21 Oktober 2022

Lebenskünstler

Das war Oli. Er kam einfach rein, setzte sich, guckte vergnügt in die Runde und wartete darauf, was jetzt passierte. Nein, ließ er uns wissen, die Anreise sei gar nicht bequem gewesen. Anzusehen war ihm das allerdings nicht, er strahlte bei dieser Aussage über beide Backen. Wann es losginge, sein Leben ein einziges Erlebnis, dies hier jetzt auch. Wo er denn überhaupt gelandet sei, wir schauten alle aus wie die anonymen Alkoholiker oder vielleicht eher wie Paartherapie.

Letzten Sommer – oder war es das Jahr davor gewesen – erinnere er sich an seine Reise nach Rom, den Heiligen Vater einmal persönlich sehen. Davor in Singapur und Hongkong, Asien sein Favorit, aber auch Deutschland habe viel zu bieten. Ein Haus, das wäre schon schön, aber am Ende doch ein Klotz am Bein. So wie eine feste Beziehung, erläuterte er uns voller Inbrunst.
Das Wichtigste ein gesunder Schlaf, den dürfe man sich nicht nehmen lassen. Ob bei der Rucksacktour oder im Steigenberger. Ob uns klar wäre, dass wir über ein Drittel unseres Lebens verschliefen wollte er wissen und ob wir heute ausgeschlafen wären. Er jedenfalls hatte den Wecker ausgeschaltet, noch mal rumgedreht.

Rausschauen wäre aber auch wichtig. Immer schön aus dem Fenster sehen, die Sonne heute so hell und strahlend. Oh Gott, und dann die Verpflegung: Seine Tasche heranziehend hatte er auch schon eine Wasserflasche in der Hand. Die Stulle für später. Aber nicht für die Arbeit, die macht er auch, gar nicht faul, aber so und dann, wenn es ihm passt. Im Moment mache er ein Sabbatjahr, demnächst gehe es dann weiter.

Ach was, Kinder jetzt nicht, das hat Zeit. Lieber mit seiner Freundin in die Sauna, auch heiß und so entspannend. Das wäre auch was für uns, Stille, zischender Aufguss. Und erst die kalte Schwallbrause danach. Eine Runde schwimmen und ganz schnell ins Bett, wo es weitergeht. Das würde doch jeden Tag abrunden, Rotwein oder doch lieber Weißwein? Er wolle jetzt mal in die Runde fragen.

Aufstehend greift er nach seiner Tasche. Zeit für eine Pause nun, bei dem Wetter wäre Herumsitzen die reinste Verschwendung. Ach, wir wären so ruhig, carpe diem sein Motto wie im Club der toten Dichter. Große Pläne für die Zukunft stehen nur im Weg, jeder Tag ein Erlebnis, das es zu feiern gelte.
Der Tür entgegen, mit wenigen Schritte. Sein Blick noch mal auf uns, neugierig, wie exotische Kreaturen im Zoo.

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