27 Januar 2023

Ist von uns gegangen

Trotzdem war er gekommen. Nicht alleine, sondern er hatte seinen Anhang mitgebracht. Und da soll einer sagen, es wäre kein Fest geworden: Wie alle dastanden und Sekt tranken. Dann die kurze Ansprache und ein Grußwort an die Freunde. Dass ihr überhaupt gekommen seid. Ich fühle mich so richtig wohl, wenn dieses Gemurmel und Geklatsche im Gange ist und man einen guten Tropfen im Magen hat. Wie schön.

Ist von uns gegangen
*

Leider ist er nicht mehr da. Denn das hätte ich beinahe vergessen: Er wird heute leider nicht bei uns sein, denn er ist von uns gegangen und hat uns in stiller Trauer zurückgelassen. Dabei war er so ein fröhlicher Mensch, manchmal vielleicht ein bisschen launenhaft, aber ein fröhlicher Mensch. Trotzdem war er gegangen.

*

Ich sitze dabei und überlege, denke an das Stück Lebensweg, das wir zusammen verbracht haben. Wir bitten, von Beileidsbezeigungen am Grab Abstand zu nehmen. Wir wollen ihn in aller Stille vergessen und nur von der Erinnerung leben, bis er zurückkehrt und wieder unser Bruder ist. Denn bestimmt gibt es eine Zeit und einen Treffpunkt. Nur heute müssen wir ohne ihn feiern.

[Andere Blogs: Interdisziplinäre GedankenDienstliche Glossen]

20 Januar 2023

Mitfahrregeln

Mitfahrregeln

1. Sie sitzen in einem Auto, das jemand anders gehört.

2. Beschwerden sowie Verbesserungsvorschläge deponieren Sie bitte im nächsten Papiercontainer.

3. Rauchen Sie, wenn Sie wollen. Nur nicht in diesem Auto.

4. Selbstmörder machen in der Gesellschaft Platz für andere Menschen. Schnallen Sie sich bitte trotzdem an.

5. Falls gerade Musik zu hören ist, so ist sie schön.

6. Ermuntern Sie Ihren Chauffeur von Zeit zu Zeit mit kleinen Beifallsbekundungen.

7. Als Copilot sind Sie für die Reiseroute mitverantwortlich.

8. Müll ist zu vermeiden und spätestens am Ende der Tour getrennt zu entsorgen.

9. Unterhaltung orientiert sich in Inhalt und Umfang am Wunsch des Lenkers.

10. Genießen Sie das Fahren in diesem Auto. Es könnte das letzte Mal sein.

13 Januar 2023

Schneeflöcken, Weißröckchen

Schneeflöckchen, Weißröckchen
Schneeflöckchen, Weißröckchen,
Wann kommst du geschneit
Du kommst aus den Wolken
Dein Weg ist so weit

Schneeflöckchen, Weißröckchen,
Der Wald steht ganz still
Die Äste sie knacken
Ein kaltes Idyll

Schneeflöckchen, Weißröckchen,
Da wankt doch ein Mann
Er fasst seine Seite
Und hält plötzlich an.

Schneeflöckchen, Weißröckchen,
Ein Auto ganz leis
Fährt langsam von dannen
Die Fahrbahn voll Eis

Schneeflöckchen, Weißröckchen,
Der Mann wankt und fällt
Ein Arm schnellt nach oben
Die Hand ist voll Geld

Schneeflöckchen, Weißröckchen,
Ein Hund kommt dazu
Beschnuppert den Menschen
Vom Kopf bis zum Schuh

Schneeflöckchen, Weißröckchen,
Das Geld fliegt im Wind
Flattert lustig von dannen
Verteilt sich geschwind

Schneeflöckchen, Weißröckchen,
Der Kerl zuckt noch mal
Und aus seinem Mantel 
Ragt ein Messer aus Stahl

Schneeflöckchen, Weißröckchen,
So lass ihn in Ruh‘
Deck mit Deinen Flocken
Den Sterbenden zu

Schneeflöckchen, Weißröckchen,
Wer eilt da vorbei?
Es sind nur Passanten
Sie seh‘n keinerlei.

Schneeflöckchen, Weißröckchen,
Ganz rot ist der Schnee
Ein Toter am Boden 
Und still ruht der See

06 Januar 2023

Sie

Das Leben des Menschen ist eine große Überfahrt. So albern – dass man ins Wasser fallen kann, so schizophren, dass es zu Ende ist, wenn wir endlich ankommen. Ein Nebel liegt über dem Wasser.
*
Sie

Es ist früher Morgen, die Nebelhörner der Schiffe blasen und singen mit dem Wind eine schaurige Arie. Es ist kalt, an diesem frühen Morgen, an dem der Tau das kraut nass werden lässt und so manches Blatt strahlte, würde nur ein kleiner Sonnenstrahl es bescheinen.

