31 März 2023

Pilotprojekt 1000-Fenster Engenhahn

In Kooperation der Gemeinde Niedernhausen mit dem Rheingau-Taunus-Kreis und gefördert von der KfW soll in Engenhahn ein deutschlandweit einzigartiges Pilotprojekt durchgeführt werden. Hierzu sollen alle Immobilien mit Solarzellen in den Süd- und Westfenstern ausgestattet werden. Die Initiative basiert auf dem EEG und wird durch das Klimaschutz- und Energieeffizienzkonzept des Kreises konkretisiert.

Musterhaus 1000-Fenster-Programm
Ausgangspunkt war die Nachfolge des bekannten 1000-Dächer-Programms. Bei diesem wurde auf die Nutzung der Sonnenenergie durch Solaranlagen auf Dächern gesetzt. Allerdings war diese Nutzung der Photovoltaik mit hohen Investitionskosten verbunden. Auch hatte nicht jeder Bürger die Möglichkeit zur Beteiligung, weil er zum Beispiel als Mieter über kein eigenes Dach verfügen konnte.

Nach Analyse des Arbeitskreises Regenerativer Energie und Nachhaltigkeit ist es aber möglich, die vorhandenen Fenster für PV-Anlagen zu verwenden. In Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt, dem Verband Deutscher Energieversorger und dem Wirtschaftsministerium wurde so das 1000-Fenster-Programm ins Leben gerufen. Kern ist der Austausch aller Fenstergläser durch PV-Module, deren elektrische Energie durch integrierte Wechselrichter und intelligente Steuerung direkt in das Hausstromnetz eingespeist werden können. Entwicklungsseitig hat man sich an den sogenannten Balkonmodulen orientiert. Um die Verluste durch den senkrechten Einbau zu reduzieren, wurde von der Firma Schott eine Ergänzung konzipiert, die durch Facettenlinsen einen hohen Wirkungsgrad auch bei schrägem Lichteinfall garantiert.

Da die Module nicht lichtdurchlässig sind, muss das entfallende Tageslicht im Innenraum durch großflächige LED-Leuchten ersetzt werden. Sowohl die Helligkeit als auch die Farbe werden durch einen Außensensor automatisch gesteuert. Mehrere Gemeindevertreter hatten Gelegenheit, sich dies in einem Musterhaus anzusehen und waren von der Umsetzung begeistert. Insbesondere – so wurde festgestellt – die einfache Installation und die natürlich wirkende künstliche Beleuchtung seien Garanten für die Akzeptanz durch die Bürger.

Neben der lokalen Stromerzeugung und der damit einhergehenden Kostenersparnis weist der Arbeitskreis auch auf die Vorteile beim Sichtschutz und der Verschattung hin. Auf Vorhänge oder Rollläden kann bei den ausgetauschten Fenstern komplett verzichtet werden. Optional ist innen die Erweiterung um elektronische Bilderrahmen möglich, so dass zum Beispiel ein realitätsnaher Ausblick entsteht.

Auf Anregung des Rheingau-Taunus-Kreises hat sich die Gemeinde Niedernhausen um die Teilnahme an der Pilotierung beworben. Wegen seiner besonders geeigneten Lage, der Anzahl Sonnenstunden und der Ausrichtung der Häuser wurde der Ortsteil Engenhahn für die erste Stufe ausgewählt.

Ab 01. April können die Hausbesitzer ihre Wunschtermine für den Austausch der Fenstergläser beim Bauamt einreichen. Ziel ist es, alle Süd- und Westfenster innerhalb eines Jahres auszutauschen. Um die Auflagen des Bundes sicherzustellen ist der Austausch zwingend erforderlich. Sofern innerhalb von vier Wochen kein Terminwunsch geäußert wird behält sich die Gemeinde vor, den Austausch eigenmächtig zu planen und durchzuführen.

Für weitere Informationen wird am 01. April ein Bürgertelefon eingerichtet.

24 März 2023

Wie geht es jetzt weiter?

Wie geht es jetzt weiter
Wir liegen umgeben von Strandhafer in unserer Sandkuhle und schauen zwischen den Halmen hindurch die Düne entlang. Es ist ein wundervoller Platz, geschützt vor Wind und den Blicken anderer Menschen. Nicht, dass wir etwas zu verbergen hätten, aber es hat so etwas Kuscheliges, wenn wir auf der Decke liegen, mal lesend, mal schlafend, meist aber in lebhafter Diskussion. Unsere Gespräche spielen für uns eine wichtige Rolle, es sei denn, wir müssen mal still sein, weil wir ein Tier beobachten wollen, das sich in unsere Nähe verlaufen hat.

