04 August 2023

Sommer 2023 (2/6): Unter dem Regenschirm

Unter dem Regenschirm

Sommer 2023 - die zweite Woche der hessischen Sommerferien geht zu Ende.

Dieses Jahr war ich mit Paul unterwegs. Ein guter Freund von mir, immer für eine verrückte Idee zu haben und vor allen Dingen ein Frauenliebling. Das ist manchmal ein bisschen nervig, weil die Mädchen zuerst mal nur ihn sehen, aber bei anderen Gelegenheiten ganz angenehm, weil vielleicht doch eine nette Bekanntschaft für mich dabei herausspringt.

Und Paul hat – wie ich – nicht übermäßig viel Geld. Wir haben uns für eine Busreise nach Spanien entschieden, ein ganz neues Dreisterne-Hotel hat an der Costa Brava aufgemacht. Der Preis ist niedrig, weil noch nicht alles fertig ist und das Haus ein bisschen abseits liegt. Insgesamt sind wir sehr zufrieden, für unser Budget bekommen wir viel geboten und die Angestellten im Hotel sind super freundlich. Es klemmt hier und da, aber das Improvisationstalent der Einheimischen in Kombination mit ihrer Gastfreundschaft lässt das schnell vergessen.

Etwas Pech haben wir mit dem Wetter. Seit unserer Ankunft hat es mehrere Regentage gegeben und selbst die trockenen Tage sind eher verhangen. Der Strand ist ziemlich leer, wir müssen schon nach Lloret de Mar fahren, wenn wir Party haben wollen. Das ist tagsüber ganz ok, aber wenn die Sonne sich senkt wird die Fahrerei schwierig. Heute habe ich mich am späten Nachmittag alleine aufgemacht, Paul hat sich mit irgendeinem Mädchen verabredet, dass er gestern in der Disko vom Nachbarhotel kennengelernt hatte. Durch leichten Nieselregen laufe ich vom Hotel zur Strandstraße, dort ist die Bushaltestelle nach Lloret.

Weit und breit ist kein Fußgänger zu sehen, die Gegend ist noch nicht so richtig touristisch, erst recht nicht in der Nebensaison. Aber an der Bushaltestelle steht schon eine Person, wie ich von weitem erkennen kann. Beim Näherkommen ist es eine hübsche Spanierin, lange schwarze Haare, lebhafte dunkle Augen, etwas große Nase aber auch ansehnliche Oberweite über einen schlanken Taille und langen Beinen, die aus Shorts herausgucken.

Ich setze mich auf die Bank, nach dem Fahrplan brauche ich nicht zu schauen, denn die Busse kommen wann sie wollen. Die junge Frau bleibt stehen, nahezu regungslos, selbst der Blick scheint in der Ferne verloren gegangen zu sein. Eigentlich könnte oder sollte es mir egal sein, aber dutzende Fragen schießen mir durch den Kopf. Wie sie wohl heißt, wo sie hinfährt, ob sie mich registriert hat und ob sie mich nett finden könnte. Vielleicht sogar, ob ich mich mit ihr verabreden soll.

Es nieselt immer noch, nein, langsam steigert sich der Niederschlag und geht in Regen über. Ich krame aus meiner Jacke einen kleinen Regenschirm, der nach ein bisschen Ruckelei aufspringt und ein kleines schützendes Dach über mir ausbreitet. Es wäre ziemlich unhöflich, die Trockenheit nicht zu teilen und so stehe ich auf und stelle mich wortlos neben die Fremde. Der Knirps reicht kaum für uns beide, aber wenn wir die Köpfe ein wenig neigen passen sie immerhin darunter und bleiben weitgehend trocken.

Sie dreht ihren Kopf zu mir, nickt freundlich, sagt aber kein Wort. Mehr oder weniger unfreiwillig sind wir uns jetzt sehr nahe, wenn ein Windstoß kommt fliegen mir ein paar Strähnen ins Gesicht, ich kann ihre Haare riechen. Ohne Berührung, ohne einen Ton knistert die Luft vor Spannung. Längst ist mein Puls angestiegen, fühlen sich meine Beine leicht und schwer zugleich an.
 
Der Regen wird immer stärker, keine Möglichkeit zum Unterstellen weit und breit, wir sind irgendwo an einer so gut wie unbefahrenen Straße an der spanischen Küste. Die junge Frau rückt näher, durch meine Regenjacke kann ich jetzt ihren Körper fühlen. Ob sie nur Schutz unter dem Schirm sucht oder den Vorwand nutzt, um sich an mich zu drücken? Sonst wenig schüchtern verschlägt es mir den Atem und es fällt mir schwer, an etwas anderes zu denken.

Da hinten, sehe ich durch den strömenden Regen, kommt ein Bus gefahren. Ich setze alles auf eine Karte und greife nach ihrer Hand. Sie ist warm und nass und während sie meinen Druck erwidert flüstert das Mädchen etwas, was wie ihr Name klingt. Und dann noch irgendetwas auf Spanisch, was ich nicht  verstehe. Vielleicht eine Verabredung, eine Einladung.

Im nächsten Moment ist der Bus da, ich will mit ihr einsteigen, aber sie lässt meine Hand los, raunt „Muchas gracias por el paraguas“ und schiebt mich sanft zur offenen Bustür. Etwas verdattert schaue ich sie an, wieso hat sie die ganze Zeit an der Haltestelle gestanden ohne jetzt einzusteigen? Dann drehe ich mich zum Fahrer, bezahle die Fahrkarte und kann gerade noch meiner merkwürdigen Unbekannten durch die schließende Tür zuwinken. Die regennassen Scheiben lassen kaum einen Blick nach Draußen zu, aber ich glaube, dass sie ebenfalls winkt.

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