Wenn der Tag so richtig vermurkst anfängt. Der Wecker hat nicht geklingelt, immerhin bin ich mit nur kleiner Verspätung aufgewacht, aber für eine anständige Dusche hat es nicht mehr gereicht. Kurzes Zähneputzen, danach irgendein Hemd aus dem Schrank und noch schnell einen Kaffee. Dummerweise steht die Tasse nicht richtig auf ihrem Teller, fällt um und bekleckert mich. Ich versuche mit dem Schwamm den Fleck wegzubekommen, aber er breitet sich eher noch mehr aus, ich muss noch mal ein neues Hemd heraussuchen.
Jetzt aber schnell aus dem Haus, ich springe ins Auto, aber verdammt, Brille vergessen, also zurück ins Haus und wieder ins Auto.
Los geht es, aber zügig sind nur die ersten hundert Meter, denn knapp vor mir biegt ein Müllauto ein und fährt Schlangenlinien von der einen zur anderen Straßenseite. An ein Passieren ist nicht zu denken. Die Zeit läuft mir davon, irgendwann habe ich dann freie Bahn, doch jetzt erwische ich eine rote Welle an Ampeln. Endlich bei der Firma angekommen finde ich keinen freien Parkplatz, muss zwei Runden um den Block drehen, um schließlich frustriert zum gebührenpflichten Parkhaus zu fahren. Zu Fuß eile ich ins Büro, meine Kollegen schauen mich vorwurfsvoll an: „Du bist zu spät“.
Mein Computer geht nicht, Passwort falsch, wie war das noch, oh nein, dreimal falsch eingegeben, jetzt bin ich erst mal gesperrt und muss die IT-Hotline anrufen. Endlich angemeldet sehe ich, dass ich gerade einen Termin verpasst habe, ich will anrufen und mich entschuldigen, reiße aber in der Hektik das Headset ungeschickt aus seiner Halterung und habe nur noch die rechte Ohrmuschel in der Hand.
Wo war noch der Ersatzhörer, ich laufe zum Schrank, nein, doch im Sideboard oder im Rollcontainer. Meine Kollegin bemerkt meine Not, will mir ihren Kopfhörer herüberreichen und stolpert dabei über den von mir verschobenen Rollcontainer. Sie landet auf meinem Schreibtisch, wehgetan hat sie sich nicht, aber die sortierten Papiere und Formulare flattern auf den Boden.
Uff, sagen wir uns, jetzt erst mal Ruhe, am besten einen Kaffee. Wir ziehen zu dritt zur Kaffeeküche, aber beim Aufhalten der Tür verfängt sich mein Schnürsenkel unter der Tür, die mir mit Wucht gegen die Rippen schlägt. Ein blauer Fleck ist mir sicher, naja, gebrochen scheint nichts.
Die Kaffeemaschine erwartet uns im Wartungsmodus. Stimmt, der ist immer um diese Uhrzeit, deshalb gehen wir normalerweise auch früher, was aber heute wegen meiner Verspätung nicht ging. Wir sind sauer, zapfen ein Wasser und trotten zurück an unsere Plätze, diesmal ohne Unfall an der Tür vorbei.
Ein wenig müde ohne den gewohnten Kaffee gieße ich meine Büropflanzen, schwanke ein wenig und schon schießt ein Strahl aus der Gießkanne direkt in meine Tastatur. Einige Stunden später habe ich ein neues Headset und eine funktionstüchtige Tastatur (ein wenig schmuddelig, auf die Schnelle war kein neues Exemplar zu bekommen).
Ich denke noch, sollte nicht irgendwann diese Woche der Probe-Alarm stattfinden, als auch schon die Sirene geht und eine Lautsprecherstimme uns zum Verlassen des Gebäudes auffordert. Ohne Hast nehme ich meine Tasche, schnappe meine Jacke und schalte im Herausgehen den Computer aus. Auf dem Weg zum Treppenhaus fällt mir ein, dass ich die letzte Datei nicht gespeichert habe, die Arbeit des Vormittags ist damit weitgehend ungeschehen gemacht.
Unten stehen schon die Kollegen, freuen sich über die Pause, erzählen sich Fußballergebnisse und Witze und können gar nicht verstehen, warum ich so eine saure Miene mache. Es ist heiß in der Sonne, ich hätte mal eine Mütze mitnehmen sollen, also besser in den Schatten setzen. Was riecht hier eigentlich so penetrant? Verdammt, ich habe mich in einen Hundehaufen gesetzt, das ist ja eine große Sauerei und ich kann auch nicht weg, um mich zumindest notdürftig sauber zu machen.
Nach über einer Stunde ist die Übung abgeschlossen, wir dürfen wieder ins Gebäude, jetzt erst mal auf Toilette und Hose und Hände reinigen. Wenn sie denn geöffnet wäre, denn wegen Renovierung müssen wir jetzt auf die WCs der Kantine ausweichen, und dort stehe ich erst mal in der Schlange. Wie bekommt man eine Hose von Hundekot sauber, zum einen ohne Waschmittel, zum anderen ohne Trocknungsmöglichkeit?
