Sommer 2023 - die dritte Woche der hessischen Sommerferien geht zu Ende.
Nicht, dass ich beim Nachbartisch gelauscht hätte. Aber
ungewollt wurde ich als Zuhörer eingebunden, weil eine junge Frau doch recht
lebhaft von ihrem Leben und dessen Geschichte berichtete. Eigentlich
interessierte es mich gar nicht so recht, und die Story hatte auch eher die
Qualität eines schlechten Rosamunde-Pilcher-Films. Die junge Frau war als
Single angereist und hatte sich recht zielstrebig zwei bereits angekommenen
Paaren angeschlossen.
Wie sie da heute Morgen durch die Hotelhalle lief, den Koffer noch an der Rezeption, die Sonnenbrille im Haar und mit strahlendem Lächeln die Lobby begutachtete, wirkte sie ausgesprochen sympathisch. Nicht zuletzt angesichts ihrer schlanken Figur und dem gepflegten Äußeren fand ich sie attraktiv und warf ihr ein freundliches Lächeln zu.
Später am Pool hatte sie dann ihre Auswahl getroffen und die beiden vorhin schon erwähnten Pärchen angesprochen. Nach allerlei Smalltalk über Anreise, Wetter und vermutlich weiteren Themen, die ich so nicht mitverfolgen konnte, hatten sie sich dann offensichtlich zum gemeinsamen Abendessen verabredet.
Und so saßen sie jetzt da, hatten einen Tischwein vor sich und plauderten über Hobbies, das Hotel, Ausflugsmöglichkeiten und dann natürlich nach kurzer Zeit über persönlichere Themen. Die Männer hatten eine separate Unterhaltung aufgemacht, vermutlich Sport oder Autos oder Golf, das ging in den Gesprächen der Frauen unter.
Denn inzwischen hatte Tina das Wort übernommen und berichtete unüberhörbar von ihrer Lebensgeschichte. Von ihrem langjährigen Partner enttäuscht hatte sie sich bei einem Datingportal angemeldet. Und hatte dort tatsächlich einen neuen Mann kennengelernt. Es folgte eine recht ausführliche Darstellung des Herantastens, des ersten Treffens und so weiter, jedenfalls passte alles. Das ging zwei Jahre durchaus gut, bis sie dann auf eine Vertiefung der Beziehung drängte und der neue Mann seine bisherige Frau nicht verlassen wollte oder konnte.
Ihr alter Partner hatte zwar auch eine neue Beziehung, aber bei der Frau des neuen Freundes gab es Schwierigkeiten. Ihre Nebenbuhlerin, eine echte Karrierefrau, wollte nicht kampflos ihren Mann verlassen. Und erst recht nicht die Wohnung oder das Haus räumen.
Patchwork pur, mit den nicht gerade überraschenden Kämpfen, Eifersüchteleien, spitzen Kommentaren und kritischen Kommentaren allen anderen beteiligten Personen gegenüber. Nein, war sich Tina sicher, da steckte schon System dahinter. Männer sind einfach Schweine, sie haben nicht die leiseste Ahnung, was in ihr vorgeht und sie hat auch mit dem neuen Menschen wieder Pech gehabt. Wenn er sie so liebte wie er vorgäbe, dann würde er seine Karrieremaus doch verlassen. Es war, wie gesagt, nicht unbedingt eine Geschichte aus der wilden Phantasie eines Schriftstellers, vielmehr eine Story, die das Leben in seiner größten Einfallsarmut gebiert.
Ich drehte mich um, schaute Tina noch einmal an, plötzlich kam sie mir überhaupt nicht mehr attraktiv vor. Vielmehr schaute ich durch ihr hübsches Kleid, ihren sicherlich sehr wohlgeformten Körper auf ihre innere Einstellung und befand sie für alles andere als partnerschaftstauglich. War sie zu Beginn des Tages noch ein potentieller Gesprächskandidat gewesen, verspürte ich jetzt so gar keine Lust mehr, mir die verallgemeinerte Lebensenttäuschung anzuhören. War ihr denn nicht klar, dass sie Teil des Systems ist, dass auch sie ihren Anteil am Verlauf ihres Lebensweges hat, nicht nur die bösen Männer?
Gedankenverloren stand ich auf, schaute noch einmal zu ihr hinüber, nur das mit dem Lächeln, das wollte einfach nicht so recht klappen.
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