Wollte was er will
Was andere auch wollen
Wollen wir bekommen
Wovon alle träumen
Wären es Wünsche
Woran wir denken
Würden sie erfüllt
Willenskraft pur.
[Andere Blogs: Interdisziplinäre Gedanken, Dienstliche Glossen]
Feingeistiges am Freitag: Prosa, Lyrik, Kürzestgeschichten, Gedanken, aktuelle Themen, zeitlose Texte.
Wollte was er will
Was andere auch wollen
Wollen wir bekommen
Wovon alle träumen
Wären es Wünsche
Woran wir denken
Würden sie erfüllt
Willenskraft pur.
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ES MUSS DOCH GEREGNET HABEN,
Dann den Weg hinauf zur Düne, dünnes Gras links und rechts, vom Regen der letzten Tage durchfeuchtet, etwas glitschig, von seinen Gummistiefeln niedergedrückt. Der Weidezaun singt im Wind, die Leitungen zirpen dazu, „klick-klack“ macht der Stromautomat. Ängstlich haben sich die Schafe zusammengerottet, ihnen scheint das Pfeifen in der alten Linde unheimlich. Überhaupt sieht der Baum furchtbar alt aus, reckt seine überwiegend kahlen Äste in den Himmel, scheint dem zum Sturm anwachsenden Wind ein hämisches Grinsen entgegenzusetzen – komm ruhig, ich habe schon viele von deiner Sorte erlebt.
Jules hat jetzt den Deich erreicht, klettert auf der landseitigen Böschung hoch, der rechte Fuß glitscht kurz weg, macht aber nichts, damit hat er gerechnet. Ein Blick zurück zum Haus, zum Hofgarten, über den Deich nach rechts und nach links… alles in Ordnung. Vor ihm liegt das Wasser, überraschend ruhig, der zu erwartende Wellengang wird sich erst mit Verzögerung aufbauen, derzeit ist es noch recht gemäßigt. Unbeirrt vom Blasen des Windes rollen die Wellen an den Strand, bahnen sich gewohnt und unbeirrt ihren Weg um die Felsen herum.
Der Fels steht da, unbeeindruckt vom Wind, unbeeindruckt vom Wasser, ja auch unbeeindruckt von der Welt und deren Zeit. Für ihn scheinen andere Gesetze zu gelten, er liegt da, lässt geduldig mit sich spielen, souverän, in der Gewissheit der Unverwundbarkeit weit über menschliche Zeitrechnung hinaus. Jules setzt sich darauf, es ist ein Moment der Elemente, das Zerren des Sturms an seiner Jacke, das Klatschen des bewegten Wassers und unter ihm die Ruhe des Steins. Fundament für ihn, während die Wellen immer und immer wieder an ihm lecken, fast meint er, sie versuchten seine Schuhe zu erreichen, vor der Durchnässung schützt ihn die Höhe seiner Warte.
Eine Weile sitzt er da, schaut den Wellen zu, die immer lebhafter werden, in Zusammenarbeit mit der aufkommenden Flut erst zaghaft, dann immer energischer an seinem Sitzstein und dann auch an seinen Stiefeln zu lecken beginnen. Was für eine Kraft hier steckt, im Wind, der ihn wegpusten kann, in den Wellen, die den Deich auflösen und sein Haus wegspülen können, im Stein, der einmal ins Rollen gebracht alles niederrollen kann. Bliebe er jetzt sitzen, dann könnte er aber auch das Abflauen erleben, das Nachlassen der Bewegung, der Gefahr.
Sehr, sehr langsam, als könne er sonst etwas kaputt machen, steht Jules auf. Er dreht sich in Zeitlupentempo um, richtet sich auf und wird vom auflandigen Wind nun in Richtung Deichhang hinaufgedrückt. Aber jetzt sehen wir es, es war gar nicht die Vorsicht, es war eine Schwäche, jetzt stolpert er, der Wind schubst ihn, die Wellen lecken jetzt nicht mehr vorsichtig, vielmehr greifen sie mit langen Wasserarmen nach ihm. Er torkelt kurz, verliert das Gleichgewicht. Wieder ein ungestümer Windstoß, gerade als er sich aufrichten will, jetzt sieht er schemenhaft oben auf dem Deich seine Frau, mit rudernden Armen „komm rein bei dem Wetter“ scheint sie zu gestikulieren. Er will nicken, was ihm aber nicht gelingt, weil er just in dem Moment mit dem linken Stiefel wegknickt und rückwärts statt vorwärts läuft, von den gerade noch so harmlosen Wellen ins offene Wasser hinausgezogen. Eben will er sich wieder aufrichten, als ein Ast der alten Linde geflogen kommt. Wohl doch morscher als bislang eingeschätzt schlägt ihm der Knüppel gegen den Bauch, kurz geht ihm die Puste aus. Unbarmherzig nutzt der Wind sein verlorenes Gleichgewicht aus, drückt ihn seitwärts und er fühlt noch, wie er mit dem Kopf gegen den Stein stößt. Dann wird es dunkel.
Seine Frau eilt den Deich hinunter, oh mein Gott, mein Jules, mein Liebster, was mache ich denn nur, lebst Du noch, so sag doch was. Kein Ton, aber er lebt noch, jetzt alle Kraft sammeln, ihn aus der Gefahr herausholen, schwer ist er, ein Mann in gutem Alter und sie zerrt an ihm, vom Wind sabotiert und zieht und muss auch noch den Berg hoch, um ihn in Sicherheit zu bringen. Zum Glück schlägt er jetzt die Augen wieder auf, benommen noch, aber wieder bei Bewusstsein, die Beine gehorchen ihm wieder, seit er aus dem Wasser ist, unbeholfen setzt er sich in Bewegung.
Eine kleine Ewigkeit später und nach Wiederkehr der Kräfte halten die Beiden sich an der Hand, wanken auf das schützende Haus zu, wo der Wasserkessel ein einsames Lied pfeift und den Segen eines heißen Tees ankündigt.