02 April 2021

Corona im Paradies

Stehe ich also an der Himmelspforte und sehe mich unvermittelt der Erzengelin Michaela gegenüber, die mir mit ihrem Flammenschwert den Eintritt ins Paradies verwehrt.

Ich bin ein wenig ungehalten, habe ich mich doch angemeldet und nach eigener Einschätzung auch die Zutrittsbedingungen erfüllt. Aber wie so oft im Tod kommt es anders als man vorher nicht gedacht hat. Denn Michaela schaut mich eine Weile an, setzt eine bedauernde Miene auf und erklärt dann die aktuelle Situation.

Tatsächlich werden derzeit überhaupt keine Bewohner des Planeten Erde ins Paradies gelassen. Sie gehören zu einer Risikogruppe, und laut göttlicher Verfügung müssen die Antragsteller*innen – auch wenn sie maskiert sind – abgewiesen werden. Zu groß ist die Sorge, dass an diesem besonderen Ort auch Corona ausbricht und damit die paradiesischen Zustände empfindlich gestört werden, bis diese unter Ächzen höllische Züge annehmen.

Leider kann diese Abschottung auch leicht noch 100 Erdenjahre dauern, Zeit spielt ja hier keine Rolle und – Michaela senkt die Stimme – die Paradieslinge sind ohnehin nicht gerade erpicht auf Neuzugänge.

Enttäuscht höre ich mir die Erläuterungen an, auch das Bedauern in der Stimme bei den Worten „mir sind da die Hände gebunden“ und Fetzen wie „Aufsichtsbehörde“, „Anweisung von oben“ und „ich bitte um ihr Verständnis“ klingen in meinen Ohren wenig überzeugend.

Leider lässt sich die Erzengelin auf keine Diskussion ein und verweist mich auf die Chance nach dem nächsten Leben. Ich solle es bitte nicht persönlich nehmen und dann: „Der Nächste, bitte!“.

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