1
Oder wie der alte Mann, der jeden Tag einfach nur so dasaß und den Leuten zuschaute, die an ihm vorbeikamen, fast ein Fels inmitten einer Strömung, verzog er keine Miene, was auch passierte.
2
Wenn ich dann morgens meine Straßenbahn verließ, die in jenem Teil der Stadt als U-Bahn geführt war, musste ich erst einen Gang entlang, eine Treppe hinauf, wiederum einen Tunnel und schließlich – schon im Angesicht des Tageslichtes, wahlweise den letzten Höhenunterschied mit einer Treppe oder Rolltreppe zurücklegen. Und genau auf diesem Abschnitt meines Weges begegnete ich stets einem behinderten Mann, der sich vor mir die Treppe hinaufschleppte, er wählte freiwillig die Mühe, denn er hätte ja hinauffahren können. War ich früh, so sah ich ihn noch am Fuße der Treppe, anderntags, wenn ich vielleicht etwas später den Tunnel entlangkam, war er bereits weiter oben. Eines Tages habe ich ihn dann gar nicht mehr gesehen.
3
Die betonte Langeweile in den Augen des Verkäufers, die selbstverständliche Handbewegung, mit der er mir – einem Störenfried – fast schon verächtlich den Weg wies, der mich in eine weit von ihm entfernte Abteilung ins Exil schickte, woselbst ich nach längerem Suchen etwa fand, was ich weder haben wollte noch mir leisten konnte – diese nämliche Langeweile war es, die mich aus dem Geschäft flüchten ließ in der Hoffnung andernorts fündig zu werden und im Bedarfsfalle meine Wünsche dergestalt zu erfüllen, dass ich mit meinem Kauf und mir zufrieden nach Hause zurückkehren mochte, ohne mich bereits auf der Heimfahrt wegen der erworbenen Artikel, die ich im Grund nur dem Kassierer zum Gefallen ausgewählt hatte, schämen zu müssen und den Rest des Tages in froher, ich möchte fast sagen einer Stimmung der freudigen Erwartung des Auspackens zu verbringen.
4
Nachdem ich den Vormittag sehr konzentriert und entsprechend fruchtbar gearbeitet hatte, kam noch deutlich vor der Mittagspause mein Vorgesetzter durchs Büro gewirbelt. Ich ordnete, als ich wieder allein war, Schreibtisch und Gedanken, schleppte mich noch eine Viertelstunde weiter und musste dann resigniert zugeben, dass ich den Faden verloren und den Anschluss verpasst hatte.
5
In diesem Schaufenster lag – ich möchte nicht näher beschreiben wie – eine junge Dame, vollauf damit beschäftigt, die Auslage in eine ansprechende Form zu versetzen; mich jedenfalls faszinierten weniger die Gegenstände, die sie da ausbreitete, als vielmehr ihre schlanken Hände, mit denen sie meist mit einem Griff die Dekoration aufs entzückendste gestalten konnte. So blieb ich ein Weilchen vor jenem Fenster stehen, nicht ohne meinen Blick auch über den Rest ihres Körpers gleiten zu lassen, von dem ich hier nur den wohlgeformten Po erwähnen möchte und genoss das Entstehen eines Stilllebens, welches vor meinen Augen aus einem Haufen mehr oder weniger wahllos aus den Regalen genommener Sachen erwuchs.
[09/1989]
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