10 März 2023

Körpergespräch

Heute war ich mal wieder im Fitnessstudio. Und hatte Gelegenheit, mich mit meinem Körper zu unterhalten. Es ist ja nicht immer der richtige Moment und tatsächlich habe ich immer so viel zu tun, dass wir eher selten ins Gespräch kommen.

Körpergespräch

„Der Butterfly hat auch schon mal besser funktioniert, ist ja enttäuschend, wie wenig Gewicht ich auflegen kann und dass es überhaupt keinen Fortschritt gibt“, eröffne ich den Dialog. „Naja, der Butterfly… Ist dir vielleicht aufgefallen, dass ich die Beinmuskulatur mächtig erhöht habe und dadurch die Beinpresse viel besser geht?“

Ich stutze, ja, das stimmt tatsächlich, das ist ein Gerät, bei dem es voran geht, aber „Das ist kein Wunder, da haben wir nach der Operation auf ganz niedrigem Niveau angefangen.“ – „Trotzdem ist es ein Erfolg, dass die Muskulatur in diesem Bereich merklich besser geworden ist.“ – „Schon, aber eben nur dort, Bauch und unterer Rücken stagnieren, bei den Schultern ist kaum was zu sehen.“

„Weißt du, was mich wirklich nervt?“ – „Nein, was denn?“ – „Dass du mich nur auf die Muskulatur reduzierst. Dabei bestehe ich auch noch aus zahlreichen Organen, die alle tadellos funktionieren, ein Kreislauf, der täglich zuverlässig seinen Dienst tut und ein Gehirn, dass dir dein Leben erst ermöglicht.“

„Jaja, das ist alles fein, jetzt kommst du mir mit Selbstverständlichkeiten. Es ist gut, dass Herz, Lunge, Magen und was weiß ich noch alles jeweils ihren Dienst verrichten. Dafür sind die Organe da und es bedarf keiner expliziten Erwähnung. Sie sind sozusagen die Dienstleister für mich, den Herrn und Gebieter.“ – „Da verschätzt du dich aber gewaltig. Tatsächlich ist ständig irgendwas nicht ganz in Ordnung und ich sorge dafür, dass es für dich unmerklich repariert wird. Da werden Zellen ausgetauscht, beschädigte Gewebeteile ersetzt oder Gefäße wieder in Stand gesetzt. Und erst, wenn das mal nicht unbemerkt von statten geht^, bekommst du das überhaupt mit.“

„Soll ich jetzt voller Dankbarkeit die Hanteln fallen lassen und vor dir niederknien?“ – „Mach dich nicht lustig über mich. Ich rede mit dir, ich versuche dir klar zu machen, was ich leiste und erwarte erst mal, dass du das zu schätzen weist.“

Pause. Ich mache den Satz am Gerät noch fertig, während ich über die Worte meines Körpers nachdenke. In gewisser Hinsicht hat er Recht, ich finde alles selbstverständlich, was es vielleicht gar nicht ist. Muss ich mich erst krank fühlen oder Schmerzen an irgendwelchen Stellen haben um einzusehen, dass mein Körper gepflegt und versorgt werden muss?

„Ähm“, räuspere ich mich, „also… es tut mir leid. Ich finde, also ich will sagen, also eigentlich, ich denke, ähm, du machst deinen Job ganz gut.“ Wütende Reaktion: „Ganz gut? Ganz gut? Soll ich dir mal zeigen, was ich unter ‚ganz gut‘ verstehe?“ – „Nein, so war das nicht gemeint, du machst es wirklich gut.“ Leicht besänftigt, aber noch nicht zufrieden: „Schon besser, aber nochmal: Ich bin ein Wunderwerk, ich schaffe im Verborgenen, unermüdlich seit deiner Geburt. Ich bin für dich da, nur für dich und will gefälligst regelmäßig gelobt werden. Dein ewiges Gemecker nervt, nervt, nervt. Die Arme sind zu dünn, der Bauch zu dick, der Po nicht knackig, die Schultern nicht breit genug und die Haare…“

Pause. Der Zirkel ist fertig, ich gehe rüber zu den Gymnastikbällen. „Oh“, freut sich mein Körper, „Gymnastikbälle. Die liebe ich, das fühlt sich an wie Schweben, die Koordination der Muskeln macht mir Spaß“ – „Das höre ich gerne, und wo wir gerade dabei sind finde ich deinen Gleichgewichtssinn ausgezeichnet. Dass ich es schaffe, auf dem wackligen Ball zu balancieren ist eine tolle Leistung.“ – „Ui, das hört sich ja mal nach einem Lob an, als ob ich als Körper auch mal was gut gemacht hätte. Du scheinst ja was verstanden zu haben, bitte jetzt nicht gleich wieder nachlassen, beobachte mich ein wenig und versuch‘ mal in einem ersten Schritt nur die positiven Sachen zu sehen und zu schätzen.“

„Ich will es versuchen“, verspreche ich. Und um meinen Worten auch Taten folgen zu lassen gleite ich vom Ball herunter auf eine Matte, wo ich Dehnübungen einleite. „Nicht wahr“, setze ich fort, „das ist auch eine richtig starke Seite. Und dass der schnelle Wechsel zwischen Anstrengung, Koordination und Dehnung so prima läuft erfordert doch sicher auch innerlich verdammt gutes Management. Ich denke da an Blutdruck, Puls, aber auch die Energieversorgung, Flüssigkeitshaushalt und Steuerung der Mineralien. Und die dahinter liegenden Organe von der Lunge und der Haut über den Darm bis zu Milz und Nieren. Kurz: Ja, du machst einen richtig-richtig guten Job.“

Vor meinem inneren Auge sehe ich einen fetten Smiley mit Kuss, den mir mein Körper zuwirft.


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