Wir kennen uns seit knapp zwei Wochen und treffen uns täglich an dieser Stelle. Die Sonne ist noch recht frühlingshaft, auch ohne Sonnenschirm wird es nicht übermäßig heiß. Mittags zieht es uns in die Strandbar, manchmal trennen wir uns danach und kommen erst am späten Nachmittag wieder zusammen. Es sind herrliche Tage, wir sprechen über Natur, Politik, Lebenswege und Glücksmomente. Nur allzu persönlich wird es nie, ich weiß gerade mal, dass du in der Nähe von Hamburg wohnst. Ob du eine weitläufige Familie oder einen Freund hast, ob du einem Beruf nachgehst, das haben wir in stillschweigendem Einverständnis nie angesprochen.

Gerade rollst du dich herum, hüpfst leichtfüßig auf und schon hast du dein Bikinioberteil angezogen, „kommst du mit ins Wasser?“ und ohne auf meine Antwort zu warten bist du schon durch die Lücke zwischen den Gräsern verschwunden. Ich will aufspringen, besinne mich dann eines Besseren und schaue dir nur nach, wie du über den Sandstreifen zum Meer läufst und aus meinem Blickfeld verschwindest.

Meine Gedanken gehen zurück zu den letzten Tagen, ganz zufällig haben wir uns kennengelernt, als der Wind den Sand deiner Decke beim Ausschütteln in mein Lesebuch geweht hat. Und ich erst mal sauer war, aber dann hast du mich angestrahlt, mir versprochen, dass du jede einzelne Seite für mich entkrümeln würdest, wenn wir uns morgen wiedersehen.

Jetzt liege ich also hier auf der Decke, die uns zusammengebracht hat und rufe mir noch mal deine Einstellung zu unserer Gesellschaft und zum Umgang mit der Natur ins Gedächtnis. Ich bin noch in Gedanken, als du tropfnass zurückkommst, „Wo bleibst du denn?“, und schüttelst deine Haare über mir aus, „Du Ekel, das zahle ich dir heim“ aber ich muss dich erst mal zu fassen kriegen, denn du bist schon wieder auf dem Weg zum Strand. Ich laufe dir hinterher, nun doch ins Wasser, aber kaum bin ich drin bist du wieder draußen.

Als ich nach ein paar Runden im kühlen Nass wieder zu unserem Platz komme liegst du auf dem Bauch, vertieft in ein Buch vor dir. Ich lege mich daneben und obwohl wir nur so daliegen ist es eine wundervolle Form der inneren Verbundenheit, doch, amüsieren wir uns, Frauen und Männer können wirklich nur Freunde sein. Bis auf gegenseitiges Eincremen und verspieltes Tollen im Wasser läuft da nichts. Und doch kommt es mir vor wie zwei Boote, die ein paar Seemeilen lang längsseits gehen und Ladung austauschen („habt ihr noch Obst, wir könnten euch gefrorenes Fleisch anbieten“), um danach wieder den eigenen Kurs weiterzufahren.

Ja, der eigene Kurs. Heute ist unser letzter Tag, ein wenig Wehmut, unsere Strandtage vom Erlebnis in die Erinnerung zu überführen. Du drehst dich zur Seite, stützt dich auf dem Ellbogen ab „Wieso so ernst?“. Ich bewundere dich dafür, dass du so ganz im hier und jetzt bist. Kein trauernder Rückblick, kein unsicherer Ausblick, einfach die gemeinsamen Stunden aufnehmen. Ich denke währenddessen an den Schreibtisch, an dem ich in Kürze wieder sitzen werde, die Alltagsfragen und Probleme. Deine Neckereien werden mir fehlen, auch die fröhlichen Geschichten und deine akrobatischen Gedankensprünge.

Eine wie auch immer geartete Beziehung über diese zwei Wochen hinweg war nie ein Thema. Ich male mir aus, wie wir wieder in unser Leben vor dem Urlaub zurückschwenken, wie die Erinnerung an die Parallelwelt langsam verblasst, die Tage im Versteck zwischen den hohen Gräsern eher mit Kindheitserlebnissen vermischt werden.

