Es war eine recht windige Nacht nach einem eher trüben Nachmittag und Abend, wir waren heute Mittag mit dem Rad an diesem Zeltplatz angekommen, hatten die Zelte aufgebaut, festgezurrt und uns dann im Küchenzelt zusammengehockt. Die übliche Schnipselei von Gemüse und anderen Zutaten war spaßig, aber so richtig gute Stimmung wollte nicht aufkommen. Selbst einige Stunden später und mit einigen Gläsern Rotwein im Körper war die Gruppe eher reif für das Nachtlager als für eine Party. Ich lief rüber zum Badhaus, duschte noch und trollte mich dann zu meinem Kuppelzelt, wo ich meine Isomatte ausrollte und mich in meinen Schlafsack kuschelte.
Im Halbschlaf hörte ich zunächst ein leichtes tropfen, dann setzte Regen ein und der Wind frischte auf. Mein Zelt schaukelte im Wind, der Regen steigerte sich ziemlich schnell zu einem heftigen Gewitter. Zufrieden mit der Trockenheit unter dem Zeltdach und der Aussicht auf baldige Beruhigung des Wetters wurden meine Augenlieder schwer und der Schlaf überkam mich.
Allerdings währte er nicht lange, denn auf einmal rüttelte es stark an meinem Zelt, genauer am Reißverschluss, er wurde aufgezogen und eine junge Frau steckte den Kopf hinein. Im trüben Licht des Campingplatzes konnte ich sie nicht richtig erkennen, sie gehörte wohl zu unserer Fahrradgruppe, ihr Name war irgendwas mit „S“, Sibille oder Sabine oder so.
„Was… was machst Du hier?“ fragte ich schlaftrunken. „Mein Zelt steht unter Wasser, ich muss irgendwo ins Trockene.“ Ich überlegte einen Augenblick und zog sie dann ins Zelt, um möglichst schnell wieder den Eingang zuzubekommen, bevor mein Zelt auch noch unter Wasser geriet. Tatsächlich, sie war klitschnass, und obendrein zitterte sie vor Kälte. „Was ist mit Deinem Rucksack?“ wollte ich wissen und erfuhr, dass sie das Zelt teilweise in einer Kuhle aufgestellt hatte, der Rucksack allerdings im hohen Teil oberhalb des Wassers lag. „Was soll ich denn jetzt bloß machen?“ wollte meine Zeltnachbarin wissen. Worauf ich keine Antwort wusste. „Jedenfalls musst du erst mal was Trockenes anziehen, ich geb Dir irgendwas von mir.“ Mittlerweile war ich wieder wach, sah zu, wie sie sich aus ihrem T-Shirt und ihrer Hose pellte, während ich in meinem Gepäck nach geeigneter Kleidung für sie suchte.
Sie war nicht mein Typ, ich fand sie eher mäßig nett und hatte so gar keine Lust auf ein Abenteuer mit ihr. Was sie möglicherweise auch gar nicht wollte, wie ich mir einredete. Aber da saß sie jetzt, gerade so eben hatte sie noch Platz, sich neben mir auf die Isomatte zu setzen. So konnte ich sie ja nicht die ganze Nacht sitzen lassen und mich gemütlich in meinen Schlafsack rollen. „Ok,“ hörte ich mich widerwillig sagen, „irgendwie wird es passen, wir sind ja beide ziemlich schlank.“ Als hätte sie darauf gewartet schlüpfte sie in meinen Schlafsack und ich hatte Not, mich noch daneben zu quetschen.
Anfangs lagen wir Rücken an Rücken, langsam erwärmte sich der Eisklotz hinter mir und zumindest die Temperatur wurde langsam angenehm. Aber die Enge war nervig, natürlich war der Schlafsack nicht für zwei Personen konstruiert und wenn es nicht so kalt gewesen wäre hätte man vielleicht den Verschluss für mehr Bewegungsfreiheit offen lassen können, woran aber kein Denken war. Meiner Genossin schien es ähnlich zu gehen, denn mit Gezerre und paddelnden Beinen drehte sie sich um und drückte jetzt ihre Brust gegen meinen Rücken.
Es war immer noch eng und nein, Sex wollte ich immer noch nicht mit ihr, aber so ganz unangenehm war es letztlich ja doch nicht. Ihr Atem in meinem Nacken war irgendwie beruhigend und mit den Worten „Meinst du, wir könnten jetzt schlafen?“ gelang es mir, meine Erregung langsam in Müdigkeit übergehen zu lassen. Im Wegdämmern hatte ich auch keine Energie mehr, um den Arm loszuwerden, der sich von hinten um mich schlang und auf meinen Bauch legte.
Als ich aufwachte, war der Regen vorbei, die Sonne wohl schon eine Weile aufgegangen und um das Zelt herum bereits Leben. Die Frühaufsteher liefen umher, putzten lachend die Zähne, zeigten sich gegenseitig die Auswirkungen des nächtlichen Gewitters und setzten im Küchenzelt Kaffee auf. Verschlafen versuchte ich mich ganz vorsichtig zu drehen und stellte fest, dass das problemlos ging. Außer mir war niemand im Zelt, kein Anzeichen eines nächtlichen Besuchs.
Langsam kam in mir der Verdacht auf, dass ich das alles nur geträumt hatte. Aber warum war da ausgerechnet diese Frau aufgetaucht, fragte ich mich noch, während ich mich aus der warmen Hülle schälte und den Reißverschluss meines Zeltes öffnete. Und dann sah ich sie, mit ihrer Sigg in der Hand stand sie vor dem Gemeinschaftszelt und trug eines meiner T-Shirts und meine Badeshorts, die ich ihr wohl in der Nacht gegeben hatte. Freundlich winkte sie mir zu, als sie meinen Kopf aus dem Zelt kommen sah, kam angerannt und wollte wissen, ob ich gut geschlafen hätte. „Ja, nein, weiß nicht“ – ich fühlte mich überrumpelt und jedenfalls war sie viel wacher als ich, fröhlich schmatzte sie mich auf die Wange und berichtete von ihrem langsam wieder trocknenden Zelt.
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