Hereinspaziert, hereinspaziert – wir sollten uns kennenlernen!
Bitte beim Eintreten den Kopf ein wenig einziehen, denn die Null ist nicht für großen Menschen gebaut. Sie trennt Positives und Negatives und tritt bei Addition und Subtraktion nicht in Erscheinung. Nur bei den Punktrechnungen ist sie geradezu herrisch unterwegs: Bei der Multiplikation lässt sie sich von keiner Zahl unterkriegen und bei der Division jagt sie das Ergebnis in die Unendlichkeit.
Doch schon stehen wir dem Butler gegenüber. Ein wenig steif nimmt uns die Eins in Empfang, kerzengerade, tadellos und der Hüter der unendlichen Weiten, die ganzzahlig alle auf diesen stummen Diener zurückzuführen sind. Diese Zahl hat Verwandtschaft zu Null, deren Bescheidenheit sie bei der Punktrechnung an den Tag legt; und sie ist es gewöhnt, dass sie bei den Strichrechnungen gegenüber großen Zahlen schlichtweg ignoriert wird.
Nur nicht entmutigen lassen von der etwas abweisenden Art des Türstehers, denn da schwebt schon – schwanengleich – die Zwei auf uns zu. Mir ihrer breiten Sohle und dem wundervollen Hals ist sie der Blickfang und an Charme kaum zu übertreffen. Alle geraden Zahlen gehören in ihr Reich (auch wenn sie von diesen die Kleinste ist), die kleinste Primzahl ist sie sowie die Basis jedes Binärsystems und damit jeden Computers. Sie ist die grazile Königin.
Wer mehr auf Rassefrauen steht, wird mit der Drei glücklich. Volle Rundungen, oben und unten, ein Bogen gibt den anderen. Hier steckt Leben, eine waschechte ungerade Zahl, Primzahl dazu und stolz darauf, in der Nähe der Königin zu sein. Unkompliziert wie sie ist, kann man durch eine simple Teilerregel auf ihren Anteil bei beliebig großen Zahlen schließen.
Dreht sie sich zur anderen Seite, dann sieht sie einen feinen Künstler. Den Taktstock in der Hand demonstriert die Vier, dass sie die Grundlage fast jeder abendländischer Musik ist. Mal als Walzer im Verbund mit der Drei, mal als selbstverliebter Blues oder harter Rock.
Die Mitte erreicht mit einer androgynen Fünf. Ist es ein Weib, so fragt man sich bei dem geschwungenen Unterleib, oder ist es ein Mann mit geschwellter Brust und geraden Linien? Vielleicht würde sie sogar ein wenig depressiv in dieser Sandwich-Position, wäre sie nicht von so großer Wichtigkeit: Als Hälfte der Zehn und damit der äquidistanten Unterbrechung unseres Dezimalsystems ist sie für einfache Rechnungen, Dividieren und Halbieren von größtem Wert.
Sechs? Eine ganz Herzliche, also wirklich rundum problemlos, vermutlich dauerhaft schwanger. Sie verblasst etwas hinter der Fünf als Mitte des Dezimalsystems, denn das Duodezimalsystem (12er) ist ein wenig aus der Mode. Nur noch beim halben Dutzend bemerken wir sie. Durch ihr sonniges Gemüt macht ihr das nichts aus, sie genießt die Nachbarschaft zur Sieben.
Auch so ein Lebenskünstler, die Sieben, ein Dandy, der sich mit seinem großen Hut gerne ein wenig in Pose wirft. Den Kopf zurück, die modische Kopfbedeckung nach vorne, beide Arme bereit für ein Tänzchen. Man muss ihn eigentlich gerne haben, aber – unter uns – es ist die unbeliebteste Zahl weit und breit. Wer mag schon gerne mit ihr rechnen, durch sie dividieren? Immerhin: die größte einstellige Primzahl.
Doppelringe mit Wespentaille und eine einzigartige Symmetrie zeichnen sie aus: Die Acht kann man einfach nicht übersehen. Sie strahlt die Souveränität einer Zahl aus, die sich auf die Zwei und die Vier verlassen kann. Von Natur aus natürlich gerade, Teil der binären Potenzreihe und eine Kubikzahl. Ob man sie von oben oder unten sieht: Sie ist immer gleich und wird in dieser stoischen Ruhe gerne mit innerem Gleichgewicht in Verbindung gebracht.
Schließlich der Kopf der Mannschaft. Man könnte fast meinen, dass es die Neun mit ihrem übergroßen Kopf auf dem dünnen Unterbau ein wenig übertreibt. Aber irgendwer muss ja als höchste einstellige Zahl den Überblick behalten. Kein Platz für Party, keine übertriebene Ritterlichkeit, aber sie nutzt die Potenz der Drei, von der sie sich an manchen Tagen geteilt fühlt.
Drehen wir uns jetzt um?
Wir kennen nun die gesamte einstellige Welt mit ihrem Eingang dem Türsteher und der Königin, der Partyfraktion und dem kühlen Denker. Nun heißt es Acht geben, dass wir uns mit ihnen gut halten, denn wir brauchen sie nun mal auf Schritt und Tritt.