Könnten wir nicht einfach hier liegenbleiben, den Flieger fliegen lassen und das bisherige Leben wie ein Buchkapitel zuschlagen? Würden wir den Rest unseres Lebens eine platonische Beziehung pflegen oder käme irgendwann doch der Punkt, an dem wir vom körperlichen Verlangen überrollt würden? Oder ein späteres Treffen in Hamburg, wir zwei zwar wieder zusammen, und doch wäre alles ganz anders. Was ziehe ich an, über was reden wir, schläfst du auf dem Sofa oder im Hotel, darf ich dir meine Freunde vorstellen, ich arbeite im Soundso-Unternehmen hier in der Nähe. Alternativ eine Zusammenkunft bei mir, das ist meine Urlaubsbekanntschaft, nein, nicht Freundin oder irgendwie doch. Egal, wo wir uns wiedersehen: Alles, was hier so selbstverständlich ist, würde seine Leichtigkeit verlieren.

Was ich von den zwei Wochen mitnehme, willst du wissen und wir unterhalten uns darüber, dass uns in jedem Fall ein wenig Nachwirkung erhalten bleiben wird. Der Alltag wird uns wieder aufnehmen, wie das Leben sich weiter entwickelt weiß ja kein Mensch, aber ein bisschen von dir und ein Stückchen von mir lässt uns nie wieder los.

10 März 2023

Körpergespräch

Heute war ich mal wieder im Fitnessstudio. Und hatte Gelegenheit, mich mit meinem Körper zu unterhalten. Es ist ja nicht immer der richtige Moment und tatsächlich habe ich immer so viel zu tun, dass wir eher selten ins Gespräch kommen.

Körpergespräch

„Der Butterfly hat auch schon mal besser funktioniert, ist ja enttäuschend, wie wenig Gewicht ich auflegen kann und dass es überhaupt keinen Fortschritt gibt“, eröffne ich den Dialog. „Naja, der Butterfly… Ist dir vielleicht aufgefallen, dass ich die Beinmuskulatur mächtig erhöht habe und dadurch die Beinpresse viel besser geht?“

Ich stutze, ja, das stimmt tatsächlich, das ist ein Gerät, bei dem es voran geht, aber „Das ist kein Wunder, da haben wir nach der Operation auf ganz niedrigem Niveau angefangen.“ – „Trotzdem ist es ein Erfolg, dass die Muskulatur in diesem Bereich merklich besser geworden ist.“ – „Schon, aber eben nur dort, Bauch und unterer Rücken stagnieren, bei den Schultern ist kaum was zu sehen.“

„Weißt du, was mich wirklich nervt?“ – „Nein, was denn?“ – „Dass du mich nur auf die Muskulatur reduzierst. Dabei bestehe ich auch noch aus zahlreichen Organen, die alle tadellos funktionieren, ein Kreislauf, der täglich zuverlässig seinen Dienst tut und ein Gehirn, dass dir dein Leben erst ermöglicht.“

„Jaja, das ist alles fein, jetzt kommst du mir mit Selbstverständlichkeiten. Es ist gut, dass Herz, Lunge, Magen und was weiß ich noch alles jeweils ihren Dienst verrichten. Dafür sind die Organe da und es bedarf keiner expliziten Erwähnung. Sie sind sozusagen die Dienstleister für mich, den Herrn und Gebieter.“ – „Da verschätzt du dich aber gewaltig. Tatsächlich ist ständig irgendwas nicht ganz in Ordnung und ich sorge dafür, dass es für dich unmerklich repariert wird. Da werden Zellen ausgetauscht, beschädigte Gewebeteile ersetzt oder Gefäße wieder in Stand gesetzt. Und erst, wenn das mal nicht unbemerkt von statten geht^, bekommst du das überhaupt mit.“

„Soll ich jetzt voller Dankbarkeit die Hanteln fallen lassen und vor dir niederknien?“ – „Mach dich nicht lustig über mich. Ich rede mit dir, ich versuche dir klar zu machen, was ich leiste und erwarte erst mal, dass du das zu schätzen weist.“

Pause. Ich mache den Satz am Gerät noch fertig, während ich über die Worte meines Körpers nachdenke. In gewisser Hinsicht hat er Recht, ich finde alles selbstverständlich, was es vielleicht gar nicht ist. Muss ich mich erst krank fühlen oder Schmerzen an irgendwelchen Stellen haben um einzusehen, dass mein Körper gepflegt und versorgt werden muss?

