24 November 2023

Fühle mit mir

Fühle mit mir
So wie du / da vor mir stehst
Solltest du / Verständnis haben
Und den Weg / den ich jetzt geh‘
Könnten wir / gemeinsam starten

Und fühle / und fühle mit mir
Gemeinsam sind wir / ein Traumpaar.

Alles da / was du jetzt brauchst
Glück allein / wirst du nicht finden
Mein Gefühl / ist was du glaubst
Schwierigkeit / zu überwinden.

Und fühle / und fühle mit mir
Gemeinsam sind wir / so glücklich.

Fühle das / was dich umgibt
Spüre es / lass Hände tasten
Dein Gespür / weist dir den Weg
Lass es zu / Du darfst nicht rasten

Und fühle / und fühle mit mir
Gemeinsam sind wir / Pfadfinder.

Es ist da / das ist gewiss
Empathie / ist unsere Chance
Gerade jetzt / gemeinsam ziehen
Auf zur Jagd / wir geh’n aufs Ganze

Und fühle / und fühle mit mir
Gemeinsam sind wir / ein Dreamteam.

Wir sind klein / die Welt ist groß
Was du fühlst / ist super wichtig
Nimm die Hand / wir stürmen los
Nur als Team / läuft alles richtig

Und fühle / und fühle mit mir
Gemeinsam sind wir / unschlagbar.

17 November 2023

Tierischer Ball

Tierischer Ball
Der angekündigte Ball hatte mich schon seit Tagen beschäftigt. Kleidung, Parfüm und Anfahrt waren Teil der aufregenden Vorbereitung. Mit gutem Vorlauf war ich schon kurz vor der Öffnung angekommen und stand nach Garderobenabgabe und erster Orientierung ein wenig unschlüssig zwischen den eintreffenden Gästen. Gerade war eine ganze Gruppe junger Frauen eingetroffen, wie die Gänse schnatterten sie eifrig miteinander, jede Menge Bewegung und viel bunte Kleidung. Kurz: Weder zu überhören noch zu übersehen.

In diesem Moment sah ich sie. Die Eingangstür öffnete sich und herein schwebte ein Schwan. Eigentlich war es nur eine gewöhnliche Frau, aber mit ihrem stolz aufgereckten Hals und einer bemerkenswert souveränen Ausstrahlung kam sie ihrem tierischen Pendant ziemlich nahe. Doch kaum im Getümmel angekommen ging sie im Durcheinander der Gänse unter.

Ich schlenderte weiter zu den Saaltüren und warf einen Blick auf das Abendprogramm. Noch in Gedanken vertieft bemerkte ich den Schwan wieder, er hatte sich aus dem Pulk gelöst und schien an einem Stehtisch auf jemand zu warten. Was nicht lange dauerte, denn herein kam eine Mischung aus Giraffe und Pinguin. Ein langer, schlaksiger Herr in dunklem Anzug mit Fliege lief schnurstracks auf sie zu, Küsschen rechts, Küsschen links.

Bong, machte der Lautsprecher, die Saaltüren wurden geöffnet und eine Reihe hilfreichen Geister kontrollierte die Einlasskarten. Bei Bedarf wurde man bei der Suche nach dem zugewiesenen Tisch unterstützt, freundliche Maisen zwitscherten Tischnummern und schlugen eifrig mit den Flügeln bis ich am richtigen Ort angekommen war.

Weiter hinten wieder mein Schwan, allerdings jetzt wieder ohne den Giraffenpinguin. Am runden Tisch mit seinen zahlreichen Gläsern, den silbernen Platztellern und den weißen Servietten kam sie jetzt wieder voll zur Geltung. Sie streckte ihren schönen Hals über die üppige Blumendekoration und plusterte ihre Arme in den weiten Ärmeln ihres cremefarbenen Kleides.

Wie eine Wiederholung der Eingangsszene währte dieser Anblick aber nicht lange, denn rudernd und durch den Willkommenssekt noch lebhafter geworden watschelten die Gänse heran. Umgeben von Ameisen mit Tabletts voller Getränke und ersten Häppchen bahnten sie sich einen Weg durch den voller werdenden Saal, ließen sich auch nicht von den tischanweisenden Maisen beeindrucken und trippelten mal links an einem Tisch vorbei um dann wieder nach rechts zu schwenken und als Schar endlich beim Schwanentisch stehenzubleiben.

