19 März 2021

Der Schnee macht alles gleich

Heute gibt es verspätet noch einmal ein wenig Schnee. Ein Blick aus dem Fenster, ich schaue den Schneeflocken zu, die sich ihren Weg herabtanzen vom Himmel hoch zu meinen Niederungen und dabei mal hier- mal dorthin zu schauen scheinen, so als ob sie sich noch nicht sicher wären, ob sie wirklich bis auf die Erde herabfallen wollten.

Aber irgendwann sind sie dann doch unten, kuscheln sich zusammen mit ihren Genossen, nicht so eng wie der Regen oder das Eis, vielmehr eine lockere, flockige Gemeinschaft, die den Boden bedeckt, mit windiger Unterstützung zum Teil hoch aufgetürmt zu Schneeverwehungen und kleinen Hügeln und Bergen, die die Menschen mit ihren Schaufeln zu entfernen versuchen.

Wer es nicht bis auf den Boden schafft, bleibt vielleicht auf einem Dach liegen, beschwert mit den anderen Flocken unsere Gebäude und bleibt dort eine Weile liegen, nicht weggeräumt von Menschenhand, eher hinabgezogen in einer kleinen Lawine oder endend als Opfer des Tauwetters, wenn es zu warm wird, um sich halten zu können.

Und wie schön weiß jetzt alles ist, auf einmal strahlen auch trübe Böden makellos, werden Bäume, Äste, Zweige, Steine und alle anderen Gegenstände zu einem formgebenden Untergrund, der von einer Hülle überzogen ist. Spitzen werden weicher, alles ein wenig egalisiert, und je mehr Schnee sich darauf niedergelassen hat, desto weniger kann man die ursprüngliche Form noch erraten.

Hinzu kommt, dass selbst die Geräusche sich verändern, sie sind gedämpft wie die Formen, Spitzen fehlen und eine ungewohnte Stille legt sich über die gesamte Landschaft, als ob mit dem Entfernen der Farbe auch der Ton abgestellt worden wäre.

Wege sind nicht mehr als solche zu erkennen, wir helfen mit Wegweisern und weithin sichtbaren Orientierungshilfen nach, müssen der Natur ein Schnippchen schlagen oder trampeln gewohnte Pfade per Fußabdruck in die weiße Pracht, bis die nächsten Schneewolken kommen und unsere Markierung zu Nichte machen.

Weiter schaue ich gebannt aus dem Fenster, es ist so beruhigend wie der Meeresbrandung zuzusehen, und tatsächlich wirken beide bei Konzentration der Sinne wie eine Einladung zu Meditation, der inneren Einkehr und dem Erkennen unserer eigenen Begrenztheit gegenüber jedem einzelnen Wassertropfen und jeder ach so kleinen Schneeflocke, die durch ihre schiere Vielzahl zu einer für Menschen unkontrollierbaren Gewalt zusammenfinden.

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