Gerade angekommen stehe ich mit einem Kaffee in der Hand herum. Ein paar Meter entfernt ein Stehtisch, daran ein Mann etwa meines Alters, ich stelle mich zu ihm und frage höflich, ob das für ihn ok ist. „Selbstverständlich“, strahlt er mich an, „ich bin total gespannt auf den Tag und die Vorträge, die uns erwarten.“ Das ist schon mal eine Gemeinsamkeit, ich bin auch neugierig und frage mich, ob es neue Ideen zu hören gibt. Wie ich erfahre arbeitet mein Gegenüber in einer IT-Abteilung, ist dort zuständig für Cloud-basierte Lösungen und kennt sich bestens mit Container-Technologie aus. Wie spätestens jetzt abzusehen ist, stehe ich einem Nerd gegenüber, er ist in seinem Thema und redet mit zahlreichen Fachbegriffen und Softwarenamen auf mich ein. Weder Versuche über etwas anderes zu sprechen noch Hinweise auf die zu umfangreiche Darstellung seines Tätigkeitsfeldes scheinen bei ihm zu fruchten. So höflich wie möglich mache ich mich los, rette mich in Richtung Toilette und mache später auf dem Weg zum Vortragssaal einen Bogen um ihn.
Einige Präsentationen und mehrere Stunden später wird zur Mittagspause geläutet. Ein Buffet ist aufgebaut, eine lange Schlange mehr oder weniger hungriger Gäste wartet darauf, zu den Schüsseln und Warmhalteplatten zu kommen. Besteck vorne, Brot hinten, man arbeitet sich daran entlang und hat gleich auch Gelegenheit, andere Teilnehmer kennenzulernen. Diesmal ergibt sich eine Stehtisch-Bekanntschaft mit einer älteren Frau, in irgendeinem Beratungshaus tätig, dessen Name mir nichts sagt. Das ist aber auch völlig unwichtig, denn unser Gespräch mäandert durch das breite Tal der Themen, seitlich nur begrenzt durch Allgemeinverständnis und unsere Erfahrungen. Ich glaube der Ausgangspunkt war der angebotene Orangensaft, von dem wir zu Orangenplantagen, Übernahme von Patenschaften, Nachhaltigkeit im Allgemeinen und dem persönlichen ökologischen Fußabdruck im Besonderen kamen. Die Themen sprudelten, wie Eichhörnchen sprangen wir inhaltlich von Ast zu Ast.
Wie üblich kamen nach der zweiten Vortragsreihe noch ein Abschluss und ein gemütlicher Ausklang im Foyer. Die Stehtische sind umgeräumt, ein wenig Knabberei und verschiedene gut ausgewählte Weine stehen bereit. Mit gelockerter Zunge und noch beschäftigt mit den zahlreichen Eindrücken des Tages ranken sich die Gespräche im Wesentlichen um die verschiedenen Vorträge. Der junge Mann, der sich noch neben mich an den Tisch gezwängt hat prostet mir freundlich zu und fasst dann in recht umschweifender Rede seine Erlebnisse zusammen. Ich gehe auf seine Punkte ein, stelle ihm mein Verständnis von der Keynote und deren Kernbotschaft vor. Er schaut sein Glas an und erklärt mir dann für mich recht überraschend, dass er mit dem Hausmeister über die Steuerung der Klimaanlage gesprochen habe. Ich frage mich, ab welchem Punkt meiner Ausführungen er schon gedanklich abwesend war. Seit wann geht das schon so, ich denke an Seitensprünge und muss schmunzeln, ob der Hausmeister reicher ist als ich oder eine bessere Figur hat?
Der Heimweg gestaltet sich dann wenig spektakulär, nur die drei Bekanntschaften gehen mir noch im Kopf herum. Wie unterschiedlich interessant sie waren, sei es hinsichtlich der Empathie, der Reichhaltigkeit der Themen oder der entgegengebrachten Aufmerksamkeit.
[Andere Blogs: Interdisziplinäre Gedanken - Dienstliche Glossen]
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen