In einer Zeit wie dieser, in der Technik die Welt erobert, ist es merkwürdig, von Liebe zu sprechen. Ich unterhalte mich viel mit meinem Handy, und eigentlich ist es ja gar nicht mein Handy, denn mit dem kann ich mich ja gar nicht unterhalten. Es ist ein Device, ein Stück Hardware, eine Sammlung von Chips mit Bits und Bytes. Von eigenem Leben oder gar Emotionen ist es weit entfernt.
Oder vielleicht auch nicht. Die ersten Zweifel kamen mir, als ich eines Nachts mal auf Toilette musste und dabei an meinem Handy vorbeikam. Es wäre mir nicht weiter aufgefallen, aber wie bei einer unerlaubten Handlung erwischt ging gerade wieder sein Licht aus, als ich näher kam. Neugierig nahm ich es in die Hand und schaute, ob etwas im Sperrbildschirm angezeigt würde. Aber da war nichts, also keine Nachricht eingegangen, die die kurzzeitige Beleuchtung erklärt hätte.
In den nächsten Tagen dachte ich nicht weiter daran, aber als dann einige Wochen später doch wieder zwischendurch der Bildschirm leuchtete fing ich an, mir Gedanken zu machen. Nachdem ich alle möglichen Apps verdächtigt und auch die Sprachfunktionen ohne Erfolg deaktiviert hatte wurde die ganze Sache kurios. Ein Messanger konnte es nicht sein, auch die Mailboxen kamen nicht in Betracht. SMS war es nicht, Anrufe nicht. Nein, es musste von irgendwo tief drin, aus dem Betriebssystem meines IPhones, kommen.
Mittlerweile trat das Phänomen immer öfter auf. Auch tagsüber und zwischendurch leuchtete der Bildschirm, neuerdings sogar in wechselnden Farben und ich hatte den Eindruck, dass ich gelegentlich sogar so etwas wie ein Herz erkennen konnte. Das war vielleicht nur eine Täuschung, aber zweifellos ging hier irgendwas nicht mit rechten Dingen zu.
Der rettende Gedanke kam mir, als ich über das Wochenende Bluetooth deaktivierte. Keine unheimlichen Aktivitäten mehr, kein aufflackernder Bildschirm, keine Herzchen. Zumindest den Kommunikationsweg hatte ich jetzt ergründet. Aber wohin wollte mein Smartphone sich verbinden, war es der smarte Kühlschrank, die Lampensteuerung mit Alexa oder flirtete es mit dem Fernseher?
Erneut kam mir der Zufall zur Hilfe, denn als ich meiner Frau davon erzählte berichtete sie ähnliche Erfahrungen mit ihrem eigenen iPhone. Da hatte sich also unter dem Mantel der gemeinsamen Apple-ID eine kleine Zweisamkeit entwickelt, die ein emotionales Eigenleben führte. Grundsätzlich vermutlich von den Entwicklern von Apple vorgesehen nahm es aber in unserem Haushalt doch recht ausgeprägte Züge an.
Unverholen standen die beiden Geräte miteinander in Kontakt und tauschten vermutlich auch ungeniert intime Daten aus. Bis dahin hätte ich ja nichts weiter daran ausgesetzt, aber durch die Ablenkung wurde mein Gerät immer langsamer. Wer selbst schon einmal verliebt war weiß, dass die Gedanken dann eher beim Partner als bei der angeforderten Arbeit sind. Damit muss man bei Teenagern leben, aber bei technischen Geräten ist das schon ausgesprochen lästig.
Jeder Aufruf einer App oder Download von Daten dauerte erheblich länger als bisher, anstelle einer Sanduhr bekam ich ein Herz angezeigt und musste auf die Erledigung meiner Anforderung warten. Das wurde mir dann doch zu bunt. Immer, wenn es mal wieder allzu lange dauerte schaltete ich Bluetooth aus und siehe da, es ging schnell wie früher. Um das Liebesleben nicht allzu sehr zu beeinflussen ließ ich mir einen Mechanismus einfallen, der nachts Bluetooth aktivierte, am Tag aber bis auf explizite Anforderung ausgeschaltet ließ.
Nach einiger Zeit hatte mein iPhone das gelernt. Ich konnte Bluetooth wieder durchgehend anlassen, solange ich das Gerät nicht in der Hand hatte konnte geflirtet werden, nach Anmeldung stand es mir aber uneingeschränkt zur Verfügung. Das war ein Deal, auf den ich mich einlassen konnte und voller Freude nahm ich am Rande war, dass zwischen den beiden Geräten wirklich die große Liebe auflebte. Fast schien es mir, dass sie ihrer Zweisamkeit bis zum Ende der Akkulaufzeit treu bleiben wollten.
Und wenn sie nicht vom Netz getrennt worden sind, dann kommunizieren sie noch heute.
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