Feuchte Luft atmet man ein, atmet sie wieder aus: Schwaden, die aus geöffneten Mündern und aufgeblähten Nasen steigen und sich nach ein paar Metern auflösen in die allgemeine Trübe dieses traurigen Herbstwetters. Doch es ist nicht Herbst, es ist Frühling, Frühling ist über das Land gekommen, hat sich herangeschlichen, unbemerkt und ein bisschen verstohlen blinzelt er nur hier und da ein wenig, dem Kennerauge wohlbemerkt, zwischen der Leblosigkeit des Winters hervor. Unten am Hafen wird die erste Pulle aufgemacht, um die Kälte aus den Knochen zu vertreiben.
*
Im späten Mai letztes Jahr, als es ein paar warme Tage, die der Sommer als Gruß vorgeschickt hatte, gab, hatten sie sich einander tief in die Augen gesehen, hatten sie sich ihm hingegeben, sich zärtlich streicheln lassen und ihm dies und jenes zwischen ihren Küssen ins Ohr geflüstert. Draußen waren sie, es war warm und alles so Sommer, bei der Hand genommen hatten sie sich und in dieser Berührung die Sehnsucht gefühlt, die nur zwei Herzen fühlen, wenn sie sich bei der Hand nehmen, an einem warmen Frühlingstag. Lassen wir sie – Sie gingen hinunter an den Hafen, sahen den Schiffen zu, über Winter herausgeputzt und also im neuen Glanz, wie sie über den Kanal glitten, auf das offene Wasser zu, um dann, manche erst nach Stunden, am Horizont zu verschwinden. In einer Kuhle hatten sie gelegen und sie hatte ihn gestreichelt, erst neckisch, und als er sich zu ihr umwandte und sie anschaute: zärtlich. Er hatte sie berührt, wie nur er sie berühren konnte und dann waren sie beide so verliebt, ja, so ist es schön, nicht wahr, und sie gab sich ihm hin.

Nachdem sie die Schiffe lange genug betrachtet hatten, sahen sie, dass es das Leben war: Die Geburt im Hafen der Ehe, die ersten, vorsichtigen Ausflüge, dann eine Fahrt durch die Bucht, wo die Wellen schon stärker schlagen und im Sommer die Jungen und Mädchen baden, Schmelz gleich dem zarter Schokolade, oder sollte ich sagen zartbitterer Schokolade, um dann hinauszuziehen aufs Wasser, das nur den Grund kennt und den Himmel. Sie sahen, dass sie kein Paar waren und drängten sich aneinander, und wie sie ihn so nah bei sich fühlte, war da etwas von maskulinem Beschützer und Muttersehnsucht, und sie gab sich ihm hin.

Doch er blinzelte sie von der Seite an, sah sie, bis auf den Grund des klaren Wassers ihrer Seele und untersuchte ihr Herz. Seines schlug hoch, als er sie so sah, schön wie dieser Tag am Hafen, wo man voyeuristisch den Schiffen zusah, ohne selbst bemerkt zu werden. Und es schlug höher, als er ihr über das Haar strich, es durch die Finger fallen ließ. Er küsste sie auf den Hals, nachdem er so lange mit ihrem Haar gespielt hatte, und sie drehte sich um, blickte tief in seine Augen und hielt ihren Mund zum Küssen bereit. Eine warme Welle spülte über sie hinweg, als er sie so streichelte, und noch viel heißer wurde die Welle, als sie sich sehr nahe kamen und die Flamme loderte hoch, als sie sich ihm hingab.
*
Die ersten Kältewellen waren über sie gekommen, es war so feucht und alles so klamm in der frühen Kälte des Morgens, und so trostlos das Blasen der Sirenen und das Pfeifen des Windes. Sie fühlte es kommen und übergab sich, während ein Schmerz ihren Unterleib durchfuhr. Fast glaubte sie, ein ehernes Messer zerteilte sie von ihrer Scheide her, da wieder, jetzt öfter in immer kürzeren Abständen, während sie auf ihrem Bett lag und ihre Tante ihre Stirn kühlte, nicht ohne ihr dabei zuzureden. Der Kopf zum Zerplatzen erhitzt, der Rest des Körpers kalt. Grau der Morgen, grau die letzten Tage, grau das Leben im Hafen ohne Ehe. Sie bekam ihr Kind erst gegen Mittag, sehr zur Verwunderung der Tange, vor allem jedoch zu ihrer eigenen Erschöpfung.