Durch die aufgeplusterten Kleider der Gänse verlor ich den Sichtkontakt zu meiner Schwänin und widmete mich der Getränkekarte. Kaum die Brille aus meinem Revers gezogen legte sich eine große Tatze auf meine Schulter und ein freundlich dreinblickender Bär stellte sich höflich vor, um mein Tischnachbar zu werden. Zu seiner etwas behäbigen Art passte denn auch gut seine Begleitung, eine liebenswürdige Hummel, die ihre korpulente Erscheinung durch eine bemerkenswerte Kopfbedeckung über gestreiftem Oberteil ergänzte.

Es versprach ein interessanter Abend zu werden, besonders gespannt war ich auf die Zulosung meiner Partnerin, hatte sich doch der Veranstalter für ein Losverfahren für Singlevermittlung entschieden. Der Saal füllte sich, auf der Bühne machten sich die Musiker bereit und die Tische waren schon fast vollständig besetzt. Jetzt sah ich auch den Schwan wieder, aufgestanden vom Gänsetisch setzt sie jetzt ihre geradezu charismatische Erscheinung wieder in Szene.

Ich konnte meine Augen kaum von ihr lassen, wurde aber jäh aus meinen Gedanken gerissen, weil eine getigerte Katze mit feurigen Augen an meinem Tisch erschien. Einen kurzen Moment wirkte sie unsicher, vergewisserte sich, dass sie am richtigen Tisch angekommen war und schon glitt sie auf den Stuhl neben mir, nicht ohne ihren langen Schweif in Form der Schleppe ihres Ballkleides zur Seite zu platzieren. Ein schneller Blick auf ihre Beine ließ vermuten, dass sie auf der Tanzfläche geboren war.

Mein Tisch war nun voll besetzt, auch mit der Abwechslung von Mann und Frau war alles weitgehend richtig gelaufen, mal abgesehen vom Bären zu meiner linken. Abzählend wurde mir klar, dass ich die Ehre mit der Tigerkatze haben würde. Sicher nicht die schlechteste Wahl, wobei ich nicht einschätzen konnte, ob meine Tanzsportlichkeit bei ihr nicht an ihre Grenzen geraten könnte. Wir wechselten ein paar Worte, tasteten uns verbal ab und tauschten uns über unseren ersten Eindruck von dem Ball aus.

Unvermittelt setzte Musik ein, das Erdhörnchen am Mikrofon streckte putzig den Hals und wartete auf seinen Einsatz, während der Boxer am Schlagzeug sich an den Fellen abarbeitete. Meine Partnerin hatte schon den Stuhl zurückgeschoben, wartete ungeduldig auf meine Aufforderung und ließ sich begierig zum Parkett begleiten, wo sie ihren Schweif beiseite nahm und mit geschmeidigen Bewegungen fast lauernd in den Paartanz überging.

Nur wenige Takte später hing sie an mir, ein Taumel zwischen Raubtierangriff und tänzerischem Verlangen ließ mich alles um mich herum vergessen. Waren da wieder die Gänse, musste ich dem Bären mit seiner Hummel ausweichen oder wäre ich beinahe gegen den Giraffenpinguin gestoßen? Ich konnte nur den immer wilderen Tanz mitmachen, die schlimmsten Stupser vermeiden und versuchen auf den Füßen zu bleiben.

Eine wilde Nacht nahm ihren Anfang, ein Zoo von aufgescheuchten, hochfrisierten und bewegungsfreudigen Gestalten versetzte die Tanzfläche in ein hochgeheiztes Terrarium unter Dauerbeschallung. Eine Python schien sich um den Körper eines Zweibeiners zu winden, irgendwo in der Mitte ein Schwarm Fische, die ihren Partytanz mal nach links und mal nach rechts wogen ließen. Ich ließ mich mitreißen vom Strudel der Eindrücke, meine Tigerkatze jagte auf mich zu, an mir vorbei, um nach eleganter Pirouette wieder in meinem Arm zu landen.

Mit roten Wangen und durstig von der Anstrengung kehrten wir in der Tanzpause zu unserem Tisch zurück. Der Schwan stand auch wieder an seinem Tisch, der Pinguin war allerdings nicht zu sehen. Noch einen Moment blieb ich stehen, hob mein Glas und sah voller Freude, dass auch die Schwänin ihrerseits das Glas in die Hand nahm und mir zu meiner Überraschung zuprostete. Wie sie so da stand und den Hals reckte, den Sekt in der einen, einen langen weißen Schal in der anderen Hand war sie der Traum jedes Tänzers.

