten Ländern.

Ich schaue an mir herunter, um die Hitze ein wenig erträglicher zu gestalten habe ich mich komplett ausgezogen. Ein wenig nackt fühle ich mich schon, wenn ich ohne Unterhose zwischen den hochstehenden Knien hindurch zu meinen Zehen schaue. Ich ziehe die Füße an, wackle mit den Zehen und freue mich, dass diese Bewegung nicht in einem Schweißausbruch endet.

Gerade kommen wieder Bilder hoch, die mich an meine bisherige Tour erinnern. Die ersten Etappen haben mich in Bögen weg von der Hauptstadt ins Landesinnere gebracht. Manche Strecken konnte ich mit dem Bus zurücklegen, dann wurde das schwieriger, wie die Einheimischen mir versicherten sind die Verkehrsmittel selten und fahren zu nicht vorhersehbaren Zeiten zu nicht planbaren Zielen. Es ist eher ein demokratischer Prozess der Selbstorganisation, der Fahrer richtet sich nach den Reisewünschen der Mehrheit, solange das Benzin reicht.

Nach ein paar Tagen traf ich einige Tramper wieder, die mit mir in der Hauptstadt gestartet waren, aber ganz andere Zwischenstationen genommen hatten. Beim Blick auf die Karte konnten wir nicht erkennen, welche Route zu unserem unerwarteten Treffpunkt geschickter gewesen war. Genau genommen waren wir noch nicht einmal sicher, ob wir nicht beide in unterschiedlichen Kreisen wieder nahe am Ausgangspunkt waren.

Andererseits kam es ja nicht darauf an, ein konkretes Ziel hatte keiner von uns, im Wesentlichen verband uns die Neugierde auf fremde Kultur, fremde Menschen, fremde Haut. Nicht touristisch sollte es sein, da waren wir uns einig, nicht einmal so ähnlich wie Backpacker, nein, wir wollten so tief in dieses Unbekannte eintauchen wie nur irgendwie denkbar. Über andere Ansichten zu sprechen, andere Kulturen zu erleben, das schien uns nicht genug. Ziel musste es sein, diese Seite der Menschheit mit Haut und Haaren kennenzulernen.

Was wir uns an einem alkoholgeschwängerten Abend erzählten, versank bis zum nächsten Morgen ein Stück weit im Vergessen, aber ein wenig hallte es als Erinnerung nach, ungenau, mehr als Gefühl, ein wenig sogar wie ein Auftrag. Wir hatten uns wieder getrennt, die drei Jungs und zwei Mädchen marschierten tapfer mit ihren Rucksäcken weiter, ich blieb zurück und wartete auf den nächsten Bus, egal wohin.

Das Zeitgefühl war mir mehr oder weniger abhandengekommen, ich registrierte die Tage mehr am Auf- und Untergehen der Sonne, am Verbrauch meines Geldes. So bald war noch nicht an Rückkehr zu denken, süßes Nichtstun in den Tag hinein, zielloses Surfen durch die Gegend und die Zeit. Ich glaube ich verbrachte noch zwei Tage in der kleinen Unterkunft, dann ging es weiter zu der Siedlung, in der ich jetzt angekommen war. Sie gefiel mir auf Anhieb, war für diese menschenleere Gegend erstaunlich groß und hatte sogar so etwas wie einen Laden und eine Bar.

Das gesamte Leben schien hier nicht in den Häusern, sondern im Schatten daneben oder auf improvisierten Bänken auf dem zentralen Platz stattzufinden. Man traf sich, man trank etwas (meistens Tee), unterhielt sich und spielte irgendwelche Brett- oder Kartenspiele. Zwischen den Generationen schien so wenig Unterschied wie zwischen den Geschlechtern, junge Frauen saßen bei Greisen auf dem Schoß, ältere Frauen spielten in wechselnden Mannschaften so etwas wie Boule.

Nach einigen Tagen neugieriger Interviews hatten sie sich an meine Anwesenheit gewöhnt, ich gehörte nicht wirklich dazu, war aber auch kein Fremdkörper. Und auch als eine Woche später die beiden Trampermädchen ohne die Jungs auftauchten waren die Bewohner nur mäßig erstaunt. Der Wirt schenkte einen ziemlich scharfen Schnaps aus, dessen Namen ich mir nicht merken konnte, bis in die Dämmerung wurde gezecht.

