26 November 2021

Das Ende der Kindheit


Es ist früher Morgen
Ich gähne beim Aufwachen und öffne traurig die Augen
Traurig darüber, dass meine Kindheit zu Ende gegangen ist.
Ich schaue aus dem Fenster, Vögel draußen, und dort: Ein Regenbogen.
Ein Blick aus dem anderen Fenster: Der Regen ist abgezogen, die Vögel singen.
Ich bin nicht alleine.

An der Wand mein Spiegel.
Ich drehe mich um, schaue hinein.
Und dort sehe ich ein Kind, es ist das Kind in mir
Ich erinnere mich an all die Liebe, die ich erlebt habe
Hockt dort das Kind, das einst liebte und später seine Naivität verlor?
Ich bin ganz ruhig.

Der Sinn meines Lebens
Ich denke an all die Probleme.
Es gibt so viele Fragen und so wenig Antworten
Ich schaue noch genauer in den Spiegel, da sind doch Zeichen
Die Antworten stecken in mir, nur in mir, ich muss sie nur erkennen
Ich starre gebannt.

Die Sonne geht auf
Ich blinzele in das grelle Licht
Da sehe ich in den Strahlen einen Weg
Ich mache einen Schritt auf die Helligkeit zu
Mein Schicksal scheint am Ende der Düsternis zu liegen
Ich folge dem Licht.

Der Weg führt mich weg
Ich habe mein Schicksal gefunden
Die Asche der Erinnerung glimmt nur noch
Ich lasse den Rebell wieder aus mir heraus
Die Welt wird verändert, von mir verändert
Ich bin unterwegs.

Ein Blick zurück
Ich bin immer noch ein Kind
Nur die Sichtweise hat sich geändert
Ich habe noch die Kraft der Jugend in mir
Denn meine Kindheit ist noch gar nicht zu Ende
Ich ziehe dich mit.

19 November 2021

Wenn ich 70 bin


Ich marschiere durchs Leben
Meine Beine werden steifer
Das Haar ein wenig schütter
Wenn ich 65 bin

Die Rente rückt näher
Mein Geist wird starrer
Urteile härter
Wenn ich 66 bin

Du begleitest mich
Durch all die Jahre
Kennst meine Marotten
Wenn ich 67 bin

Teilen wir noch alles
Brauchen wir uns noch
Ertragen wir die Schwächen
Wenn ich 68 bin

Leben wir nur für uns
Sind wir füreinander da
Helfen wir uns gegenseitig
Wenn ich 69 bin

Lieben wir uns noch
Prickelt Deine Gegenwart
Küssen wir uns
Wenn ich 70 bin

12 November 2021

Ich schreibe, also bin ich.

Es ist schon spät.
Für meinen Stift und meine Gedanken auf dem Papier
Ich sammle, aber die Gebilde werden immer abstruser.
Schon bricht die Logik, nur noch verstreute Bruchstücke.
Zu spät!

Es ist noch zu früh.
Tapfer hämmere ich auf der Schreibmaschine der Phantasie.
Die Wesen der Muse, die Geister des Geistes besuchen mich.
Vor meinen Augen verschwimmt die reale Welt.
Noch Zeit!

Dein Reich komme.
Wie vielfältig die Arten meiner Traumwelt
Vom Aussterben bedroht, von mir geschützt 
Fressketten, an deren Ende ich stehe.
Mittendrin!


Die Zeit ist reif.
Alleine streune ich durch die Dunkelheit der Märchenwälder
Treffe dich und dich und dich
Liebe euch für eure Existenz und die Anregungen, die ihr mir gebt
Jetzt!

05 November 2021

Aufbruch

Herbstkalte Luft. Ich sehe den Lufthauch vor meinem Gesicht, Schwaden meines Atems stehen in der Luft, kühl, unbewegt. Ob es dämmert oder den ganzen Tag schon so lichtarm war, kann ich nicht sagen, Straßenlaternen verbreiten ihr organgefarbenes Licht, tapfer durchdringt ihr Leuchten die Nebelschwaden.

