Du bist schon von uns gegangen. Ein paar Tage noch –
vielleicht – und auch Dein Körper wird die Gemeinschaft der Menschheit
verlassen.
Nach vielen Jahrzehnten, geradezu grotesk lange Zeit über Perioden
der Bekanntschaften, Jahrzehnte mit Verwandten und Weggefährten hinaus, wirst
Du als Rädchen im großen Getriebe dieses Planeten, auf ein Leben zurückblicken
können, das, wie mir ein Freund einmal erklärte, nicht nur, wie er sich
ausdrückte lebenswert, sondern auch inhaltsreich und ereignisreich im Sinne ständiger
Bewegung und aufmerksamer Begleitung in und mit der Familie zu sehen sei, was
ich naturgemäß als Teil der Familie und damit auch Bestandteil des Systems nur
bedingt beurteilen kann.
Jedoch ist es für mich unstrittig, dass mehr als ein
Tagwerk, vielmehr ein Lebenswerk hinter Dir liegt, welches Du wie immer wieder
betont als Geschenk Gottes, an dem Du in Deinem festen Glauben durch alle
Irrungen und Wirrungen festgehalten hast, zu sehen pflegtest und dabei neben
einer gelebten Frömmigkeit dennoch, und zwar in besonderem unter Einfluss Deines
Mannes, meines Vaters, die Religiosität nie in Starrheit ausgeübt hast.
Überhaupt war mein Vater einer der wichtigsten, wenn nicht
sogar der wichtigste Anteil an Deinem Leben, als Partner von unschätzbarem
Wert, in seiner Intellektualität unentbehrliche Ergänzung und die finanzielle,
kulturelle und geistige Triebfeder für ein ansonsten sehr bodenständiges Leben,
das Du in Deiner Sorge um den Aufbau von Distanz gegenüber einfacheren
Mitmenschen, im oberbergischen Heimatdorf wie auf den Straßen und dem
Wochenmarkt, ansonsten unter Niveau geführt hättest.
Der Tag endet so sanft, wie Du es Dir unter Eindruck des
Ablebens Deiner Mutter gewünscht hast, vergleichbar unaufgeregt kommt in gemessenem
Schritt der Tod zu Dir, hat sich schon vor einiger Zeit an Dein Bett gesetzt und
schaut Dir in aller Ruhe, die er sich für jede Seele nimmt, zu, während Du in
den letzten Monaten noch einmal die Gelegenheit genutzt hast, wegen des
versagenden Augenlichtes auf die Erinnerung angewiesen und damit in
vielfältiger Form mit der Vergangenheit beschäftigt, noch einmal das Revue
passieren zu lassen, was Du in zunehmender Demenz noch abrufbar hattest.
Durch Dein Leben zieht sich neben der Vielfalt kleiner und
großer Erlebnisse ein Charakter, der mal mehr, mal weniger ausgeprägt für
zahlreiche Irritationen, Verstimmungen und sicher aus Deiner Sicht, die
manchmal geprägt von gut gemeinten Glaubenssätzen nur einen Teil der Realität
erfassen wollte, oder in manchen Fällen auch gezielt, wenngleich selten
offenkundig angriffslustig, überraschende Konflikte hervorrief und damit an
breiter Front Abwendung bis zu nachhaltiger Feindschaft hervorgerufen hat.
Ein Ende also am letzten Deiner Tage, das begleitet wird von
wenigen Menschen, die Dir aus Pflichtgefühl, aus verwandtschaftlichem Grund
oder aus Höflichkeit etwas erweisen, was der Volksmund als letzte Ehre
bezeichnet, was in Deinem Fall ein schönes Bild ist, macht es doch Anspielung auf
die Verdienste von Kriegern, die auf einem Schlachtfeld ihr Leben gelassen und
damit den offensichtlich für sie bestimmten Lebenszweck erfüllt haben, wie Du
Deinen Lebenszweck im Dienste, gleichzeitig aber auch unter Nutzung der
Fürsorge durch die engste Familie, erfüllt hast.
Womit ich Dir abschließend in meinen Gedanken, die ich Dir
seit vielen Jahren regelmäßig widme, die wir in unzähligen tiefen Gesprächen
ausgetauscht und gerade auch nach dem Tod meines Vaters intensiv diskutiert
haben, zurufe, Du mögest in Frieden ruhen und die Verwerfungen, die durch Dich
entstanden sind mitnehmen in Dein Grab, um so den Weg freizumachen für eine Zukunft
Deiner Kinder in einer Harmonie, die Du zwar immer propagiert, aber oft durch
Taten konterkariert hast.
Wahre Worte!
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