22 August 2020

Am Fürstenhof der Elemente

 Ich habe mir berichten lassen, alles fing damit an, dass das Au (Gold) sich auf sein Adelsgeschlecht beruft. Verbindungen oder auch Vermischungen sind höchst unbeliebt, man möchte unter sich bleiben. Also bestenfalls mit dem Ag (Silber) kann man sich unbegrenzt vermischen, aber man braucht es nicht wirklich. Wer inert ist, kann gut alleine leben.

Mit einer gewissen Arroganz schauen diese Edelmetalle auf die gewöhnlichen Salze herunter. Geradezu abstoßend, wie die sich bei jeder Gelegenheit verkuppeln. NaCl (Kochsalz) ist so ein Kandidat. Da wird verbunden und geschäkert, was das Zeug hält. Aber für eine richtige und dauerhafte Beziehung mit kovalenter Bindung reicht es dann wieder nicht.

Man möchte sich fremdschämen, wenn man erlebt, wie sich Na (Natrium) auslebt, wenn es keinen Partner hat. Ist Cl (Chlor) in der Nähe ist Salzparty. Wasser verfügbar? Dann geht erst Recht die Post ab. Unter Zischen und Johlen wir NaOH (Natronlauge) gebildet.

Tja und dann diese Simpel, bei denen das ganze Dasein im Tete-a-tete mit ihresgleichen besteht. Das fängt ja schon beim H2 (Wasserstoff) an, aber schlimmer wird es dann beim O2 (Sauerstoff) mit seiner Doppelbindung oder - ist das eigentlich noch normal? – beim N2 (Stickstoff) mit gleich drei geteilten Elektronenpaaren. Man mag es sich als Mensch gar nicht vorstellen.

Da lob‘ ich mir den C (Kohlenstoff). Ein höchst wechselhaftes Element, als Kohle rabenschwarz, als Diamant strahlend klar. Und so kontaktfreudig und verwandlungsfähig, dass ihm ein eigener Zweig der Chemie (organische Chemie) gewidmet ist. Was da alles geht: Öle, Kunststoffe, Fasern und Erbinformationen – nichts wäre denkbar ohne dieses Element. Selbst Gold und Silber können an seiner besonderen Kristallstruktur nicht vorbei. Unter größtem Druck entstanden, ist der Diamant ein stolzer Kristall mit außergewöhnlicher Härte.

Ganz anders die neureichen Aufsteiger. Gase wie He (Helium) wollen Platz haben, den sie sich notfalls mit Gewalt nehmen. Besonders reaktionsfreudig sind sie nicht, man merkt ihnen an, dass sie (orbital) gesättigt sind. Ungebundenes Dolce Vita sozusagen.

Schließlich noch die Sensibelchen. Sie warten nur auf die Gelegenheit, ihre Depression auszuleben, Selbstmord zu begehen und spontan zu zerfallen. Und obwohl sie gegenüber den stabilen Elementen in der Minderzahl sind, bestimmen sie durch ihre Radioaktivität oft über Leben und Tod.

Kurz: Es geht zu wie am Fürstenhof. Wer sich die Ehre gibt und nach welchen höflichen Regeln eine Liaison in die Wege geleitet wird – Menschen sind eben auch nur Ansammlungen von Atomen.

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