Am Horizont taucht eine Staubwolke auf. Ein Feldweg führt den Blick zu der Wolke, abgefahren, tiefe Reifenspuren. Rechts und links flache Landschaft, Felder, so platt wie Wüste. Und staubig.
Der Punkt wird langsam größer. Wenn man sich von dem Weg nach rechts wendet, kann man hinter dem Flachland ein paar Bergzüge erkennen. Noch weiter rechts nimmt der Bergrücken an Höhe ab. Die Wüste schließt sich nahtlos an. Man sieht keinen Übergang, der Staub verwischt alles. Die Berge, oder besser die Hügelkette bilden die einzige Erhebung von der Wüste, so weit das Auge sehen kann.
Die Sonne kommt etwa aus Süden. Sie führt einen erbarmungslosen Kampf gegen das Lebewesen, das langsam in seinen Umrissen erkennbar wird.
Die Sonne wird langsam weiterwandern, Richtung Westen. Dabei muss sie die staubige Landstraße noch überqueren; vielleicht ist der Mann hier, bevor die Sonne über dem Weg steht. Vielleicht auch nicht. Ein Wettlauf.
Der Mann ist in weißes Leinen gekleidet. Der Anzug verschwitzt und dreckig. Auf seinem Rücken trägt er einen Sack, auch Leinen. Er ist noch etwa einen Kilometer entfernt, aber alles ist genau erkennbar.
Wendet man sich nach links, kann man in der Ferne ein Gewässer vermuten, den Cold Lake. Vor vielen Jahren hat einmal einer versucht, dort ein Haus zu bauen. Die Zivilisation hat ihn eingeholt. Hieran erinnern nur noch die Telegraphenmasten, die den Weg begleiten, auf dem der Mann jetzt kommt.
Er ist noch einen halben Kilometer entfernt, die Sonne steht fast über dem Weg, in wenigen Minuten wird sie genau von hinten kommen, die Schatten der Telegraphen bilden dann eine lange Reihe, das Auge verliert den letzten Halt.
Den Weg haben damals die Siedler genommen, weil er eine gute Verbindung zum fruchtbaren Land darstellte. Heute kommen nur noch selten Leute.
Der Mann in dem verschwitzten Anzug ist auf hundert Meter herangekommen. Man kann seine scharfen Gesichtszüge erkennen, die kleine, harte Nase, vom Wetter gegerbt. Er hat Sandalen an, bei jedem Schritt fliegt der Staub aus den Schuhen heraus, beim Abheben der Füße wird er wieder eingesogen. Die Haare liegen strähnig und wirr auf seinem Kopf, Pflege brauchen sie nicht, sie scheinen überflüssig zu sein.
Die Sonne wird es schaffen. Er hat noch fünfzig Meter zu gehen, sie hat ihren Platz fast erreicht. Vielleicht ist er aber doch vor ihr da.
Den Mann und mich trennen zehn Meter, die Schatten bilden eine Reihe. Er schaut auf den Boden und von Zeit zu Zeit in die Ferne, als wolle er den Weg abschätzen. Vor ihm liegt, was hinter ihm liegt, bis auf die Sonne.
Er sieht nicht auf, als er an mir vorübergeht, er schleppt seine Schritte vorwärts. Ich folge ihm mit den Augen. Die Sonne brennt ihm jetzt genau auf den Rücken. Von hinten ist sein Anzug noch dreckiger, ein Schweißfleck läuft über seinen Rücken, nur unterbrochen durch den Riemen des Beutels.
Er ist schon wieder einen halben Kilometer entfernt. Er geht seinen Weg ohne schneller oder langsamer zu werden, ohne die Richtung zu ändern, ohne…
Die Schatten lösen sich voneinander. Sie zeigen jetzt einen angedeuteten Sägezahn, an dem der Mann entlanggeht, so, dass er sich nicht schneiden kann. Langsam legt sich der Staub wieder, den der Wanderer aufgewirbelt hat. Er ist schon ziemlich weit entfernt, er wird langsam eins mit dem Horizont, der den kleinen Punkt verschluckt.
Die Straße kennt das. Ihr Staub verklebt jeden, die Telegraphen begleiten jeden, die Sonne versucht ihr Wettrennen mit jedem. Und am Schluss verschluckt der Horizont jeden.
Ich sehe, wie der Wanderer verschwindet, eins wird mit der flimmernden Ebene, aus der nur die Telegraphenmasten herausragen.
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