1. Vorgeschichte
Es war Semesterbeginn. Die ohnehin schon angespannte
Wohnungssituation entwickelte sich dramatisch weiter. Der Wohnungsmarkt
schwankte zwischen komatöser Leblosigkeit und chaotischer Hektik. Ein Zimmer zu
bekommen war mehr oder weniger Zufall, und ich konnte mich glücklich schätzen,
im vierten Stock untergekommen zu sein.
Der Hausbesitzer hatte das Haus schon immer etagenweise
vermietet, dieses Jahr hatte er auch noch den Dachboden ausgeräumt und noch mal
ein Zimmer freigemacht. Ein bisschen Dämmwolle zwischen die Sparren,
Spanplatten drauf und gestrichen. Mein Zimmer.
Bis zum dritten Stock gab es eine normale Treppe und immer
rechts und links Wohnungen mit drei oder vier Studenten, alles
Wohngemeinschaften mit einer Küche und einem Badezimmer. Zum Spitzboden führte
dann eine schmale Stiege, linkerhand ein Speicher, rechts meine Studentenbude.
Ein wenig karg war es schon, ein Bett, ein Tisch, Stuhl und ein kleines
Bücherregal mussten sich den Platz unter der Dachschräge teilen. Immerhin hatte
ich an der einzigen senkrechten Wand ein Waschbecken neben der Tür, so dass ich
mich waschen konnte. Für die Benutzung der Toilette oder eine Dusche musste ich
in die WG unter mir laufen.
2. Kennenlernen
Es war ein sonniger Tag im September, an dem ich mein Zimmer
bezog. Der Vermieter hatte mir noch ein paar Tipps gegeben und feierlich den
Schlüssel übergeben. Es wäre ihm sehr recht, wenn ich pünktlich zahlte und ihn
ansonsten nicht behelligte. Ein wenig aufgeregt lief ich im Zimmer umher,
packte meine Bücher auf den klapprigen Nierentisch, den mir der Hausherr
vermacht hatte. Auch einen ausrangierten Teppich hatte ich noch aus dem Keller
hochgeschleppt, der Geruch würde im Laufe der Zeit schon verschwinden.
Ich legte mich auf das Bett, müde und von den vielen neuen
Eindrücken erschöpft schlief ich ein. Früh am Morgen wachte ich auf, die Blase
drückte und mir wurde bewusst, dass ich in die WG runter musste. Ich warf mir
ein Handtuch über den Rücken, schlüpfte in Sandalen und stieg die steile Treppe
hinunter in die Zivilisation. Doch oh weh, die Wohnungstür war zu und ich hatte
keinen Schlüssel. Trotz der frühen Uhrzeit musste ich klingeln. Nichts
passierte. Mein Harndrang wurde immer stärker, aber ich wollte mich nicht
direkt durch Sturmklingeln unbeliebt machen. Nach einer kleinen Ewigkeit
drückte ich noch mal den Klingelknopf. Und tatsächlich, jetzt hörte ich Bewegung.
Die Tür ging auf, eine junge Frau stand vor mir, Haare zerzaust, aus dem Bett gefallen. „Ja?“ – „Ich wohne über euch.“ – „Und?“ – „Ich muss mal.“ Sie brauchte einen Moment, um zu verstehen. „Komm rein!“. Ich schlüpfte an ihr vorbei und durch den Flur auf die angelehnte Tür zu, die nach WC aussah. Ich tastete nach dem Lichtschalter und bahnte mir einen Weg zwischen Handtüchern und Wäsche zur Toilette. Als ich wieder herauskam, war die Studentin verschwunden. Vermutlich schlief sie schon wieder. Ich zog die Tür leise hinter mir zu und machte mich wieder in mein Zimmer. [Fortsetzung folgt.]
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