„Ähm“, räuspere ich mich, „also… es tut mir leid. Ich finde, also ich will sagen, also eigentlich, ich denke, ähm, du machst deinen Job ganz gut.“ Wütende Reaktion: „Ganz gut? Ganz gut? Soll ich dir mal zeigen, was ich unter ‚ganz gut‘ verstehe?“ – „Nein, so war das nicht gemeint, du machst es wirklich gut.“ Leicht besänftigt, aber noch nicht zufrieden: „Schon besser, aber nochmal: Ich bin ein Wunderwerk, ich schaffe im Verborgenen, unermüdlich seit deiner Geburt. Ich bin für dich da, nur für dich und will gefälligst regelmäßig gelobt werden. Dein ewiges Gemecker nervt, nervt, nervt. Die Arme sind zu dünn, der Bauch zu dick, der Po nicht knackig, die Schultern nicht breit genug und die Haare…“

Pause. Der Zirkel ist fertig, ich gehe rüber zu den Gymnastikbällen. „Oh“, freut sich mein Körper, „Gymnastikbälle. Die liebe ich, das fühlt sich an wie Schweben, die Koordination der Muskeln macht mir Spaß“ – „Das höre ich gerne, und wo wir gerade dabei sind finde ich deinen Gleichgewichtssinn ausgezeichnet. Dass ich es schaffe, auf dem wackligen Ball zu balancieren ist eine tolle Leistung.“ – „Ui, das hört sich ja mal nach einem Lob an, als ob ich als Körper auch mal was gut gemacht hätte. Du scheinst ja was verstanden zu haben, bitte jetzt nicht gleich wieder nachlassen, beobachte mich ein wenig und versuch‘ mal in einem ersten Schritt nur die positiven Sachen zu sehen und zu schätzen.“

„Ich will es versuchen“, verspreche ich. Und um meinen Worten auch Taten folgen zu lassen gleite ich vom Ball herunter auf eine Matte, wo ich Dehnübungen einleite. „Nicht wahr“, setze ich fort, „das ist auch eine richtig starke Seite. Und dass der schnelle Wechsel zwischen Anstrengung, Koordination und Dehnung so prima läuft erfordert doch sicher auch innerlich verdammt gutes Management. Ich denke da an Blutdruck, Puls, aber auch die Energieversorgung, Flüssigkeitshaushalt und Steuerung der Mineralien. Und die dahinter liegenden Organe von der Lunge und der Haut über den Darm bis zu Milz und Nieren. Kurz: Ja, du machst einen richtig-richtig guten Job.“

Vor meinem inneren Auge sehe ich einen fetten Smiley mit Kuss, den mir mein Körper zuwirft.


03 März 2023

Mit 66 E-Mails

Ich setz‘ mich vor den Rechner und schnapp die Tastatur
Der Bildschirm flackert hektisch, ich schau nicht auf die Uhr
Oh ho, oh ho, oh ho.

Ich greif‘ die Maus und klicke mal rechts mal links drauf los
Zig Fenster zeigen Texte, ihr Inhalt scheint sinnlos
Oh ho, oh ho, oh ho.

Ich surfe durch die Gegend und klicke auf die Links
Mal hier mal da ein Bildchen vom Chef des Marketings

Mit 66 E-Mails

Mit sechsundsechzig E-Mails, da fängt der Tag gut an
Mit sechsundsechzig E-Mails, da hab ich Spaß daran
Mit sechsundsechzig E-Mails, da komm ich erst in Fahrt
Mit sechsundsechzig Mails wird der Tag ziemlich hart.

Ich sing beim Schaffen heimlich ein freches Liebeslied
Im Homeoffice bekommt man davon bestimmt nichts mit
Oh ho, oh ho, oh ho.

Schon Geiersturzflug wusste, wir steigern das Produkt
Da lass ich mich nicht bitten, die ganze Arbeit fluppt
Oh ho, oh ho, oh ho.

Ihr werdet euch noch wundern, wenn ich mal Vorstand bin
Dann lass ich andere tanzen, denn ich bin mittendrin

Mit sechsundsechzig E-Mails, da fängt mein Tag gut an
Mit sechsundsechzig E-Mails, da hab ich Spaß und dann
Mit sechsundsechzig E-Mails, packt mich die Arbeitswut
Mit sechsundsechzig Mails fühl‘ ich die Wissensflut

Mit sechsundsechzig E-Mails, da geht es bei mir los
Die sechsundsechzig E-Mails, die les‘ ich ausnahmslos
Mit sechsundsechzig E-Mails, da komm ich erst in Schuss
Nach sechsundsechzig Mails ist noch lange nicht Schluss