Zum Berg hin ist der Weg matschig, der Regen der letzten Tage hat die Erde durchfeuchtet, das schüttere Gras ist glitschig und bietet den Schritten wenig Halt. Zur oberen Weide hin höre ich das Weidezaungerät, sein Klicken scheint das einzige Geräusch in diesem Stillleben. Ein ganz verhaltenes Gluckern mischt sich noch damit, kaum wahrnehmbares Abfließen des Wassers.

Talseits eine ruhige Idylle, postkartenkitschige Landschaft mit Kirche, die dem Zuschauer eine irreale Harmonie vorgaukelt. Dort wo ein paar Häuser zusammenstehen, geduckt seit Jahrzehnten unter der Last ihrer Dächer, der Erwartung an ihre Haltbarkeit, an den Schutz für die darin lebenden, auch ein Dorfplatz mit Baum, altmodischer Bank, ohne Blätter jetzt .

Noch mal ein tiefer Atemzug, vor meinem Gesicht eine Nebelbank, windstill schon den ganzen Tag muss ich mich bewegen, um wieder sehen zu können, was am Waldrand vor sich geht, denn unübersehbar traut sich gerade ein Rudel Rehe aus der Deckung. Sie haben mich nicht gesehen, können mich nicht sehen, scheu wie sie sind würden sie sonst im Dickicht bleiben, meinen neugierigen Blicken entgehend.


Ich schaue den Tieren zu, nicht bewegen jetzt, fast schon tastend suchen sich die Rehe den Weg entlang der Koppel, der Elektrozaun klickt, nicht für die Rehe, oh wehe, wenn sie daran kämen. Jetzt scheinen sie eine gute Stelle gefunden zu haben, lautlos die Verständigung zu bleiben und die Gräser des Feldes zu zupfen.

Ich fröstele, ziehe die Jacke vorne noch fester zu, neben dem Reisverschluss schlage ich noch den Gürtel über den Umschlag, stelle den Kragen hoch. Auf der anderen Seite der Szene kommt nun auch Bewegung ins Spiel, in der nun deutlich hereinbrechenden Dunkelheit ein Zehnender, kapitaler Bursche mit stolz erhobenem Kopf. Sorgfältig schaut er sich um, entdeckt die Rehe und zögert in der Bewegung bis offensichtlich eines der Rehe ihn entdeckt. Das ganze Rudel hat es nun mitbekommen, die Köpfe drehen sich zum Hirsch, Stillleben für den unbeteiligten Betrachter.

Doch jetzt Leben, sehr vorsichtig, der Hirsch senkt kaum merklich das Geweih, ist da vielleicht noch Leben hinter ihm, für mich nicht zu erraten, aber möglich wäre es, doch dann setzt er sich in Bewegung, ob die Rehe begrüßen oder vertreiben will erschließt sich weder mir noch dem Rudel, aber nach kurzem Abwarten drehen sich die Rehe, ruhig wenden sie sich von ihrer Weide ab und machen Anstalten, in den Wald zu verschwinden.

Der Hirsch beschleunigt den Gang, nein, hinter ihm kann ich keine weiteren Artgenossen erkennen, er ist allein und springt jetzt graziös über den Elektrozaun, um so den Rehen den Weg abzuschneiden, die wiederum auch vom gemütlichen Gang zu zunehmend weiten Sprüngen wechseln und auf den Wald zueilen.

Es sind nur Sekunden und die dunkle Wand hat zuerst die Rehe, dann den Hirsch verschluckt, Knacken des Unterholzes höre ich noch, zuerst recht vernehmlich, dann nur noch vereinzelt, schließlich gar nicht mehr. Einen Moment bleibe ich noch stehen, dann ist alles still, jetzt wage ich wieder zu atmen, die ferne Straßenlaterne versinkt vor meinen Augen im Atemnebel, es wird Zeit für den Heimweg.

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