10 April 2020

Was am Ende der Tage übrigbleibt


Du bist schon von uns gegangen. Ein paar Tage noch – vielleicht – und auch Dein Körper wird die Gemeinschaft der Menschheit verlassen.

Nach vielen Jahrzehnten, geradezu grotesk lange Zeit über Perioden der Bekanntschaften, Jahrzehnte mit Verwandten und Weggefährten hinaus, wirst Du als Rädchen im großen Getriebe dieses Planeten, auf ein Leben zurückblicken können, das, wie mir ein Freund einmal erklärte, nicht nur, wie er sich ausdrückte lebenswert, sondern auch inhaltsreich und ereignisreich im Sinne ständiger Bewegung und aufmerksamer Begleitung in und mit der Familie zu sehen sei, was ich naturgemäß als Teil der Familie und damit auch Bestandteil des Systems nur bedingt beurteilen kann.

Jedoch ist es für mich unstrittig, dass mehr als ein Tagwerk, vielmehr ein Lebenswerk hinter Dir liegt, welches Du wie immer wieder betont als Geschenk Gottes, an dem Du in Deinem festen Glauben durch alle Irrungen und Wirrungen festgehalten hast, zu sehen pflegtest und dabei neben einer gelebten Frömmigkeit dennoch, und zwar in besonderem unter Einfluss Deines Mannes, meines Vaters, die Religiosität nie in Starrheit ausgeübt hast.

Überhaupt war mein Vater einer der wichtigsten, wenn nicht sogar der wichtigste Anteil an Deinem Leben, als Partner von unschätzbarem Wert, in seiner Intellektualität unentbehrliche Ergänzung und die finanzielle, kulturelle und geistige Triebfeder für ein ansonsten sehr bodenständiges Leben, das Du in Deiner Sorge um den Aufbau von Distanz gegenüber einfacheren Mitmenschen, im oberbergischen Heimatdorf wie auf den Straßen und dem Wochenmarkt, ansonsten unter Niveau geführt hättest.

Der Tag endet so sanft, wie Du es Dir unter Eindruck des Ablebens Deiner Mutter gewünscht hast, vergleichbar unaufgeregt kommt in gemessenem Schritt der Tod zu Dir, hat sich schon vor einiger Zeit an Dein Bett gesetzt und schaut Dir in aller Ruhe, die er sich für jede Seele nimmt, zu, während Du in den letzten Monaten noch einmal die Gelegenheit genutzt hast, wegen des versagenden Augenlichtes auf die Erinnerung angewiesen und damit in vielfältiger Form mit der Vergangenheit beschäftigt, noch einmal das Revue passieren zu lassen, was Du in zunehmender Demenz noch abrufbar hattest.

Durch Dein Leben zieht sich neben der Vielfalt kleiner und großer Erlebnisse ein Charakter, der mal mehr, mal weniger ausgeprägt für zahlreiche Irritationen, Verstimmungen und sicher aus Deiner Sicht, die manchmal geprägt von gut gemeinten Glaubenssätzen nur einen Teil der Realität erfassen wollte, oder in manchen Fällen auch gezielt, wenngleich selten offenkundig angriffslustig, überraschende Konflikte hervorrief und damit an breiter Front Abwendung bis zu nachhaltiger Feindschaft hervorgerufen hat.

Ein Ende also am letzten Deiner Tage, das begleitet wird von wenigen Menschen, die Dir aus Pflichtgefühl, aus verwandtschaftlichem Grund oder aus Höflichkeit etwas erweisen, was der Volksmund als letzte Ehre bezeichnet, was in Deinem Fall ein schönes Bild ist, macht es doch Anspielung auf die Verdienste von Kriegern, die auf einem Schlachtfeld ihr Leben gelassen und damit den offensichtlich für sie bestimmten Lebenszweck erfüllt haben, wie Du Deinen Lebenszweck im Dienste, gleichzeitig aber auch unter Nutzung der Fürsorge durch die engste Familie, erfüllt hast.

Womit ich Dir abschließend in meinen Gedanken, die ich Dir seit vielen Jahren regelmäßig widme, die wir in unzähligen tiefen Gesprächen ausgetauscht und gerade auch nach dem Tod meines Vaters intensiv diskutiert haben, zurufe, Du mögest in Frieden ruhen und die Verwerfungen, die durch Dich entstanden sind mitnehmen in Dein Grab, um so den Weg freizumachen für eine Zukunft Deiner Kinder in einer Harmonie, die Du zwar immer propagiert, aber oft durch Taten konterkariert hast.

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