Fast zeitgleich mit dem ersten Ton der neuen Tanzrunde setzte ich mein Glas ab und eilte auf sie zu. Ich hatte keinen Gedanken mehr für die Tigerkatze, auch nicht für den Pinguin, der ganze Raum schien leer zu sein bis auf den Schwan und mich. Sekunden später schmolzen wir ineinander, es war eine Herausforderung für mich, ihre unbeschreibliche Grazie zu feiern, ihr den würdigen Rahmen zu verleihen. Alles Getier um uns herum versank in einem allgemeinen Morast, nur wir zwei drehten unsere Runden zur Musik.

Ich kann mich nicht erinnern, wie der Abend weiter verlief, es war ein Rausch ohne Drogen, ein Genuss ohne Kater. Wahrscheinlich tanzten wir ohne Pause, atemlos, nur kurz an den Tisch, um einen Schluck zu trinken und dann direkt weiterzumachen. Irgendwann hörte die Band auf zu spielen, eine Weile lief noch Musik von einem DJ, dann kehrte langsam Ruhe ein.

Wir lösten die Tanzhaltung auf und schauten uns geradezu überrascht um. Die Arche Noah war leer bis auf ein paar tischabräumende Ameisen, deren Bewegungen der späten Uhrzeit geschuldet aber deutlich langsamer geworden waren. Ich schaute noch einmal meinem Schwan ins Gesicht, der anmutige Hals und die prächtigen, wenn auch eingefalteten Flügel waren so schön wie am Anfang des Abends.

Unwillkürlich musste ich weinen, war es doch das Ende eines unwiederbringlichen Erlebnisses, eine Singularität nicht nur im Alltag, sondern in meinem Leben. Wie durch einen Schleier nahm ich noch war, dass wir zur Garderoben liefen, unsere Mäntel abholten und nach einer nicht endenden Umarmung in die Welt der Menschen zurückkehrten.

10 November 2023

Wohin soll das führen

„Madame et Monsieur“, höre ich eine Stimme sagen und frage mich, was ich hier soll. Ich sitze in einer dieser bemerkenswert uniformen Produktpräsentationen für irgendeine Software. Wie gewohnt ist das angebotene Computerprogramm die Lösung aller Probleme, der Schlüssel zum Erfolg und so weiter und so weiter.
Wohin soll das führen
(Pixabay - AI generated)

Kurzer Werbeblock, der junge Mann am Mikrofon übergibt das Zepter an seine hübsche Kollegin, immerhin ein schöner Anblick, der durch einen Schluck Begrüßungssekt noch mal gesteigert wird. Sie erzählt natürlich genauso unsinnige Behauptungen wie ihr Vorredner, ach, warum müssen gutaussehende Menschen nur immer meinen, dass sie auch intelligent seien.

Mittlerweile haben wir uns zu den Kernqualitäten des Produktes vorgearbeitet, im Jargon der Berater werde ich auf eine Customer Journey mitgenommen, mit leuchtenden Augen werden die low hanging fruits geerntet und die pain points gestresst. Anstelle von lebendiger Handarbeit bekomme ich dutzendfach abgestimmte Folien zu sehen, hier hat sich die geballte Schwarmintelligenz der Vertriebsabteilung aufsummiert.

„Gibt es an dieser Stelle schon Fragen, ansonsten darf ich Sie einladen, nachher an den Stehtischen mit uns ins Gespräch zu kommen.“ Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Phase noch in wachem Zustand erlebe. Munter geht es vorne mit Aussagen zu exponentiellem Wachstum weiter. Kann diesen schlauen Menschen nicht mal jemand erklären, dass nicht alle überproportionalen Verläufe automatisch exponentiell sind?

Nach Jahren der Flaute für die Teufel-an-die-Wand-Maler ist nun endlich wieder die Gelegenheit für düstere Zukunftsaussichten und das Ausschmücken von dramatischen Geschäftsentwicklungen. Wer die Zeichen der Zeit nicht erkennt, der ist abgehängt, ohne den unverzüglichen Kauf dieses Produktes gibt es vielleicht kein morgen.

Sicher ist es eher eine entfesselte Erinnerung ferner Vergangenheit, aber irgendwie kommen mir die Inhalte bekannt, ja geradezu vertraut vor. Das habe ich doch schon mal gehört, wenn auch in anderen Räumen und von anderen Personen. Sollte mein Toaster nicht seinerzeit den Geist aufgeben, wenn die technische Menschheit ins neue Jahrhundert startete? War nicht Prozessautomatisierung das Allheilmittel gegen den allgemeinen Schlendrian?

