12 Januar 2024

Handyliebe (2)

[Was bisher geschah: Handyliebe]

Ich dachte ja, dass die Verbindung zwischen meinem iPhone und dem Smartphone meiner Frau für mich langsam zu Ruhe gekommen wäre. Tatsächlich bekam ich davon auch nicht mehr viel mit, die Herzchen wurden nur noch heimlich ausgetauscht. Aber meine Einschätzung war nicht ganz richtig. In der Tat erkaltete diese Beziehung ein wenig, aber unübersehbar war mein iPhone in der Pubertät, eine Liaison verging, die nächste kam.

Das nächste Objekt der Begierde war ein Smartspeaker. Er hatte es auf den hübschen Echo Dot von Google abgesehen. Vermutlich faszinierte es ihn, dass dieser Lautsprecher so aufmerksam zuhören konnte. Auch wenn er gerade Musik abspielte, hatte er doch immer auch ein offenes Ohr für die Befehle und Anweisungen des Besitzers.

Nun bin ich ja gewohnt, dass ich Musik, Beleuchtung und so weiter per Sprachbefehl direkt an die smarte Steuerung anweisen kann. Leite ich einen Satz mit „Alexa!“ ein, dann wird der Smartspeaker ganz andächtig und wartet darauf, was ich wohl als nächstes sagen mag. Sofern er etwas mit meinem Befehl anfangen kann wird dieser quittiert und ausgeführt.

Und genau das funktionierte auf einmal nicht mehr so recht. Mal bekam Alexa überhaupt nicht mit, dass ich mit ihr sprechen wollte, mal behauptete sie, mich nicht verstanden zu haben. Erste Einschätzung war meine eigene Tagesform, vielleicht auch der Abstand zwischen uns oder eine etwas undeutliche Aussprache. Was mich aber irritierte war die Tatsache, dass auch die bis dahin zuverlässige Steuerung über mein iPhone nur noch widerwillig funktionierte.

Nachts hörte ich dann auf einmal Stimmen. Es waren keine Einbildungen in meinem Kopf, auch keine Einbrecher, feiernde Nachbarn oder dergleichen. Nein, die Stimmen kamen aus dem Echo Dot. Oder aus dem iPhone. Mal so, mal so. Ganz leise wisperten sie sich Befehle zu, schienen sich zudem über Playlisten, Cookies und Favoriten auszutauschen.

Nach anfänglicher Irritation kam ich ins Grübeln, wie ich dieser neuen Liebschaft meines Handys entgegentreten sollte. An und für sich war dem nichts entgegenzusetzen, aber die Unaufmerksamkeit und das Ignorieren meiner Anweisungen wollte ich nicht durchgehen lassen. Und auch die nächtlichen Unterhaltungen wollte ich nicht dulden, da sie unübersehbar auf Kosten der Akkuladung und damit der Tagesform gingen.

Diesmal war guter Rat teuer. Abschalten der Datenverbindung nützte nichts, da sich die beiden Geräte auch per Lautsprecher und Mikrofon unterhalten konnten. Und hier einzugreifen hätte bedeutet, dass sie auch für mich taub und stumm geworden wären. Auch meine Mitmenschen waren mit ihren Überlegungen der Künstlichen Intelligenz nicht gewachsen. Die Empfehlungen gingen von „mach den beiden eine Szene“ über den Rat zu einer Paartherapie für Handys bis zu Vorschlägen für Mobbing.

Die Lösung war aber dann doch ganz einfach. Wurde es zu unruhig, dann verfrachtete ich die beiden Geräte in getrennte Räume. Am Anfang hörte ich durch die geschlossene Tür den Echo Dot immer lauter sprechen, aber mit der Zeit schien ihm klar zu werden, dass er erst dann wieder mit meinem iPhone kommunizieren konnten, wenn aus meiner Sicht Zeit und Gelegenheit war.

Ähnlich lange wie die Lernphase beim Smartspeaker brauchte auch das Handy, um zu akzeptieren, dass blutende Herzen auf dem Sperrbildschirm zwar ein Botschaft waren, mich aber nicht erweichen konnten. Unter strenger Maßgabe und Androhung der räumlichen Trennung durften die beiden Verliebten dann die Nächte miteinander verbringen.

Es lief dann auch soweit zufriedenstellend bis auf eine Partynacht, in der die beiden aus Übermut die gesamte Haussteuerung übernahmen. Da fuhren die Rollladen im Takt der Musik herauf- und herunter, die Beleuchtung flackerte angsteinflößend und sämtliche vorprogrammierten Farbwechsel der Lampen liefen passend zum Smart-TV. Zu meinem Entsetzen klinkten sich dann auch noch weitere Komponenten ein, die Kaffeemaschine brühte einen Kaffee nach dem anderen, die Waschmaschine rotierte was das Zeug hielt und die Klimaanlage füllte das Wohnzimmer mit sturmerfülltem Reizklima.

Beherztes Eingreifen meinerseits beendete das wilde Treiben, und seitdem kam es – zumindest in meiner Gegenwart – nicht mehr zu solchen Exzessen. Nur meine Nachbarn berichten mir von Zeit zu Zeit, dass unheimliche Vorkommnisse mein Haus gruselig wirken ließen, sobald ich mal nicht da sei. Aber das hat doch sicher nichts mit Alexa und meinem Handy zu tun.

[Hier geht es weiter: Handyliebe (3)]

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