Was machst du? (S1/F3)
„Was machst du?“ will sie als nächstes von mir wissen. Es dämmert langsam, draußen geht die Straßenbeleuchtung an. Ich schaue aus dem Fenster, schaue auf den Wohnzimmertisch, schaue sie an. „Geheimauftrag?“
„Nein, Anwendungsmanager.“ – „Oh, wie cool. Und was macht man so als An-wen-dungs-manager?“ – „Langweiligen Kram.“ – „Du bist ein Nerd, wusste ich es doch.“ – „Also, Nerd ist vielleicht nicht so ganz richtig.“ – „Was ist denn richtig?“ – „Anwendungsmanager. Hab ich Ihnen doch gesagt.“ Das könnte jetzt so weitergehen, ich greife zu meiner Fenchelteetasse.
„Und Sie?“ – „Was?“ - „Was Sie machen“ – „Ach so, ja, ich bin singende und tanzende Hausfrau.“ Pause. „Und männervernaschender Vamp.“ Pause. „Und bei Vollmond bin ich Werwolf.“ Sie springt auf, wirft die Arme in die Luft, legt den Kopf in den Nacken und fängt an, wie ein Wolf zu heulen.
„Bitte!“ sage ich. Sie heult weiter, in etwas höheren Tönen, jetzt noch höher. Ich warte, dass die Gläser im Schrank anfangen zu klirren, aber es passiert nichts. Sie holt Luft, beugt sich vor und unterstützt das nächste Heulen noch durch ein Zucken ihres Körpers.
„Mach mit, das entspannt.“ – „Bloß nicht.“ Sie zerrt mich vom Sofa, der Fencheltee spritzt durch die Gegend. „Dein Kraftzentrum, denk an dein Kraftzentrum.“ – „Hab ich nicht.“ Ihre Arme sind um mich verschlungen, alles rüttelt und schüttelt, dazu wieder dieses Heulen.
Unvermittelt lässt sie mich wieder los, ich lande auf dem Couchtisch während sie weiterzappelt. „Zeit für Musik, was willst du hören?“ Ein wenig atemlos lässt sie sich neben mir auf den Couchtisch fallen, das Holz knirscht, aber er hält uns beide aus. „Was machst du noch mal?“ – „Anwendungsmanager.“
„Ach ja, stimmt. An-wen-dungs-manager. Ein Nerd im Geheimdienst ihrer Majestät.“ Sie schiebt sich wieder vom Tisch auf den Boden, läuft auf allen Vieren zum Sideboard und drückt dort auf einer Musikanlage herum. „Mozart für Babys.“ Es ertönt irgendeine Mucke zwischen ACDC und Nickelback.
„Ich studiere Design.“ – „Ah, interessant. Übrigens wollte ich gerade gehen. Vielen Dank für alles.“ Schon sitzt sie wieder neben mir auf dem Tisch, drückt meine Hand auf die Tischplatte und dirigiert mit der anderen Hand die unsichtbare Rockband. „Gut, nicht?“ – „Nicht so ganz mein Geschmack.“
Tatsächlich gelingt es mir, meine Hand unter ihrer zu befreien, mit ungewohntem Tempo schaffe ich es bis zur Wohnungstür. „Dein Rucksack!“ – „Oh, Danke, ja, den hätte ich fast vergessen. Auf Wiedersehen dann.“ – „Servus, und komm gut heim.“
Fast im Laufschritt mache ich mich auf den Heimweg. Treppe runter, ein paar Schritte durch einen kleinen Park, Treppe hoch, Wohnungstür. Uff. Ich atme tief aus, was war das für ein Nachmittag, entleere meinen Rucksack und schalte den Backofen für meine Pizza an.
[Das gibt es seit 14.02.25 als kleine Serie jede Woche]
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