Ein paar Tage im Krankenhaus liefern reichlich Stoff für mein Tagebuch. Orte, Handlungen und Namen sind natürlich frei erfunden, oder war das eine oder andere vielleicht doch so ähnlich?
1. Was für ein freundlicher Empfang. Ich komme von der Zentralen Notaufnahme, die operative Hektik dort mit der trotzdem unvorstellbar langsamen Behandlung geht hier oben in die Ruhe der Gipfel über. So geht es nun nach dem stundenlang verschleppten Fortschritt in der ZNA langsam auf das Ende des Tages zu. Eine Pflegerin hat mich auf Station gebracht, stellt meinen Koffer ins Zimmer und versichert mir, dass das bislang bis auf eine Matratze leere Bett noch gemacht wird. Mit zittrigen Händen kann ich meinem Koffer irgendwie das Nötigste für die Nacht entnehmen ohne meinen schon schlafenden Zimmernachbarn aufzuwecken. Auch nach dem Zähneputzen ist das Bett noch nackt, zu meinem Entsetzen teilt mir die Nachtschwester mit, dass die Bettdecken alle wären. Sie könne mir nur ein paar Bettbezüge bringen. Frierend entleere ich meinen Koffer auf das Bett und grabe mich unter alle Handtücher, T-Shirts und sonstige Kleidungsteile, die ich finden kann. Schließlich rettet mich meine Winterjacke vor dem Kältetod.2. Wie sich herausstellt, ist mein Zimmergenosse taubstumm. Das ist gar nicht so schlecht, wie ich feststelle, bezüglich Geräuschen muss ich auf ihn keine Rücksicht nehmen, einzig die Kommunikation ist ziemlich schwierig. Da die Schwestern einfach nicht verstehen, dass ein Tauber nicht schlecht, sondern gar nicht hört, versuchen sie seine Essenswünsche durch lautes Sprechen herauszufinden. Das muss schiefgehen, aber er ist geduldig und nimmt auch die dunklen Brötchen, obwohl er lieber Toastbrot gehabt hätte, wie er mir später mit Gesten zu verstehen gibt.
3. Heute hat Schwester Natascha Dienst. Ein schöner Name, der leider völlig in die Irre führt, denn hinter der Fassade eines zarten Persönchens versteckt sich eine ganz schön handfeste Kämpferin. Es würde mich nicht wundern, wenn es unter ihren Vorfahren irgendwelche russischen Messerwerferinnen gegeben hätte. Spätestens beim Hantieren mit Spritzen und anderem spitzen Gerät kommt diese Vergangenheit wieder zum Vorschein.
4. Die nächste Nacht wird unruhig. Im Nebenzimmer übt jemand für eine große Gesangsnummer, bestehend aus Stöhnen, gurgelnden Lauten und eingestreuten spitzen Schmerzensschreien. Die Übernachtung unter einer Autobahnbrücke ist vermutlich nicht wesentlich lauter, aber immerhin zieht es hier nicht und mittlerweile hat der Pflegedienst ja auch eine Decke für mich auftreiben können, die ich mir jetzt über den Kopf ziehe. Der Lärm macht meinem Taubstummen nichts aus und auch die Pfleger scheint er nicht zu stören. Hilfreich teilen sie mit entschuldigender Geste Ohropax an die Patienten aus, deren Gehör noch nicht geschädigt ist.