03 Januar 2025

Bist du wahnsinnig?

Bist du wahnsinnig
Wir sitzen bei einem Kaffee zusammen, ich erzähle meinem Freund von meinem geplanten Stellenwechsel. Erst hört er mir aufmerksam zu, dann erwähne ich die neue Gruppe, in der ich tätig sein werde. „Bist du wahnsinnig?“, zischt er mich an, „das sind alles Arschlöcher!“.

Einen Moment bin ich schockiert. Er kennt die Leute, hat im Gegensatz zu mir schon mit ihnen zusammengearbeitet. Und hat so ein vernichtendes Urteil über diese Personen. Mein Kaffee steht vor mir, hat längst aufgehört zu dampfen, was aber auch an der Milchhaube liegen könnte. Wird am Ende in beiden Fällen nichts so heiß getrunken wie es gebrüht wurde?

Das Gespräch geht weiter, er berichtet von allerlei Situationen, in denen er schlechte Erfahrungen gemacht hat. Aufgelaufen ist er, ja, geradezu von Mobbing könnte man sprechen. Sehr schwierige Charaktere, die sich in dieser Organisationseinheit versammelt hätten. Er sei vor einiger Zeit dort gegangen, sicher, das hatte auch etwas mit der in Aussicht stehenden Führungsposition zu tun.

Sein Lebenslauf ist anders als meiner, sein Charakter auch. Es steht außer Zweifel, dass ich andere Erfahrungen machen werde als er, nicht unbedingt bessere, das ist mir klar, aber ich habe eine gewisse Chance, einen grüneren Zweig zu erwischen. Ob denn nichts gut gewesen wäre, will ich von ihm wissen.

Tatsächlich muss er erst kurz nachdenken, aber dann fallen ihm doch noch ein paar lobende Worte für den einen Kollegen und eine gewisse Anerkennung für einen anderen ein. Und der Chef, der war immerhin ein Lichtblick. Sonst hätte er es ja nicht so lange ausgehalten. Aber trotzdem fragt er sich, ob ich mir das richtig überlegt hätte.

„Nein“, erkläre ich ihm, „ich kann mich für den Gruppenleiter begeistern, das Thema habe ich mir gar nicht so genau angeschaut und die Mannschaft auch nur kurz überflogen. Die meisten kenne ich nur flüchtig und die Kollegen in den kooperierenden Bereichen sogar noch weniger.“

„Siehst du, genau das war der Fehler“ raunt mir mein befreundeter Arbeitskollege jetzt zu. Du darfst doch nicht nur nach einer Person gehen, es gibt so viele Typen, die in dem Umfeld unterwegs sind und alle können dir das Leben schwer machen. Was sie dort übrigens auch tun.“

Mir rutscht das Herz in die Hose. Sollte ich mich wirklich so vertan haben, geblendet von irgendeinem Aspekt, der mir bei meinem Wechsel im Mittelpunkt zu stehen schien? Lagen jetzt Zeiten des Kleinkriegs, dauernder Reibereien und mühsamer Arbeit vor mir? Wäre es nicht sogar ratsam, den Wechsel noch abzublasen und aus einer ruhigen Position heraus noch mal genauer hinzuschauen?

Wir wechseln das Thema, nicht ohne dass er mich noch mal eindringlich ermahnt, die versäumte Beschäftigung mit der neuen Stelle nachzuholen. Dann geht es um Ferien, Urlaube und irgendwelche politischen Geschichten, die ich nur mit halbem Ohr aufnehme.

Irgendwann beenden wir dann unseren Austausch, er eilt wieder an seinen Arbeitsplatz, während ich ein wenig energielos noch einen Moment sitzenbleibe. Just in dem Augenblick kommen drei Kollegen der neuen Gruppe in die Cafeteria, haben wohl jetzt ihren Nachmittagskaffee hier geplant. Fröhlich begrüßen sie mich, fragen, ob ich schon gehen wolle oder nicht noch ein paar Minuten mit ihnen sitzenbliebe.

Ich lasse mir meine Irritation nicht anmerken, habe ich sie doch gerade in schlechtem Licht dargestellt bekommen und werde jetzt nahezu freundschaftlich behandelt. Natürlich bleibe ich sitzen, trinke noch eine Cola und erfahre etwas über die zukünftige Arbeit, dass sie sich auf meine Unterstützung bei der zunehmenden Arbeitslast freuen und vor allem große Hoffnung darein setzen, dass wir gemeinsam eine engere Kopplung mit den Fachbereichen hinbekommen.

Vorsichtig fühle ich mit der einen oder anderen Frage in Richtung absehbare Reibereien, kritische Töne oder verfahrene Situationen nach. Aber es klingt alles ziemlich harmlos. Sicher, es gibt viel zu tun, sei es hinsichtlich Arbeit, sei es hinsichtlich Team, aber es scheint machbar; Was sich auch mit der Darstellung der Führungskraft deckt.

Als wir uns schließlich trennen erwähnen sie noch meinen Kollegen, von dem sie sich freiwillig getrennt hätten, weil er den Zusammenhalt regelmäßig gestört hätte, aber „Schwamm drüber, jetzt bist du ja demnächst da.“

Happy End: Beide Seiten hatten in gewisser Hinsicht Recht. Die ersten Monate waren geprägt vom Aufbau einer positiven Zusammenarbeit mit anderen beteiligten Gruppen, insbesondere die Entwickler waren dabei anfangs wirklich schwierig ins Boot zu bekommen. Aber nach einiger Zeit nahmen die Spannungen ab und zum Jahreswechsel konnten wir uns schon so gut in die Augen schauen, dass wir gutgelaunt eine lustige Feier zusammen hinbekamen.

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