Der nächste Tag empfing uns wieder mit der gewohnten Hitze, einer Mischung aus hoher Temperatur und Trockenheit, die zu einer dauerhaft klebrigen Haut führte. Wir nahmen die Herausforderung an, saßen im Schatten der Häuser am Platz in der Dorfmitte, nur mit Shorts und dünnen T-Shirts.

Pünktlich zu Mittag kamen die Männer von den Feldern, der Dorfplatz füllte sich, es gab Mittagessen und Krüge machten die Runde. Kein rechtes Gelage in der Mittagshitze, nur eine Mahlzeit und dann leerte sich der Platz, die Einheimischen legten ihre Siesta ein. Wir schauten uns an, ließen noch mal den Krug herumgehen und beschlossen dann, es den Einheimischen gleichzutun.

Auf dem Weg zu der Unterkunft kam irgendeiner von uns auf die Idee, dass wir noch duschen müssten, bevor wir unser Nickerchen einlegten. Und da es nur eine Dusche im ganzen Haus gab, die aus ihrem altersschwachen Duschkopf auch nur ein besseres Rinnsal heraustropfen ließ, mussten wir um die Reihenfolge rangeln. Nicht gerade nüchtern entschieden wir dann, dass wir alle das gleiche Recht auf Wasser hätten und plantschten so gut es ging alle gleichzeitig unter dem Wasserstrahl.

Später lagen wir trocknend von der Dusche und langsam wieder nasser werdend vom Hitzeschweiß auf dem Bett und dämmerten durch den Nachmittag, bis es auf dem Dorfplatz wieder lebhafter wurde. Die beiden Tramperinnen verzogen sich auf ihr Zimmer, ich blieb noch liegen, in einem Zustand zwischen Wachen, Träumen und Schlafen.

In diesen Zustand der völligen Entspannung, fast Erschlaffung klopfte es an der Tür, die Wirtstochter öffnete (Schlüssel gab es sowieso nicht), und setzte mir einen Krug auf den wackeligen Tisch. Vermutlich war wieder der bekannte verdünnte Wein drin, den man hier zu jeder Tages- und Nachtzeit wie andernorts Mineralwasser konsumierte.

Neugierig und ein wenig verlegen schaute mich die junge Frau an, die gespielte Überraschung nahm ich ihr nicht unbedingt ab. Sie war nicht besonders hübsch und vermutlich war ich in ihren Augen auch nicht gerade der Adonis, den sie von den kräftigen Burschen im Dorf gewohnt war. Aber sie wollte sich wohl die Chance nicht entgehen lassen, den anderen Mädchen zu berichten, wie der Fremde aussieht.

Beim Einschenken schlabberte sie ein wenig, putzte die verschüttete Flüssigkeit recht umständlich auf und lies mich dabei so gut es ging ihre Rundungen bewundern. Hitzeträge machte ich keine Anstalten, ihre Annährungen zu erwidern, bedankte mich nur höflich für das Getränk und drehte mich auf dem Bett zur Seite.

Hinter meinem Rücken hörte ich sie zum Tisch gehen, dann hatte sie es sich anders überlegt, kam noch einmal zum Bett, ich fühlte ihre Hand wie zufällig ganz schnell von meiner Schulter über Rücken, Po und Beine bis an meine Füße streichend. Noch bevor ich mich umdrehen konnte hörte ich sie wieder zur Tür eilen und dann war sie auch schon verschwunden.

War es das, was ich vor ein paar Abenden erzählt hatte, was wir diskutiert hatten und wie wir Land und Leute mit Haut und Haaren kennen lernen wollten? Hatte ich das gerade wirklich erlebt oder war es nur die alkoholschwangere Phantasie eines Jungen, dessen Hormone in der Glut des Südens verrücktspielten? 

Ich schaute mich um, tatsächlich war da der Krug auf dem Wackeltisch, aber der könnte auch vorher schon dagewesen sein. Und ich war nackt, alles an mir war schlaff vom Kopf bis zu den Zehen, aber das war ja auch nicht außergewöhnlich, solange ich unter dem lahmen Deckenventilator vor mich hin schwitzte. 

Durch die dünne Wand hörte ich die beiden Tramperinnen im Nachbarzimmer herumräumen, sicher würden sie gleich runtergehen und in der nachlassenden Hitze mit den anderen Karten spielen oder sich vielleicht auch wieder von den Einheimischen irgendwelche Volkslieder beibringen lassen. 

Jedenfalls sollte ich mich langsam mal anziehen.