Gerade war sie noch nicht da. Ich bin auf einem Fotospaziergang, habe meine gute Kamera dabei und versuche, die Atmosphäre und besonders sehenswerte Bilder einzufangen. Da kommt mir natürlich dieser rote Hydrant inmitten der grünen Landschaft gerade gelegen. Ich schaue ihn mir genauer an, visiere durch den Fotoapparat, verändere die Position und die Einstellung für die Belichtung und auf einmal: Streckt eine Frau ihren Kopf hinter dem Wasserspender hervor.
Ich bin ziemlich irritiert, aber für die Frau scheint es völlig normal zu sein. Sie sieht sportlich aus, ihr T-Shirt ist leicht verschwitzt, vermutlich hat sie gerade gejoggt. Sicher habe ich sie versehentlich aufgescheucht, in ihrem Versteck gar überrascht? Aber so wirkt sie nicht, würdigt die Kamera keines Blickes, und kommt lächelnd auf mich zu. Bevor ich noch ein Wort der Entschuldigung stammeln kann, hat sie mich schon an der Hand genommen und setzt ihr Lauftraining mit mir fort. Es ist mir etwas peinlich, wie leichtfüßig sie dahingleitet, während ich ziemlich untrainiert neben ihr her schnaufe. Zuerst wird sie schneller und schneller und bleibt dann unvermittelt stehen, so dass ich gegen sie pralle und wir beide auf dem Feldweg landen.
Lacht sie mich an oder aus? Jedenfalls scheint es sie köstlich zu amüsieren, sie steht schon wieder und zieht auch mich mit kräftigem Ruck vom Boden hoch. Wie zum Tanz hat sie jetzt beide Hände von mir ergriffen, dreht sich mit mir im Kreis. Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht, aber sie lacht nur, strahlt mich an und ich kann gar nicht anders, als mitzumachen und selbst zu lachen. Schneller und schneller und irgendwann verlieren wir die Kontrolle und liegen wieder auf dem Boden. Was für ein Wirbel, während wir uns beide aufrappeln, diesmal braucht sie auch ein bisschen länger, aber wehgetan haben wir uns nicht. Schon läuft sie wie ein munteres Reh wieder den Weg zurück, ich so gut ich kann hinterher.
Ich habe sie eingeholt, bevor sie den Hydranten erreicht, sie passierend strecke ich meinen Arm aus, und zwinge sie, hinter mir zu bleiben. Das lässt sie nicht auf sich sitzen, stoppt wieder unvermittelt und weicht zur Seite aus, wo die rote Zapfstelle aus dem Grün heraussteht. Wir sind von dem überraschenden Sportprogramm beide ein wenig außer Atem, ich lasse mich fallen, wo ich vorhin hinter der Kamera gehockt habe, die immer noch einsam auf ihrem Stativ steht.