11 Oktober 2024

Foto gemacht

Hohe Tannen weisen die Sterne. Vorsichtig öffne ich meine Augen, Dunkelheit um mich, ganz entfernt meine ich ein paar Lichter entdecken zu können. Es sind Sterne, denn ich liege auf dem Rücken, mein Kopf ruht schwerelos, vermutlich auf weichem Moos.

Langsam komme ich zu mir, die Sterne verblassen und auch die Dunkelheit nimmt ab, vielmehr scheint es eher Tag zu sein. Und auch mein Kopf ist gar nicht so schwerelos. Nur bewegen kann ich ihn nicht. Auch Arme und Beine gehorchen nicht meinem Willen, im Moment kann ich nur liegen und abwarten, wie es weitergeht.

Was mag passiert sein, immerhin kann ich noch denken, wenn auch meine Erinnerung eine Lücke zu haben scheint. Das letzte was ich noch abrufen kann, ist ein heftiger Schlag. Was war davor, ich muss ja unterwegs gewesen sein, wenn ich irgendwo draußen liege.

Ich martere mein Gehirn, versuche die Zeit vor meiner Bewusstlosigkeit zu rekonstruieren. Gleichzeitig der tapfere Antritt, irgendwelche körperlichen Bewegungen auszuführen. Und tatsächlich, jetzt gelingt es mir, die Finger der rechten Hand zu einer Faust zu ballen, noch mal Anstrengung und ich kann sogar die ganze Hand ein wenig anheben.

Also nochmal: Was könnte vorher abgelaufen sein. War da nicht irgendein Ausflug geplant, heute Sonntag wenn ich es richtig vermute, ein Ausflug erst mit dem Auto. Aber hatte ich einen Autounfall oder war das Unglück vorher oder nachher passiert?

Während ich auch andere Muskeln langsam wieder in Gang setze wird mir klar, dass ich trotz meiner merkwürdigen Lage überhaupt keine Schmerzen empfinde. Bin ich schon tot oder ist auch mein Schmerzzentrum so stark geschädigt, dass es nicht mitmacht? Geht das überhaupt?

Es fällt mir schwer, aber ich kann mich jetzt sogar auf die Seite drehen, zum ersten Mal sehe ich meinen Liegeplatz, lauter Steine um mich herum, ein paar Gräser dazwischen. Mit schwerem Arm ertaste ich meinen Kopf, die Haare fühlen sich feucht an, meine Hand ist rot, als ich sie wieder zurückziehe.

Im nächsten Moment tauchen wieder die Sterne auf, es wird noch heller, die wenigen Geräusche wie von Insekten werden überscharf, bis sie verstummen. Meine Augen fallen zu, alles fühlt sich wieder ganz leicht an und ich versinke mit entspanntem Gesicht wieder in der Ohnmacht.

Das junge Paar, das mich schließlich fand berichtete, dass ich dort schon eine Weile gelegen haben musste. Die Platzwunde an meinem Kopf war zur Ruhe gekommen, mein ganzer Körper wie ein lebloser Sack und nur kurze Zuckungen hätten darauf hingedeutet, dass ich noch am Leben war.

Sie hatten mich so gut sie konnten zu zweit hochgehoben und zum nahegelegenen Parkplatz getragen. Dort hatten sie einen Krankenwagen gerufen und die Sanitäter hatten mich dann zum Transport in das nächste Hospital eingeladen.

Foto gemacht
Aus den wenigen Informationen und Fakten kristallisierte sich nach allmählich zurückkehrender Erinnerung heraus, dass ich wohl angehalten hatte um ein Foto zu machen. Auf der Suche nach einem guten Standort musste ich wohl abgerutscht und ein paar Meter den Hang heruntergestürzt sein.

Jedenfalls hatte ich Glück im Unglück gehabt, trotz sorgfältiger Untersuchung stellten die Ärzte nur eine massive Gehirnerschütterung, ein paar Abschürfungen und natürlich die Platzwunde an meinem Hinterkopf fest.

Und es war nochmal ein Stück schöner, als mich Claudia und Thorsten auch in den folgenden Tagen im Krankenhaus besuchen kamen und mich nach Wiederkehr meiner Kräfte einluden, den Urlaub mit ihnen gemeinsam fortzusetzen. Wie wir nämlich feststellten, teilten wir die Liebe zu den Bergen und die Freude an den weiten Ausblicken. Die ich allerdings nicht mehr auf gerölligem Fels mit meiner Kamera festhalten sollte, wie mir Thorsten mit Augenzwinkern empfahl.

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