Die Erlösung war noch fern, als die ersten Wehen durch ihren Körper liefen und sie krampfen ließen. Bei ihr war die Tante, die sich schon seit Wochen auf diesen Tag vorbereitet hatte. Ein Feuer stach in ihr, tief in ihr und es drohte sie zu verbrennen, während außen das Eis sie schaudern ließ, der Körper zuckte in Krämpfen des Schüttelfrostes wie der Wehen. Es war eine schwere Geburt. Ihr ganzer zierlicher Körper erzitterte, sie selbst dem Tode näher aus dem Leben und der allgegenwärtigen Tante. Sie schloss für einen Moment die Augen, da wieder dieser Schmer, Messer, ein Messer, oh Gott oh Tante, welche Qualen uns der Herr auferlegt hat. Diese saß an ihrem Bett, wischte ihr den Schweiß von der Stirn und betete. Die schmerzverbissenen Lippen, die ganze Mutter so hoffnungsvoll, dass das Ende kommen musste und war doch so nah ihrem eigenen. Tränen schossen ihr in die Augen, sie stöhnte fast schreiend, als die Tante die Decke hebend ihr mitteilte, dass bereits der Kopf zu sehen sei und sie friert und presst und heult und stöhnt. Die Tante läuft im Zimmer umher und betet, stellt warmes Wasser nach hier, legt Decken für den Säugling nach dort, gießt einen Schnaps ein und betet, während sie läuft und der jungen Frau zuredet. Fast ist es geschafft, da werden die Wehen schwächer, die Krämpfe lassen nach und die Mutter schaut die Tante an, sieht zum Fenster, wo der Nebel seine Nase plattdrückt, ist erschöpft von ihrem Werk und schließt die Augen. Die Tante stößt einen Schrei aus, als sie das Kind erblickt, es ist tot, ein Schrei, den die Mutter nicht hört, nicht mehr hören kann: Sie ist bei ihrem Kind.



02 Januar 2023

Herzlich Willkommen im Jahr 2023

Herzlich Willkommen im Jahr 2023
Das neue Jahr ist da – nicht ganz überraschend – und mit ihm kommen auch die guten Vorsätze. Hier eine Auswahl, was man in den nächsten Wochen in Angriff nehmen kann.

Vorsatz  1: Mehr Sport
Ein Klassiker, vermutlich nicht wesentlich jünger als die moderne Gesellschaft.

Vorsatz 2: Gesünder Essen und / oder Diät
Ebenfalls höchst gängig, immer wieder mit großem Eifer begonnen, meist aber im Alltag nicht dauerhaft umgesetzt.

Vorsatz 3: Eine neue Qualifikation aufbauen
Ergänzend zum Beruf oder auch in ganz anderer Hinsicht mal etwas Neues machen. Das kann eine Schulung sein, ein Nebenjob vielleicht oder auch ein neues, z. B. künstlerisches Hobby.

Vorsatz 4: Mehr Zeit für meine Freunde
Seit Jahren wird über Arbeitsverdichtung geklagt, die Burn-Out-Quote nimmt zu. Anlass genug, dagegen zu halten und mehr Zeit für Familie und Freunde zu reservieren.

Vorsatz 5: Positiv denken
Die aktuelle Situation, Randbedingungen, Erlebnisse kritisch oder gar negativ zu sehen kann jeder. Stattdessen fortlaufend positive Gedanken entwickeln und Erfahrungen wohlwollend beurteilen.

Vorsatz 6: Zukunftsorientierung
Da ich die Vergangenheit ohnehin nicht ändern kann, nutze ich meine Energie für die Gestaltung der Zukunft.

Vorsatz 7: Mehr Empathie
Diesen Schlüssel für ein harmonisches Miteinander entwickle ich aktiv weiter.

Vorsatz 8: Mehr Toleranz
Das Ertragen des Anders-Sein, die Akzeptanz anderer Meinungen und Beurteilungen. Das endet nicht mit Gastfreundschaft und Offenheit gegenüber religiösen Riten.

Vorsatz 9: Der Sucht entgegentreten
Die kleinen und großen Abhängigkeiten des Alltags erkennen und gegenhalten. Was beim einen die Zigarette ist, ist beim anderen der Wein, der Joint, die Schokolade oder eine sexuelle Ausprägung.

Vorsatz 10: Der Umwelt nützen, die Umwelt schützen
Den Gedanken der Nachhaltigkeit mit möglichst vielen Facetten wie Müllvermeidung, Verkehrsorganisation oder Energiesparen ins alltägliche Leben integrieren.