Ich sitze in einer dreckigen, kleinen Bar unten an der südlichen Ostküste. Östlicher das Meer, südlicher das Meer. Sonst nichts mehr. Der Barkeeper – unrasiert seit Tagen oder sogar Wochen – steht mit dem Rücken zu mir und poliert Gläser. Als ich reinkam stand er auch so da und war mit Krügen und dergleichen beschäftigt. Ohne sich umzudrehen nahm er meine Bestellung entgegen: Whiskey-cola, aber mit viel Eis. Ich weiß nicht, wie es machte, den Drink vor mich zu stellen, ohne sich umzudrehen, nur mit einem beiläufigen „Prost Fremder!“. Ich nippte an dem Getränk, wälze einen Eiswürfel im Mund, spüle Whiskey darüber, fühle, wie er mir durch den heißen Hals läuft, im Magen ankommt, im Hals einen beißenden Nachgeschmack hinterlassend, der mich würgen lässt.
Es ist staubig hier, für den Barkeeper Gottseidank, denn sonst müsste er seine Gläser nicht ohne Unterbrechung putzen, denn das tut er: er putzt und poliert unaufhörlich. Der Staub dringt durch alle Ritzen, vor allem durch die Saloontür, die aus einem dieser Cowboyfilme stammen könnte. Geht draußen jemand vorbei, was zu dieser Tageszeit selten genug vorkommt, prasselt der Sand leise auf die Holzbohlen. Alles ist hier aus Holz, verwittert und grau, von der Sonne ausgetrocknet, das Salz aus der Meerluft tut ein Übriges.
Wenn man sich sandig fühlt und die Krümel abstreifen will, merkt man: Alles Salz, was einen schon zerfressen hätte, wenn es feucht genug wäre. Hier ist alles durstig, sogar die Wüste, die am Ende der Siedlung liegt und erst recht die Luft, die mir den letzten Whiskey aus dem Glas klaut, nachdem sie meine Eiswürfel verzehrt hat.
Ich bestelle mir noch einen. Juan – so heißt er bestimmt, jeder heißt hier Juan oder Fillipo – dreht sich um, als würde er sich wundern, dass ich noch lebe. Er sieht mich lange schläfrig an, fast denke ich, hier kriege ich keinen Drink mehr, da nimmt er langsam ganz behutsam mein Glas, als könnte es zerbrechen oder als müsste er es wieder vorsichtig seinem Besitz einverleiben. Ich bleibe sitzen und warte. Wortlos dreht er das Glas in der Hand, spült es aus. Mit einem fast verächtlichen „Da, Fremder“ reicht er mir das gefüllte Glas zurück, starrt mich dabei an, während ich ein Geldstück – irgendeines, denn ich kenne mich mit der Währung noch nicht aus – aus der Tasche hole und über die Theke schiebe. Es scheint ein größerer Wert zu sein, denn sein Gesicht hellt sich auf und so etwas wie „Gracias“ tropft von seinen Lippen.
Ich halte den Augenblick für günstig, ein Gespräch anzufangen und frage ihn, ob man hier irgendwo übernachten könnte. „Si Senor“, er entpuppt sich als nicht sehr beredsam und erst nach mehreren Anfragen errate ich, dass er außer Wirt auch Hotelier ist, sofern man in einem Kotten wie hier jemand so nennen kann. Jedenfalls kann ich hier die Nacht verbringen, falls es nötig ist, bedeutet mir mein Gegenüber, der mir jetzt wieder den Rücken zugekehrt hat. Dann murmelt er irgendwas von Siesta und ohne noch einmal mein tauendes Eis eines Blickes zu würdigen schlappt er durch einen Vorhang davon, wonach sich auch seine schlurfenden Schritte irgendwo im Haus verlieren. Da sitze ich nun allein, meinen Whiskey muss ich bald trinken, sonst wird er lauwarm und beginnt womöglich zu kochen, es gibt nichts, womit ich an diesem Zipfel der Welt nicht rechnen würde.
Irgendwo hier musst du auch gewohnt haben, unter all diesen unrasiert-dreckigen, schläfrigen Lumpen, die dir bestimmt Nachtlager und mehr gewährt haben, wenn sie abends aufwachen. Irgendwo hier Station gemacht, weitergereist – getrampt – mit dem nächstbesten Auto in eine Stadt gefahren, die genauso staubig ist wie hier und wo man dich genauso gemustert und fremd angesehen hat. Dann die erste Vergewaltigung, deine Flucht und Mord. Es ging auf einmal alles so schnell. Ich hätte dir gerne gesagt, dass es mir leid tut und dass wir es nochmal versuchen wollen.
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