Vorne ist mal wieder Bewegung, die Hübsche ist wieder aufgestanden, stellt sehr sehr kluge Fragen und erhält sehr sehr kluge Antworten. Die sind mit Sicherheit nicht abgesprochen, davon bin ich überzeugt und es ist auch gewiss Zufall, dass der Vortragende passende Folien dazu in Petto hat. Ich ringe mit mir, ob ich lieber Bullshit-Bingo spielen oder selbst eine kluge Frage stellen soll. „Wenn Du nichts bezahlst, bist Du das Produkt“ schießt es mir durch den Kopf. Vielleicht sollte ich eher sagen „… bist Du das Opfer.“

Mein Nebenmann steht auf, die anderen Zuhörer auch, ich rekapituliere schnell noch mal die Inhalte der letzten Stunde bevor ich mich in Richtung Stehtische in Bewegung setze. „Ein interessanter Vortrag und so spannende Erkenntnisse zu den drängenden Fragen der aktuellen Herausforderungen“ lässt mich ein älterer Herr mit einem Häppchen in der Hand wissen. Und da ich kein Spielverderber bin stimme ich ihm freundlich zu. „Auf jeden Fall“, flüstere ich ihm zu, „wir müssen aus der Vergangenheit lernen, um für die Zukunft bereit zu sein. Denn sonst weiß ich nicht, wohin das führen soll.“

03 November 2023

Müßiggang

Müßiggang
Der Segelflieger ist geschwind,
Geschwinder meist, als man es denkt.
So geht es auch dem Axel nun, 
Als er gedenkt sich auszuruh’n.
Von der harten Mathe-Zeit.
Doch auch der Lehrer ist bereit.
Der Unterricht, sein Ein-und-alles,
Sein Motto ist: Kommt oder lasst es.

Der Axel nimmt sich schnell das Blatt,
Fängt an zu falten, streicht es glatt,
Denn wichtig ist bei diesen Dingen,
Dass sie den Wettkampf klar gewinnen.
Der Lehrer denkt sich: „Lass mal seh’n“
Nein, Axel, nicht, so kann’s nicht geh’n!
Ganz unauffällig kommt der Leiter,
Axel merkt nichts, faltet weiter.

Gar traurig ist es anzuseh’n:
Das Flugzeug, das noch im Entsteh’n,
Wird nun zerknüllt und ganz zerstört,
Der Axel guckt etwas verstört.
Doch lange hält die Phase nich,t
Der Lehrer sieht ihm ins Gesicht,
Und sagt verärgert: „Danke schön,
Herr Axel Rolle, du kannst geh’n!“

So endet oft die Kunstnatur,
Denn von Erkenntnis keine Spur,
Woll’n die Leute, was sie lehren,
Und meine, es wär‘ ein Begehren,
Der Schülerschaft das einzuspeichern,
Womit die Lehrer sie bereichern.
Doch viel zu oft wird dann verkannt,
Dass dies den Schülern längst bekannt.

So hält sich’s auch in diesem Falle,
Der Lehrer missversteht sie alle.
Und hätt‘ er selbst in jungen Jahren
Einmal am eig’nen Leib erfahren,
Wie sehr erfahr’nes Unrecht drückt,
Dann wüsst‘ er jetzt, warum’s nicht glückt,
Die Schüler in sein Fach zu pressen -
Die wollen lieber Mittagessen.

Jaja, die Schule drückt sie sehr.
Alle, alle haben’s schwer.
Denn nicht nur Schüler mit Problemen,
Die sich nach etwas Liebem sehnen,
Und dies in ihre Bänke schnitzen,
Nein, auch die Lehrer müssen schwitzen.
Wenn einer nichts verstehen kann
Erlöst auch sie der Pausenklang

So geht es allen Jahr um Jahr,
Bis eines Tages laut und klar,
Der Herr Direktor gibt jetzt an:
Das Abitur ist dann und dann.
Und aus ist’s mit der Schularbeit,
Allmählich war’s ja auch so weit.
Und selbst der Axel steht bereit,
Vergessen längst die Fliegerzeit.

[Diese Woche bei den Glossen: Lehren und Belehren]
[Diese Woche beim Interdisziplinären: Hebammen und Erzieher guter Ideen]