Völlig genervt entschließe ich mich, den Arbeitstag vorzeitig zu beenden, bitte meine Kollegen um Hilfe, falls noch irgendwas Dringendes reinkommt und laufe zum Auto. Im dunklen Teil des Parkhauses ziehe ich meine stinkende Hose aus und will in Unterhose schnell zum Auto laufen, als ich von einem Parkwächter aufgehalten werde. Er beschuldigt mich irgendwelcher sexueller Delikte, Exhibitionismus, Belästigung von Frauen, Vorbereitung von Vergewaltigung und was auch immer. Selbst nach Präsentation meiner Hose ist er nur zögernd überzeugt, hatte er sich doch schon als Retter der Moral und Verteidiger der guten Ordnung gesehen.
Die Rückfahrt verläuft weitgehend ohne Zwischenfälle, wenn man von dem Starenkasten absieht, der mich mit überhöhter Geschwindigkeit blitzt, weil ich in Gedanken noch bei dem Typen im Parkhaus bin. Mein Parkplatz vor dem Haus ist heute mal frei, das heißt er wäre frei, wenn da nicht die geleerten Mülltonnen ständen. Ich halte das Auto an, steige aus und will sie beiseiteschieben, als ich aus dem Augenwinkel sehe, dass sich mein Auto in Bewegung setzt. Habe ich die Handbremse nicht richtig angezogen? Nein, der kleine Nachbarsbengel hat mir aufgelauert und den Moment genutzt, ins Auto zu schlüpfen und jetzt findet er es lustig, die Handbremse zu lösen und wild das Lenkrad hin- und herzudrehen, bis das Fahrzeug mit einem hässlich kratzenden Geräusch gegen einen anderen PKW rollt. Schreiend springt das Kind aus dem Auto, rennt zu seiner Mutter, die nun wütend schimpfend auf mich losgeht, was mir einfallen würde, es hätte ja alles Mögliche passieren können. Und den Unfall, den wäre einzig und alleine ich schuld, wenn ich es ihrem Sohn so leicht machen würde und warum ich eigentlich in Unterhose herumliefe.
Langsam wird es voller, Nachbarn schauen aus den Fenstern, Fußgänger bleiben stehen. Sie sehen einen verzweifelten Mann in braun verschmutzter Unterhose, eine keifende Frau, ein heulendes Kind, einen Autounfall und machen sich ihr eigenes Bild.
Um die Peinlichkeit zu beenden schiebe ich nun doch die Mülltonnen zur Seite und will mein Fahrzeug durch den Trubel in Sicherheit bringen. Aber während ich einsteige saust ein cleverer Zeitgenosse mit seinem Auto schnell in die freie Parklücke. Es hat keinen Zweck zu argumentieren, ich fahre einfach los und suche einen anderen Stellplatz. Natürlich ist keiner weit und breit zu bekommen, erst drei Straßen weiter quetsche ich mich in eine eigentlich zu enge Lücke. Beim Aussteigen ritze ich mir das nackte Bein an irgendeinem Teil der Fahrertür auf. Nach ein paar Minuten hört es auf zu bluten, ich drücke ein Papiertaschentuch auf die Wunde und ziehe mir für den Fußweg meine Hose an.
Vor meinem Haus erwartet mich die Polizei, wirft mir Unfallflucht vor, schließlich habe ich das Auto vom Unfallort entfernt und sei eine halbe Stunde nicht aufgetaucht, habe auch keine Anzeige bei der Polizei gemacht. Gegen eine Verwarngebühr mildern sie auf verspätete Unfallanzeige ab und entlassen mich nach ausführlichem Verhör und mehrfacher Belehrung über das richtige Vorgehen in mein Haus zu meiner Dusche.
Die allerdings kalt bleibt, weil ich heute Morgen in der Eile die Heizung nicht auf Tagesbetrieb umgeschaltet, sondern komplett abgeschaltet hatte. Obwohl erst Nachmittag genehmige ich mir einen Whiskey, lasse mich auf das Sofa fallen und merke im nächsten Moment, dass da noch das Tablett von gestern Abend lag, dass jetzt mit einem vernehmlichen Knack in mehrere Stücke zerbricht. Ich schiebe die Scherben zur Seite, schneide mich an einem der Reste, wickle ein Stück Taschentuch um den Finger und schließe die Augen.
Das Telefon klingelt, ich rapple mich wieder auf, stoße mit dem Bein gegen den Couchtisch, das schmerzende Bein erinnert mich wieder an die Panne mit der Fahrertür und ich sehe, dass die Wunde wieder angefangen hat zu bluten. Die frische Hose hat schon einen merklich roten Fleck bekommen. Das Telefon klingelt immer noch, ich nehme ab und höre meine Mutter, wie sie zu mir sagt: „Du kannst Dir nicht vorstellen, was für einen schrecklichen Tag ich heute hatte. Ich kann meine Lesebrille nicht finden und jetzt geht der Fernseher nicht an. “ – „Ehrlich“, sage ich, „Mama, das ist ja schrecklich. Erzähl‘ mal!“