20 Oktober 2023

Sibille geht wählen

Ich sitze vor dem Wahllokal und schaue den Leuten zu, die mal einzeln, mal in kleinen Gruppen zur Urne spazieren. Sie sind dann eine Weile im Gebäude und kommen dann – entweder in Gedanken vertieft oder eifrig diskutierend –wieder heraus. Dabei fällt mir die Geschichte von Sibille wieder ein.

Sibille geht wählen
Sibille war das erste Mal wählen und durfte gleich zwei Kreuzchen machen. Ihr Vater hatte versucht, ihr zu erklären, wo sie die Kreuzchen machen sollte, aber da war er bei ihr auf Granit gestoßen.

Sibille ist nämlich grün. Sibille isst natürlich nicht nur grün, diesen Tick hat ihr die Mutter damals ausgeredet. 
„Was soll denn das nun schon wieder?“ hat sie gefragt und gesagt: „Du isst, was auf den Tisch kommt.“
Zwei Tage war Sibille in Hungerstreik getreten, dann hatte sie eingesehen, dass man davon nicht satt wird und hatte – sehr zur Freude der Mutter, versteht sich – aufgegeben.

„Warum sollte ich dasselbe wählen wie Du?“, wollte Sibille von ihrem Vater wissen und der, der wusste auch nix. Sibille macht nämlich demnächst ihr Abi, und deshalb kann ihr Vater ihr nicht das Wasser reichen.
Sie wusste genau, was sie wollte und wählte grün, nicht nur einmal, nein, zweimal, damit doppelt so viele Grüne in die Regierung kommen, hat sie gesagt und zu ihrer Freundin: „Weißt du, es ist eigentlich ganz egal, wen du wählst, nur nicht die SPD und wie die alle heißen.“

In Sibilles Augen standen Tränen, als sie die ersten Hochrechnungen im Fernsehen sah, sie hat sich direkt einen grünen Tee aufgesetzt und durch ihren Jutefilter laufenlassen.
Als sie wieder ins Zimmer kam, sagte der Vater: „Eij, gib mal ‘ne Flasche Bier!“ und sie: „Lass mir auch mal ‘n Schluck!“

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